werden kann, von einem fremden Staate die Absendung einer ihm bezeichneten Persönlichkeit zu verlangen, so mag doch die Wahl zwischen blos schriftlichem Verkehre und der Bezeichnung eines nicht widrigen Gesandten gelassen werden.
Die Möglichkeit, Gesandte zu schicken und mittelst derselben Staatsgeschäfte zu betreiben, ist bedingt durch eine vollständige Unverletzlichkeit ihrer Person. Theils wäre es unbillig, einen Abzusendenden Mißhandlungen von Seiten der beschickten Staatsgewalt auszusetzen, und wäre es unklug einen so gefähr- lichen Auftrag anzunehmen; leicht würde sich also das ganze Mittel zur Verbindung unter den Staaten unanwendbar er- weisen. Theils aber kann der mit einem Gesandten Beschickte keine richterliche Gewalt oder Herrscherbefugniß über denselben in Anspruch nehmen, da dieser nicht sein Unterthan ist und auch keine Verpflichtung hat, seine Handlungen nach dem Ge- fallen des Beschickten einzurichten. Die Beschädigung eines Gesandten ist daher, weil sie ebensosehr ein großes Unrecht als äußerste Erschwerung einer Rechtsordnung unter den Staaten ist, zu allen Zeiten als eine der größten Verletzungen des Völkerrechtes und als eine Handlung feiger Barbarei be- trachtet und wo möglich gerächt worden. -- Was aber vom Gesandten persönlich gilt, gilt auch von den ihm zur Hülfe beigegebenen Personen, deren Anwesenheit und Mitwirkung für ihn unentbehrlich ist; und muß auch, nach Grundsätzen des philosophischen Rechtes, auf sein Eigenthum und vor Allem auf seine Briefschaften ausgedehnt werden.
Zweifelhaft mag sein, ob es erlaubt ist, einen Gesandten, welcher sich innerhalb der Grenzen des beschickten Landes eines Verbrechens schuldig macht, oder der sich weigert, eine innerhalb desselben eingegangene privatrechtliche Verbindlichkeit zu erfüllen, daselbst vor Gericht zu stellen und die Gesetze des Landes auf ihn anzuwenden. Einerseits nämlich ist ganz richtig, daß ihn
werden kann, von einem fremden Staate die Abſendung einer ihm bezeichneten Perſönlichkeit zu verlangen, ſo mag doch die Wahl zwiſchen blos ſchriftlichem Verkehre und der Bezeichnung eines nicht widrigen Geſandten gelaſſen werden.
Die Möglichkeit, Geſandte zu ſchicken und mittelſt derſelben Staatsgeſchäfte zu betreiben, iſt bedingt durch eine vollſtändige Unverletzlichkeit ihrer Perſon. Theils wäre es unbillig, einen Abzuſendenden Mißhandlungen von Seiten der beſchickten Staatsgewalt auszuſetzen, und wäre es unklug einen ſo gefähr- lichen Auftrag anzunehmen; leicht würde ſich alſo das ganze Mittel zur Verbindung unter den Staaten unanwendbar er- weiſen. Theils aber kann der mit einem Geſandten Beſchickte keine richterliche Gewalt oder Herrſcherbefugniß über denſelben in Anſpruch nehmen, da dieſer nicht ſein Unterthan iſt und auch keine Verpflichtung hat, ſeine Handlungen nach dem Ge- fallen des Beſchickten einzurichten. Die Beſchädigung eines Geſandten iſt daher, weil ſie ebenſoſehr ein großes Unrecht als äußerſte Erſchwerung einer Rechtsordnung unter den Staaten iſt, zu allen Zeiten als eine der größten Verletzungen des Völkerrechtes und als eine Handlung feiger Barbarei be- trachtet und wo möglich gerächt worden. — Was aber vom Geſandten perſönlich gilt, gilt auch von den ihm zur Hülfe beigegebenen Perſonen, deren Anweſenheit und Mitwirkung für ihn unentbehrlich iſt; und muß auch, nach Grundſätzen des philoſophiſchen Rechtes, auf ſein Eigenthum und vor Allem auf ſeine Briefſchaften ausgedehnt werden.
Zweifelhaft mag ſein, ob es erlaubt iſt, einen Geſandten, welcher ſich innerhalb der Grenzen des beſchickten Landes eines Verbrechens ſchuldig macht, oder der ſich weigert, eine innerhalb deſſelben eingegangene privatrechtliche Verbindlichkeit zu erfüllen, daſelbſt vor Gericht zu ſtellen und die Geſetze des Landes auf ihn anzuwenden. Einerſeits nämlich iſt ganz richtig, daß ihn
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werden kann, von einem fremden Staate die Abſendung einer
ihm bezeichneten Perſönlichkeit zu verlangen, ſo mag doch die
Wahl zwiſchen blos ſchriftlichem Verkehre und der Bezeichnung
eines nicht widrigen Geſandten gelaſſen werden.
Die Möglichkeit, Geſandte zu ſchicken und mittelſt derſelben
Staatsgeſchäfte zu betreiben, iſt bedingt durch eine vollſtändige
Unverletzlichkeit ihrer Perſon. Theils wäre es unbillig,
einen Abzuſendenden Mißhandlungen von Seiten der beſchickten
Staatsgewalt auszuſetzen, und wäre es unklug einen ſo gefähr-
lichen Auftrag anzunehmen; leicht würde ſich alſo das ganze
Mittel zur Verbindung unter den Staaten unanwendbar er-
weiſen. Theils aber kann der mit einem Geſandten Beſchickte
keine richterliche Gewalt oder Herrſcherbefugniß über denſelben
in Anſpruch nehmen, da dieſer nicht ſein Unterthan iſt und
auch keine Verpflichtung hat, ſeine Handlungen nach dem Ge-
fallen des Beſchickten einzurichten. Die Beſchädigung eines
Geſandten iſt daher, weil ſie ebenſoſehr ein großes Unrecht
als äußerſte Erſchwerung einer Rechtsordnung unter den
Staaten iſt, zu allen Zeiten als eine der größten Verletzungen
des Völkerrechtes und als eine Handlung feiger Barbarei be-
trachtet und wo möglich gerächt worden. — Was aber vom
Geſandten perſönlich gilt, gilt auch von den ihm zur Hülfe
beigegebenen Perſonen, deren Anweſenheit und Mitwirkung für
ihn unentbehrlich iſt; und muß auch, nach Grundſätzen des
philoſophiſchen Rechtes, auf ſein Eigenthum und vor Allem
auf ſeine Briefſchaften ausgedehnt werden.
Zweifelhaft mag ſein, ob es erlaubt iſt, einen Geſandten,
welcher ſich innerhalb der Grenzen des beſchickten Landes eines
Verbrechens ſchuldig macht, oder der ſich weigert, eine innerhalb
deſſelben eingegangene privatrechtliche Verbindlichkeit zu erfüllen,
daſelbſt vor Gericht zu ſtellen und die Geſetze des Landes auf
ihn anzuwenden. Einerſeits nämlich iſt ganz richtig, daß ihn
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/450>, abgerufen am 24.11.2024.
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