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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Ein Gesandter ist wesentlich ein vom Staatsoberhaupte
zur Besorgung von Staatsgeschäften an das Oberhaupt eines
andern Staates abgeordneter Bevollmächtigter. Er hat sich,
selbstverständlich, sowohl über seine Vollmacht im Allgemeinen
als über seinen Auftrag zur Besorgung des besondern Geschäftes
auszuweisen, und seine Handlungen haben für den ihn absen-
denden Regenten persönlich, sowie für den Staat nur insoweit
Verbindlichkeit, als er wirklich Auftrag hatte oder wenigstens
seine freiwillige Geschäftswaltung nachträglich anerkannt wurde.
Wem ein Staat eine solche Bevollmächtigung übertragen will,
ist seine eigene Sache; und nach Grundsätzen des philosophischen
Völkerrechtes besteht auch kein rechtlicher Unterschied unter den
Gesandten je nach ihrem sonstigen Range im vaterländischen
Staatsdienste oder nach dem Gegenstande ihres Auftrages.
Die einzige Frage ist, ob sie wirklich und gehörig bevollmächt sind.

Da nur das Staatsoberhaupt den Staat gegenüber von
Außen vertritt, so kann ein Gesandter auch nur von ihm ab-
geordnet werden, und kann eine Gesandtschaft nur an ein
Staatsoberhaupt gerichtet sein. Untergeordnete Staatsbeamte
wie hoch immer ihre Stelle sein mag, haben weder aktives noch
passives Gesandtschaftsrecht; höchstens mag, durch eine aus-
drückliche Erklärung, dem Staathalter einer getrennten und
weit entlegenen Provinz oder Kolonie ein solches Recht im
Bereiche seiner Amtsthätigkeit eingeräumt sein 2).

Die Annahme einer Gesandtschaft ist nicht unbedingte
Rechtspflicht, da möglicherweise Mittheilungen und Verstän-
digungen auch noch auf andere Weise erfolgen können; nur
ist freilich in der Regel die Ablehnung ein Beweis von ent-
schiedener persönlicher Ungunst oder von geringer Neigung zur
Ordnung der Verhältnisse. Noch weniger besteht eine Ver-
bindlichkeit, mit einer bestimmten Person als Gesandten zu
verkehren; und wenn auch kein Recht in Anspruch genommen

28*

Ein Geſandter iſt weſentlich ein vom Staatsoberhaupte
zur Beſorgung von Staatsgeſchäften an das Oberhaupt eines
andern Staates abgeordneter Bevollmächtigter. Er hat ſich,
ſelbſtverſtändlich, ſowohl über ſeine Vollmacht im Allgemeinen
als über ſeinen Auftrag zur Beſorgung des beſondern Geſchäftes
auszuweiſen, und ſeine Handlungen haben für den ihn abſen-
denden Regenten perſönlich, ſowie für den Staat nur inſoweit
Verbindlichkeit, als er wirklich Auftrag hatte oder wenigſtens
ſeine freiwillige Geſchäftswaltung nachträglich anerkannt wurde.
Wem ein Staat eine ſolche Bevollmächtigung übertragen will,
iſt ſeine eigene Sache; und nach Grundſätzen des philoſophiſchen
Völkerrechtes beſteht auch kein rechtlicher Unterſchied unter den
Geſandten je nach ihrem ſonſtigen Range im vaterländiſchen
Staatsdienſte oder nach dem Gegenſtande ihres Auftrages.
Die einzige Frage iſt, ob ſie wirklich und gehörig bevollmächt ſind.

Da nur das Staatsoberhaupt den Staat gegenüber von
Außen vertritt, ſo kann ein Geſandter auch nur von ihm ab-
geordnet werden, und kann eine Geſandtſchaft nur an ein
Staatsoberhaupt gerichtet ſein. Untergeordnete Staatsbeamte
wie hoch immer ihre Stelle ſein mag, haben weder aktives noch
paſſives Geſandtſchaftsrecht; höchſtens mag, durch eine aus-
drückliche Erklärung, dem Staathalter einer getrennten und
weit entlegenen Provinz oder Kolonie ein ſolches Recht im
Bereiche ſeiner Amtsthätigkeit eingeräumt ſein 2).

Die Annahme einer Geſandtſchaft iſt nicht unbedingte
Rechtspflicht, da möglicherweiſe Mittheilungen und Verſtän-
digungen auch noch auf andere Weiſe erfolgen können; nur
iſt freilich in der Regel die Ablehnung ein Beweis von ent-
ſchiedener perſönlicher Ungunſt oder von geringer Neigung zur
Ordnung der Verhältniſſe. Noch weniger beſteht eine Ver-
bindlichkeit, mit einer beſtimmten Perſon als Geſandten zu
verkehren; und wenn auch kein Recht in Anſpruch genommen

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[435/0449] Ein Geſandter iſt weſentlich ein vom Staatsoberhaupte zur Beſorgung von Staatsgeſchäften an das Oberhaupt eines andern Staates abgeordneter Bevollmächtigter. Er hat ſich, ſelbſtverſtändlich, ſowohl über ſeine Vollmacht im Allgemeinen als über ſeinen Auftrag zur Beſorgung des beſondern Geſchäftes auszuweiſen, und ſeine Handlungen haben für den ihn abſen- denden Regenten perſönlich, ſowie für den Staat nur inſoweit Verbindlichkeit, als er wirklich Auftrag hatte oder wenigſtens ſeine freiwillige Geſchäftswaltung nachträglich anerkannt wurde. Wem ein Staat eine ſolche Bevollmächtigung übertragen will, iſt ſeine eigene Sache; und nach Grundſätzen des philoſophiſchen Völkerrechtes beſteht auch kein rechtlicher Unterſchied unter den Geſandten je nach ihrem ſonſtigen Range im vaterländiſchen Staatsdienſte oder nach dem Gegenſtande ihres Auftrages. Die einzige Frage iſt, ob ſie wirklich und gehörig bevollmächt ſind. Da nur das Staatsoberhaupt den Staat gegenüber von Außen vertritt, ſo kann ein Geſandter auch nur von ihm ab- geordnet werden, und kann eine Geſandtſchaft nur an ein Staatsoberhaupt gerichtet ſein. Untergeordnete Staatsbeamte wie hoch immer ihre Stelle ſein mag, haben weder aktives noch paſſives Geſandtſchaftsrecht; höchſtens mag, durch eine aus- drückliche Erklärung, dem Staathalter einer getrennten und weit entlegenen Provinz oder Kolonie ein ſolches Recht im Bereiche ſeiner Amtsthätigkeit eingeräumt ſein 2). Die Annahme einer Geſandtſchaft iſt nicht unbedingte Rechtspflicht, da möglicherweiſe Mittheilungen und Verſtän- digungen auch noch auf andere Weiſe erfolgen können; nur iſt freilich in der Regel die Ablehnung ein Beweis von ent- ſchiedener perſönlicher Ungunſt oder von geringer Neigung zur Ordnung der Verhältniſſe. Noch weniger beſteht eine Ver- bindlichkeit, mit einer beſtimmten Perſon als Geſandten zu verkehren; und wenn auch kein Recht in Anſpruch genommen 28*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/449>, abgerufen am 22.11.2024.