der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen sind jedoch keine nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange- legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern Verhältnisse auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten Ständen mag ohne Anstand die Gesammtheit persönlich erschei- nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen- über von den andern Ständen abgeleitet werden.
Zweitens müssen die rechtlichen Formen und Folgen einer Ausübung des Beschwerderechtes festgestellt sein. Die Hauptsache ist hier natürlich die Auffindung eines passenden, d. h. in Staatssachen verständigen und nach allen Seiten hin unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zusammensetzung eines Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entsprechen, übrigens auch sie schwierig sein. 8).
Drittens endlich müssen die Fälle genau bestimmt sein, in welchen die ausnahmsweise Mitwirkung der Stände bei der Vornahme von Regierungshandlungen stattfindet. Die Hauptrücksicht hierbei ist die Schwierigkeit oder gar Unmög- lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollständig gut zu machen. Wo in einer bedeutenden Beziehung solches klar vorliegt, ist vorgängige Mitberathung und Zustimmung an der Stelle. Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß nicht überschritten werden, damit nicht der wesentliche Vorzug der Einherrschaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Entschlusses und der Ausführung, allzu oft und ohne über- wiegenden Grund verloren gehen. Es ist demnach nicht räthlich, daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die wichtigeren Fälle der Gesetzgebung, die Ordnung des Staats- haushaltes und namentlich des Steuerwesens, endlich etwa über Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Interessen der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich gesorgt sein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt
der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen ſind jedoch keine nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange- legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern Verhältniſſe auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten Ständen mag ohne Anſtand die Geſammtheit perſönlich erſchei- nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen- über von den andern Ständen abgeleitet werden.
Zweitens müſſen die rechtlichen Formen und Folgen einer Ausübung des Beſchwerderechtes feſtgeſtellt ſein. Die Hauptſache iſt hier natürlich die Auffindung eines paſſenden, d. h. in Staatsſachen verſtändigen und nach allen Seiten hin unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zuſammenſetzung eines Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entſprechen, übrigens auch ſie ſchwierig ſein. 8).
Drittens endlich müſſen die Fälle genau beſtimmt ſein, in welchen die ausnahmsweiſe Mitwirkung der Stände bei der Vornahme von Regierungshandlungen ſtattfindet. Die Hauptrückſicht hierbei iſt die Schwierigkeit oder gar Unmög- lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollſtändig gut zu machen. Wo in einer bedeutenden Beziehung ſolches klar vorliegt, iſt vorgängige Mitberathung und Zuſtimmung an der Stelle. Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß nicht überſchritten werden, damit nicht der weſentliche Vorzug der Einherrſchaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Entſchluſſes und der Ausführung, allzu oft und ohne über- wiegenden Grund verloren gehen. Es iſt demnach nicht räthlich, daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die wichtigeren Fälle der Geſetzgebung, die Ordnung des Staats- haushaltes und namentlich des Steuerweſens, endlich etwa über Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intereſſen der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich geſorgt ſein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0377"n="363"/>
der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen ſind jedoch keine<lb/>
nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange-<lb/>
legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern<lb/>
Verhältniſſe auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten<lb/>
Ständen mag ohne Anſtand die Geſammtheit perſönlich erſchei-<lb/>
nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen-<lb/>
über von den andern Ständen abgeleitet werden.</p><lb/><p>Zweitens müſſen die rechtlichen Formen und Folgen einer<lb/>
Ausübung des <hirendition="#g">Beſchwerderechtes</hi> feſtgeſtellt ſein. Die<lb/>
Hauptſache iſt hier natürlich die Auffindung eines paſſenden,<lb/>
d. h. in Staatsſachen verſtändigen und nach allen Seiten hin<lb/>
unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zuſammenſetzung eines<lb/>
Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entſprechen,<lb/>
übrigens auch ſie ſchwierig ſein. <hirendition="#sup">8</hi>).</p><lb/><p>Drittens endlich müſſen die Fälle genau beſtimmt ſein, in<lb/>
welchen die ausnahmsweiſe <hirendition="#g">Mitwirkung der Stände</hi> bei<lb/>
der Vornahme von Regierungshandlungen ſtattfindet. Die<lb/>
Hauptrückſicht hierbei iſt die Schwierigkeit oder gar Unmög-<lb/>
lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollſtändig gut zu machen.<lb/>
Wo in einer bedeutenden Beziehung ſolches klar vorliegt, iſt<lb/>
vorgängige Mitberathung und Zuſtimmung an der Stelle.<lb/>
Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß<lb/>
nicht überſchritten werden, damit nicht der weſentliche Vorzug<lb/>
der Einherrſchaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des<lb/>
Entſchluſſes und der Ausführung, allzu oft und ohne über-<lb/>
wiegenden Grund verloren gehen. Es iſt demnach nicht räthlich,<lb/>
daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die<lb/>
wichtigeren Fälle der Geſetzgebung, die Ordnung des Staats-<lb/>
haushaltes und namentlich des Steuerweſens, endlich etwa über<lb/>
Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intereſſen<lb/>
der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich<lb/>
geſorgt ſein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[363/0377]
der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen ſind jedoch keine
nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange-
legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern
Verhältniſſe auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten
Ständen mag ohne Anſtand die Geſammtheit perſönlich erſchei-
nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen-
über von den andern Ständen abgeleitet werden.
Zweitens müſſen die rechtlichen Formen und Folgen einer
Ausübung des Beſchwerderechtes feſtgeſtellt ſein. Die
Hauptſache iſt hier natürlich die Auffindung eines paſſenden,
d. h. in Staatsſachen verſtändigen und nach allen Seiten hin
unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zuſammenſetzung eines
Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entſprechen,
übrigens auch ſie ſchwierig ſein. 8).
Drittens endlich müſſen die Fälle genau beſtimmt ſein, in
welchen die ausnahmsweiſe Mitwirkung der Stände bei
der Vornahme von Regierungshandlungen ſtattfindet. Die
Hauptrückſicht hierbei iſt die Schwierigkeit oder gar Unmög-
lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollſtändig gut zu machen.
Wo in einer bedeutenden Beziehung ſolches klar vorliegt, iſt
vorgängige Mitberathung und Zuſtimmung an der Stelle.
Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß
nicht überſchritten werden, damit nicht der weſentliche Vorzug
der Einherrſchaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des
Entſchluſſes und der Ausführung, allzu oft und ohne über-
wiegenden Grund verloren gehen. Es iſt demnach nicht räthlich,
daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die
wichtigeren Fälle der Geſetzgebung, die Ordnung des Staats-
haushaltes und namentlich des Steuerweſens, endlich etwa über
Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intereſſen
der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich
geſorgt ſein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/377>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.