zur Vertheidigung des Rechtes schließlich nichts übrig als Krieg, d. h. Abwehr des Unrechtes mit bewaffneter Hand. Der Staat ist in solchem Falle in der Lage eines in Nothwehr befindlichen und zur Selbstvertheidigung zu Ergreifung der äußersten Mittel genöthigten, also auch berechtigten, Indivi- duums 1). Das Mittel des Krieges ist allerdings ein unsicheres, weil keineswegs mit Nothwendigkeit der Sieg auf Seiten des Rechtes ist; er ist ein gewagtes Mittel, weil im Falle des Unterliegens nicht nur die beabsichtigte Abwehr des Unrechtes nicht erreicht, sondern leicht noch eine weitere und vielleicht größere Verletzung an Recht und Interessen zugefügt wird; er ist endlich ein Mittel, welches selbst im besten Falle mit den schmerzlichsten Opfern erkauft wird und unzähliges mensch- liches Elend unvermeidlich im Gefolge führt: allein er ist in der That die "ultima ratio regum," und er ist unvermeid- lich, wenn nicht schießlich jedes Recht der Gewaltthat blos- gestellt sein soll 2).
Daß ein Krieg nur zur Vertheidigung des Rechtes und zwar nur nach Erschöpfung aller andern Mittel geführt werden darf; daß er ferner nur bei einer entsprechenden Größe des zu schützenden Rechtes vernünftiger- und sittlicherweise zu unter- nehmen ist; endlich daß er, der mit den Kräften des ganzen Staates und mit den mannchfachsten Leiden des ganzen Volkes und einzelner Bürger unternommen wird, ebenfalls nur wegen allgemeiner staatlicher Rechte und nicht etwa aus persönlichen Gründen der Staatsoberhäupter zu führen ist: liegt in der Natur der ganzen Maßregel und ihrer schweren Folgen. Ein ohne Nothwendigkeit unternommener Krieg ist ein ebenso großes Unrecht gegen das eigene als gegen das feindliche Volk. Nur ein Vertheidigungskrieg (im rechtlichen, nicht im strategischen Sinne genommen) ist rechtlich erlaubt.
Die förmliche Ankündigung eines beabsichtigten Krieges
zur Vertheidigung des Rechtes ſchließlich nichts übrig als Krieg, d. h. Abwehr des Unrechtes mit bewaffneter Hand. Der Staat iſt in ſolchem Falle in der Lage eines in Nothwehr befindlichen und zur Selbſtvertheidigung zu Ergreifung der äußerſten Mittel genöthigten, alſo auch berechtigten, Indivi- duums 1). Das Mittel des Krieges iſt allerdings ein unſicheres, weil keineswegs mit Nothwendigkeit der Sieg auf Seiten des Rechtes iſt; er iſt ein gewagtes Mittel, weil im Falle des Unterliegens nicht nur die beabſichtigte Abwehr des Unrechtes nicht erreicht, ſondern leicht noch eine weitere und vielleicht größere Verletzung an Recht und Intereſſen zugefügt wird; er iſt endlich ein Mittel, welches ſelbſt im beſten Falle mit den ſchmerzlichſten Opfern erkauft wird und unzähliges menſch- liches Elend unvermeidlich im Gefolge führt: allein er iſt in der That die „ultima ratio regum,“ und er iſt unvermeid- lich, wenn nicht ſchießlich jedes Recht der Gewaltthat blos- geſtellt ſein ſoll 2).
Daß ein Krieg nur zur Vertheidigung des Rechtes und zwar nur nach Erſchöpfung aller andern Mittel geführt werden darf; daß er ferner nur bei einer entſprechenden Größe des zu ſchützenden Rechtes vernünftiger- und ſittlicherweiſe zu unter- nehmen iſt; endlich daß er, der mit den Kräften des ganzen Staates und mit den mannchfachſten Leiden des ganzen Volkes und einzelner Bürger unternommen wird, ebenfalls nur wegen allgemeiner ſtaatlicher Rechte und nicht etwa aus perſönlichen Gründen der Staatsoberhäupter zu führen iſt: liegt in der Natur der ganzen Maßregel und ihrer ſchweren Folgen. Ein ohne Nothwendigkeit unternommener Krieg iſt ein ebenſo großes Unrecht gegen das eigene als gegen das feindliche Volk. Nur ein Vertheidigungskrieg (im rechtlichen, nicht im ſtrategiſchen Sinne genommen) iſt rechtlich erlaubt.
Die förmliche Ankündigung eines beabſichtigten Krieges
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zur Vertheidigung des Rechtes ſchließlich nichts übrig als
Krieg, d. h. Abwehr des Unrechtes mit bewaffneter Hand.
Der Staat iſt in ſolchem Falle in der Lage eines in Nothwehr
befindlichen und zur Selbſtvertheidigung zu Ergreifung der
äußerſten Mittel genöthigten, alſo auch berechtigten, Indivi-
duums 1). Das Mittel des Krieges iſt allerdings ein unſicheres,
weil keineswegs mit Nothwendigkeit der Sieg auf Seiten des
Rechtes iſt; er iſt ein gewagtes Mittel, weil im Falle des
Unterliegens nicht nur die beabſichtigte Abwehr des Unrechtes
nicht erreicht, ſondern leicht noch eine weitere und vielleicht
größere Verletzung an Recht und Intereſſen zugefügt wird;
er iſt endlich ein Mittel, welches ſelbſt im beſten Falle mit
den ſchmerzlichſten Opfern erkauft wird und unzähliges menſch-
liches Elend unvermeidlich im Gefolge führt: allein er iſt in
der That die „ultima ratio regum,“ und er iſt unvermeid-
lich, wenn nicht ſchießlich jedes Recht der Gewaltthat blos-
geſtellt ſein ſoll 2).
Daß ein Krieg nur zur Vertheidigung des Rechtes und
zwar nur nach Erſchöpfung aller andern Mittel geführt werden
darf; daß er ferner nur bei einer entſprechenden Größe des
zu ſchützenden Rechtes vernünftiger- und ſittlicherweiſe zu unter-
nehmen iſt; endlich daß er, der mit den Kräften des ganzen
Staates und mit den mannchfachſten Leiden des ganzen Volkes
und einzelner Bürger unternommen wird, ebenfalls nur wegen
allgemeiner ſtaatlicher Rechte und nicht etwa aus perſönlichen
Gründen der Staatsoberhäupter zu führen iſt: liegt in der
Natur der ganzen Maßregel und ihrer ſchweren Folgen. Ein
ohne Nothwendigkeit unternommener Krieg iſt ein ebenſo großes
Unrecht gegen das eigene als gegen das feindliche Volk. Nur
ein Vertheidigungskrieg (im rechtlichen, nicht im ſtrategiſchen
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/468>, abgerufen am 24.11.2024.
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