lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find nun aber einmal der einzelne menschliche Körper oder Geist, und die zum Wollen oder Handeln bestimmten Einrichtungen eines Staates. -- Solche naturphilosophische Auffassungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit, theils aus individueller mystischer und dichterischer Anlage. In neuerer Zeit sind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat aus dem Organismus des Universums entwickelt. Landshut, 1805. -- (Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfassung. Frankfurt, 1815. -- Bluntschli, J. C., Psychologische Studien über Staat und Kirche. Zürich, 1844. -- Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.
§ 7. 7. Die Staatenverbindungen.
Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein- heitliche Leben seines Volkes herzustellen, und zwar in allen Beziehungen und unter Berücksichtigung aller berechtigten Zwecke der sämmtlichen in demselben enthaltenen Lebenskreise; und ein jeder Staat soll in dieser Rücksicht völlig abgeschlossen und ge- nügend sein. Dennoch ist die vernünftige Ordnung des mensch- lichen Zusammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä- tigkeit jedes besonderen Staates. Vielmehr entstehen über diese hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch sehr erwei- teter Lebenskreis. Erstens erzeugt das Nebeneinanderbestehen mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel- ner concreter Staaten die Gründung gemeinschaftlicher Er- gänzungsanstalten veranlassen. Drittens endlich gewährt das Zusammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög- lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und so- gar der Gründung eines höhern Zusammenlebens der gesamm- ten Menschheit 1).
1. Das Nebeneinanderbestehen mehrerer Staaten
lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find nun aber einmal der einzelne menſchliche Körper oder Geiſt, und die zum Wollen oder Handeln beſtimmten Einrichtungen eines Staates. — Solche naturphiloſophiſche Auffaſſungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit, theils aus individueller myſtiſcher und dichteriſcher Anlage. In neuerer Zeit ſind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat aus dem Organismus des Univerſums entwickelt. Landshut, 1805. — (Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfaſſung. Frankfurt, 1815. — Bluntſchli, J. C., Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche. Zürich, 1844. — Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.
§ 7. 7. Die Staatenverbindungen.
Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein- heitliche Leben ſeines Volkes herzuſtellen, und zwar in allen Beziehungen und unter Berückſichtigung aller berechtigten Zwecke der ſämmtlichen in demſelben enthaltenen Lebenskreiſe; und ein jeder Staat ſoll in dieſer Rückſicht völlig abgeſchloſſen und ge- nügend ſein. Dennoch iſt die vernünftige Ordnung des menſch- lichen Zuſammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä- tigkeit jedes beſonderen Staates. Vielmehr entſtehen über dieſe hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch ſehr erwei- teter Lebenskreis. Erſtens erzeugt das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel- ner concreter Staaten die Gründung gemeinſchaftlicher Er- gänzungsanſtalten veranlaſſen. Drittens endlich gewährt das Zuſammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög- lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und ſo- gar der Gründung eines höhern Zuſammenlebens der geſamm- ten Menſchheit 1).
1. Das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><noteplace="end"n="3)"><pbfacs="#f0048"n="34"/>
lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find<lb/>
nun aber einmal der einzelne menſchliche Körper oder Geiſt, und die zum<lb/>
Wollen oder Handeln beſtimmten Einrichtungen eines Staates. — Solche<lb/>
naturphiloſophiſche Auffaſſungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit<lb/>
immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit,<lb/>
theils aus individueller myſtiſcher und dichteriſcher Anlage. In neuerer Zeit<lb/>ſind namentlich folgende Schriften zu nennen: <hirendition="#g">Nibler</hi>, J. B., Der Staat<lb/>
aus dem Organismus des Univerſums entwickelt. Landshut, 1805. —<lb/>
(<hirendition="#g">Wangenheim</hi>, K. v.,) Die Idee der Staatsverfaſſung. Frankfurt, 1815.<lb/>—<hirendition="#g">Bluntſchli</hi>, J. C., Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche.<lb/>
Zürich, 1844. —<hirendition="#g">Rohmer</hi>, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.</note></div><lb/><divn="3"><head>§ 7.<lb/><hirendition="#b">7. Die Staatenverbindungen.</hi></head><lb/><p>Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein-<lb/>
heitliche Leben ſeines Volkes herzuſtellen, und zwar in allen<lb/>
Beziehungen und unter Berückſichtigung aller berechtigten Zwecke<lb/>
der ſämmtlichen in demſelben enthaltenen Lebenskreiſe; und ein<lb/>
jeder Staat ſoll in dieſer Rückſicht völlig abgeſchloſſen und ge-<lb/>
nügend ſein. Dennoch iſt die vernünftige Ordnung des menſch-<lb/>
lichen Zuſammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä-<lb/>
tigkeit jedes beſonderen Staates. Vielmehr entſtehen über dieſe<lb/>
hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch ſehr erwei-<lb/>
teter Lebenskreis. Erſtens erzeugt das Nebeneinanderbeſtehen<lb/>
mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen<lb/>
und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel<lb/>
der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel-<lb/>
ner concreter Staaten die Gründung gemeinſchaftlicher Er-<lb/>
gänzungsanſtalten veranlaſſen. Drittens endlich gewährt das<lb/>
Zuſammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög-<lb/>
lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und ſo-<lb/>
gar der Gründung eines höhern Zuſammenlebens der geſamm-<lb/>
ten Menſchheit <hirendition="#sup">1</hi>).</p><lb/><p>1. Das <hirendition="#g">Nebeneinanderbeſtehen</hi> mehrerer Staaten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[34/0048]
³⁾ lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find
nun aber einmal der einzelne menſchliche Körper oder Geiſt, und die zum
Wollen oder Handeln beſtimmten Einrichtungen eines Staates. — Solche
naturphiloſophiſche Auffaſſungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit
immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit,
theils aus individueller myſtiſcher und dichteriſcher Anlage. In neuerer Zeit
ſind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat
aus dem Organismus des Univerſums entwickelt. Landshut, 1805. —
(Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfaſſung. Frankfurt, 1815.
— Bluntſchli, J. C., Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche.
Zürich, 1844. — Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.
§ 7.
7. Die Staatenverbindungen.
Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein-
heitliche Leben ſeines Volkes herzuſtellen, und zwar in allen
Beziehungen und unter Berückſichtigung aller berechtigten Zwecke
der ſämmtlichen in demſelben enthaltenen Lebenskreiſe; und ein
jeder Staat ſoll in dieſer Rückſicht völlig abgeſchloſſen und ge-
nügend ſein. Dennoch iſt die vernünftige Ordnung des menſch-
lichen Zuſammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä-
tigkeit jedes beſonderen Staates. Vielmehr entſtehen über dieſe
hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch ſehr erwei-
teter Lebenskreis. Erſtens erzeugt das Nebeneinanderbeſtehen
mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen
und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel
der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel-
ner concreter Staaten die Gründung gemeinſchaftlicher Er-
gänzungsanſtalten veranlaſſen. Drittens endlich gewährt das
Zuſammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög-
lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und ſo-
gar der Gründung eines höhern Zuſammenlebens der geſamm-
ten Menſchheit 1).
1. Das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/48>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.