übereinstimmender Anerkennung hoch über Allen steht und Jeg- liches besser vermag als Andere; ferner ist auch bei Völkern, welche zu einem Rechtsstaate reif sind, die Thatsache des Besitzes einer großen Macht schon oft hinreichender Grund zu wider- spruchsloser Unterwerfung und zur Erwartung von Schutz und Hülfe gewesen; endlich mag ein klares Bewußtsein der Vortheile der Einherrschaft zu freiwilliger Einführung derselben bewegen. -- Was aber die Gründe der wenigstens vergleichungs- mäßigen Vorzüglichkeit der Leistungen betrifft, so bestehen sie in der hier obwaltenden starken Zusammenfassung der Staatsgewalt; in der Einheit und Stetigkeit der von einem Einzelnen ausgehenden Regierungsplane; in der möglichen Schnelligkeit der Entschließung und des Befehls; in der Fähig- keit zu einer Ortsveränderung und einer persönlichen Anwesenheit des Staatsoberhauptes, da wo diese noth thut; endlich in der über die Interessen und Leidenschaften der Einzelnen und der Parteieen emporragenden Stellung des Fürsten. Aller- dings ist die Einrichtung eine gewagte, indem das Schicksal des Staates und des Volkes auf eine einzelne Persönlichkeit gestellt ist, keine der möglichen Bezeichnungen dieser Person aber eine Sicherheit gewährt, daß dieselbe in Gesinnung, Verstand und Thatkraft wirklich die nöthige Höhe habe; und weil sogar in der eigenthümlichen Stellung eines solchen Herrschers nur zu viele Gründe besonderer Verderbniß liegen. Allein hieraus folgt keineswegs die vernünftige Nothwendigkeit einer Verwerfung des ganzen Gedankens, sondern nur die Zweckmäßigkeit der Aufsuchung von Einrichtungen, welche die schwachen Seiten zu verbessern geeignet sind ohne die eigenthümlichen Vortheile zu zerstören 1).
Es besteht eine doppelte rechtliche Möglichkeit zur Er- werbung der Fürstenwürde im Rechtsstaate. Entweder Wahl durch Solche, welchen im einzelnen Staate das Recht
übereinſtimmender Anerkennung hoch über Allen ſteht und Jeg- liches beſſer vermag als Andere; ferner iſt auch bei Völkern, welche zu einem Rechtsſtaate reif ſind, die Thatſache des Beſitzes einer großen Macht ſchon oft hinreichender Grund zu wider- ſpruchsloſer Unterwerfung und zur Erwartung von Schutz und Hülfe geweſen; endlich mag ein klares Bewußtſein der Vortheile der Einherrſchaft zu freiwilliger Einführung derſelben bewegen. — Was aber die Gründe der wenigſtens vergleichungs- mäßigen Vorzüglichkeit der Leiſtungen betrifft, ſo beſtehen ſie in der hier obwaltenden ſtarken Zuſammenfaſſung der Staatsgewalt; in der Einheit und Stetigkeit der von einem Einzelnen ausgehenden Regierungsplane; in der möglichen Schnelligkeit der Entſchließung und des Befehls; in der Fähig- keit zu einer Ortsveränderung und einer perſönlichen Anweſenheit des Staatsoberhauptes, da wo dieſe noth thut; endlich in der über die Intereſſen und Leidenſchaften der Einzelnen und der Parteieen emporragenden Stellung des Fürſten. Aller- dings iſt die Einrichtung eine gewagte, indem das Schickſal des Staates und des Volkes auf eine einzelne Perſönlichkeit geſtellt iſt, keine der möglichen Bezeichnungen dieſer Perſon aber eine Sicherheit gewährt, daß dieſelbe in Geſinnung, Verſtand und Thatkraft wirklich die nöthige Höhe habe; und weil ſogar in der eigenthümlichen Stellung eines ſolchen Herrſchers nur zu viele Gründe beſonderer Verderbniß liegen. Allein hieraus folgt keineswegs die vernünftige Nothwendigkeit einer Verwerfung des ganzen Gedankens, ſondern nur die Zweckmäßigkeit der Aufſuchung von Einrichtungen, welche die ſchwachen Seiten zu verbeſſern geeignet ſind ohne die eigenthümlichen Vortheile zu zerſtören 1).
Es beſteht eine doppelte rechtliche Möglichkeit zur Er- werbung der Fürſtenwürde im Rechtsſtaate. Entweder Wahl durch Solche, welchen im einzelnen Staate das Recht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0370"n="356"/>
übereinſtimmender Anerkennung hoch über Allen ſteht und Jeg-<lb/>
liches beſſer vermag als Andere; ferner iſt auch bei Völkern,<lb/>
welche zu einem Rechtsſtaate reif ſind, die Thatſache des Beſitzes<lb/>
einer großen Macht ſchon oft hinreichender Grund zu wider-<lb/>ſpruchsloſer Unterwerfung und zur Erwartung von Schutz und<lb/>
Hülfe geweſen; endlich mag ein klares Bewußtſein der Vortheile<lb/>
der Einherrſchaft zu freiwilliger Einführung derſelben bewegen. —<lb/>
Was aber die <hirendition="#g">Gründe der wenigſtens vergleichungs-<lb/>
mäßigen Vorzüglichkeit der Leiſtungen</hi> betrifft, ſo<lb/>
beſtehen ſie in der hier obwaltenden ſtarken Zuſammenfaſſung<lb/>
der Staatsgewalt; in der Einheit und Stetigkeit der von einem<lb/>
Einzelnen ausgehenden Regierungsplane; in der möglichen<lb/>
Schnelligkeit der Entſchließung und des Befehls; in der Fähig-<lb/>
keit zu einer Ortsveränderung und einer perſönlichen Anweſenheit<lb/>
des Staatsoberhauptes, da wo dieſe noth thut; endlich in der<lb/>
über die Intereſſen und Leidenſchaften der Einzelnen und<lb/>
der Parteieen emporragenden Stellung des Fürſten. Aller-<lb/>
dings iſt die Einrichtung eine gewagte, indem das Schickſal des<lb/>
Staates und des Volkes auf eine einzelne Perſönlichkeit geſtellt<lb/>
iſt, keine der möglichen Bezeichnungen dieſer Perſon aber eine<lb/>
Sicherheit gewährt, daß dieſelbe in Geſinnung, Verſtand und<lb/>
Thatkraft wirklich die nöthige Höhe habe; und weil ſogar in<lb/>
der eigenthümlichen Stellung eines ſolchen Herrſchers nur zu<lb/>
viele Gründe beſonderer Verderbniß liegen. Allein hieraus folgt<lb/>
keineswegs die vernünftige Nothwendigkeit einer Verwerfung<lb/>
des ganzen Gedankens, ſondern nur die Zweckmäßigkeit der<lb/>
Aufſuchung von Einrichtungen, welche die ſchwachen Seiten zu<lb/>
verbeſſern geeignet ſind ohne die eigenthümlichen Vortheile zu<lb/>
zerſtören <hirendition="#sup">1</hi>).</p><lb/><p>Es beſteht eine doppelte rechtliche Möglichkeit zur <hirendition="#g">Er-<lb/>
werbung der Fürſtenwürde</hi> im Rechtsſtaate. Entweder<lb/><hirendition="#g">Wahl</hi> durch Solche, welchen im einzelnen Staate das Recht<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[356/0370]
übereinſtimmender Anerkennung hoch über Allen ſteht und Jeg-
liches beſſer vermag als Andere; ferner iſt auch bei Völkern,
welche zu einem Rechtsſtaate reif ſind, die Thatſache des Beſitzes
einer großen Macht ſchon oft hinreichender Grund zu wider-
ſpruchsloſer Unterwerfung und zur Erwartung von Schutz und
Hülfe geweſen; endlich mag ein klares Bewußtſein der Vortheile
der Einherrſchaft zu freiwilliger Einführung derſelben bewegen. —
Was aber die Gründe der wenigſtens vergleichungs-
mäßigen Vorzüglichkeit der Leiſtungen betrifft, ſo
beſtehen ſie in der hier obwaltenden ſtarken Zuſammenfaſſung
der Staatsgewalt; in der Einheit und Stetigkeit der von einem
Einzelnen ausgehenden Regierungsplane; in der möglichen
Schnelligkeit der Entſchließung und des Befehls; in der Fähig-
keit zu einer Ortsveränderung und einer perſönlichen Anweſenheit
des Staatsoberhauptes, da wo dieſe noth thut; endlich in der
über die Intereſſen und Leidenſchaften der Einzelnen und
der Parteieen emporragenden Stellung des Fürſten. Aller-
dings iſt die Einrichtung eine gewagte, indem das Schickſal des
Staates und des Volkes auf eine einzelne Perſönlichkeit geſtellt
iſt, keine der möglichen Bezeichnungen dieſer Perſon aber eine
Sicherheit gewährt, daß dieſelbe in Geſinnung, Verſtand und
Thatkraft wirklich die nöthige Höhe habe; und weil ſogar in
der eigenthümlichen Stellung eines ſolchen Herrſchers nur zu
viele Gründe beſonderer Verderbniß liegen. Allein hieraus folgt
keineswegs die vernünftige Nothwendigkeit einer Verwerfung
des ganzen Gedankens, ſondern nur die Zweckmäßigkeit der
Aufſuchung von Einrichtungen, welche die ſchwachen Seiten zu
verbeſſern geeignet ſind ohne die eigenthümlichen Vortheile zu
zerſtören 1).
Es beſteht eine doppelte rechtliche Möglichkeit zur Er-
werbung der Fürſtenwürde im Rechtsſtaate. Entweder
Wahl durch Solche, welchen im einzelnen Staate das Recht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/370>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.