Sitten und Bedürfnisse; oft Haß, Verfolgung und Unterdrückung. Am schärfsten ausgeprägt und am schwersten verschmelzbar sind gesellschaftliche Kreise dieser Art, wenn sie durch eine schon im Aeußeren auffallende Raceverschiedenheit bedingt sind.
2. Die gemeinschaftliche Abstammung von ge- schichtlich ausgezeichneten oder rechtlich bevor- zugten Familien. Sowohl der Stolz auf eine solche Her- kunft, als die Bemühung zur Erhaltung der Bevorzugung können zu einem sehr festen Bande unter den Betheiligten und zu einer schroffen Absonderung derselben von allen Plebejern führen. Hieran knüpfen sich dann leicht noch eigene Sitten, vorzugs- weiser Betrieb bestimmter Lebensbeschäftigungen, vielfache gegen- seitige Verwandtschaft. Ein solcher gesellschaftlicher Kreis mag sich aber über die Grenzen Eines Staates hinaus erstrecken, wenn die geschichtlichen und die besonderen rechtlichen Verhält- nisse in solcher Ausdehnung und in wesentlicher Gleichartigkeit vorliegen, somit die Gleichheit der Interessen sowie der geistigen und äußeren Zustände eine Solidarität auch unter weit aus- einander wohnenden Genossen erzeugt.
3. Die gemeinschaftliche persönliche Bedeutung. Die durch Bildung, genügenden Besitz und staatlichen Einfluß an der Spitze einer Bevölkerung Stehenden haben, auch wenn keine bevorzugte Geburt dazu kömmt, eine gemeinsame Stellung und gleiche natürliche Interessen gegenüber von der großen Menge. So die Aufrechterhaltung feinerer Sitte; die Bewah- rung des natürlichen Einflusses für Begabung und Bildung; das Bestehen höherer Culturanstalten, u. s. w. Dieser Mittel- punkt ist naturgemäß und berechtigt; allein er ist weniger fest und zu abgesonderter formeller Gestaltung lange nicht so geeignet, als z. B. die Geburtsaristokratie, dieß aber wegen Unbestimmtheit der Gränzen der Genossenschaft und wegen Verschiedenheit der Ansprüche. Es sind also die Optimaten, die Gentry, die Hono-
Sitten und Bedürfniſſe; oft Haß, Verfolgung und Unterdrückung. Am ſchärfſten ausgeprägt und am ſchwerſten verſchmelzbar ſind geſellſchaftliche Kreiſe dieſer Art, wenn ſie durch eine ſchon im Aeußeren auffallende Raceverſchiedenheit bedingt ſind.
2. Die gemeinſchaftliche Abſtammung von ge- ſchichtlich ausgezeichneten oder rechtlich bevor- zugten Familien. Sowohl der Stolz auf eine ſolche Her- kunft, als die Bemühung zur Erhaltung der Bevorzugung können zu einem ſehr feſten Bande unter den Betheiligten und zu einer ſchroffen Abſonderung derſelben von allen Plebejern führen. Hieran knüpfen ſich dann leicht noch eigene Sitten, vorzugs- weiſer Betrieb beſtimmter Lebensbeſchäftigungen, vielfache gegen- ſeitige Verwandtſchaft. Ein ſolcher geſellſchaftlicher Kreis mag ſich aber über die Grenzen Eines Staates hinaus erſtrecken, wenn die geſchichtlichen und die beſonderen rechtlichen Verhält- niſſe in ſolcher Ausdehnung und in weſentlicher Gleichartigkeit vorliegen, ſomit die Gleichheit der Intereſſen ſowie der geiſtigen und äußeren Zuſtände eine Solidarität auch unter weit aus- einander wohnenden Genoſſen erzeugt.
3. Die gemeinſchaftliche perſönliche Bedeutung. Die durch Bildung, genügenden Beſitz und ſtaatlichen Einfluß an der Spitze einer Bevölkerung Stehenden haben, auch wenn keine bevorzugte Geburt dazu kömmt, eine gemeinſame Stellung und gleiche natürliche Intereſſen gegenüber von der großen Menge. So die Aufrechterhaltung feinerer Sitte; die Bewah- rung des natürlichen Einfluſſes für Begabung und Bildung; das Beſtehen höherer Culturanſtalten, u. ſ. w. Dieſer Mittel- punkt iſt naturgemäß und berechtigt; allein er iſt weniger feſt und zu abgeſonderter formeller Geſtaltung lange nicht ſo geeignet, als z. B. die Geburtsariſtokratie, dieß aber wegen Unbeſtimmtheit der Gränzen der Genoſſenſchaft und wegen Verſchiedenheit der Anſprüche. Es ſind alſo die Optimaten, die Gentry, die Hono-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0035"n="21"/>
Sitten und Bedürfniſſe; oft Haß, Verfolgung und Unterdrückung.<lb/>
Am ſchärfſten ausgeprägt und am ſchwerſten verſchmelzbar ſind<lb/>
geſellſchaftliche Kreiſe dieſer Art, wenn ſie durch eine ſchon im<lb/>
Aeußeren auffallende Raceverſchiedenheit bedingt ſind.</p><lb/><p>2. Die <hirendition="#g">gemeinſchaftliche Abſtammung von ge-<lb/>ſchichtlich ausgezeichneten oder rechtlich bevor-<lb/>
zugten Familien</hi>. Sowohl der Stolz auf eine ſolche Her-<lb/>
kunft, als die Bemühung zur Erhaltung der Bevorzugung können<lb/>
zu einem ſehr feſten Bande unter den Betheiligten und zu einer<lb/>ſchroffen Abſonderung derſelben von allen Plebejern führen.<lb/>
Hieran knüpfen ſich dann leicht noch eigene Sitten, vorzugs-<lb/>
weiſer Betrieb beſtimmter Lebensbeſchäftigungen, vielfache gegen-<lb/>ſeitige Verwandtſchaft. Ein ſolcher geſellſchaftlicher Kreis mag<lb/>ſich aber über die Grenzen Eines Staates hinaus erſtrecken,<lb/>
wenn die geſchichtlichen und die beſonderen rechtlichen Verhält-<lb/>
niſſe in ſolcher Ausdehnung und in weſentlicher Gleichartigkeit<lb/>
vorliegen, ſomit die Gleichheit der Intereſſen ſowie der geiſtigen<lb/>
und äußeren Zuſtände eine Solidarität auch unter weit aus-<lb/>
einander wohnenden Genoſſen erzeugt.</p><lb/><p>3. Die <hirendition="#g">gemeinſchaftliche perſönliche Bedeutung</hi>.<lb/>
Die durch Bildung, genügenden Beſitz und ſtaatlichen Einfluß<lb/>
an der Spitze einer Bevölkerung Stehenden haben, auch wenn<lb/>
keine bevorzugte Geburt dazu kömmt, eine gemeinſame Stellung<lb/>
und gleiche natürliche Intereſſen gegenüber von der großen<lb/>
Menge. So die Aufrechterhaltung feinerer Sitte; die Bewah-<lb/>
rung des natürlichen Einfluſſes für Begabung und Bildung;<lb/>
das Beſtehen höherer Culturanſtalten, u. ſ. w. Dieſer Mittel-<lb/>
punkt iſt naturgemäß und berechtigt; allein er iſt weniger feſt<lb/>
und zu abgeſonderter formeller Geſtaltung lange nicht ſo geeignet,<lb/>
als z. B. die Geburtsariſtokratie, dieß aber wegen Unbeſtimmtheit<lb/>
der Gränzen der Genoſſenſchaft und wegen Verſchiedenheit der<lb/>
Anſprüche. Es ſind alſo die Optimaten, die Gentry, die Hono-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[21/0035]
Sitten und Bedürfniſſe; oft Haß, Verfolgung und Unterdrückung.
Am ſchärfſten ausgeprägt und am ſchwerſten verſchmelzbar ſind
geſellſchaftliche Kreiſe dieſer Art, wenn ſie durch eine ſchon im
Aeußeren auffallende Raceverſchiedenheit bedingt ſind.
2. Die gemeinſchaftliche Abſtammung von ge-
ſchichtlich ausgezeichneten oder rechtlich bevor-
zugten Familien. Sowohl der Stolz auf eine ſolche Her-
kunft, als die Bemühung zur Erhaltung der Bevorzugung können
zu einem ſehr feſten Bande unter den Betheiligten und zu einer
ſchroffen Abſonderung derſelben von allen Plebejern führen.
Hieran knüpfen ſich dann leicht noch eigene Sitten, vorzugs-
weiſer Betrieb beſtimmter Lebensbeſchäftigungen, vielfache gegen-
ſeitige Verwandtſchaft. Ein ſolcher geſellſchaftlicher Kreis mag
ſich aber über die Grenzen Eines Staates hinaus erſtrecken,
wenn die geſchichtlichen und die beſonderen rechtlichen Verhält-
niſſe in ſolcher Ausdehnung und in weſentlicher Gleichartigkeit
vorliegen, ſomit die Gleichheit der Intereſſen ſowie der geiſtigen
und äußeren Zuſtände eine Solidarität auch unter weit aus-
einander wohnenden Genoſſen erzeugt.
3. Die gemeinſchaftliche perſönliche Bedeutung.
Die durch Bildung, genügenden Beſitz und ſtaatlichen Einfluß
an der Spitze einer Bevölkerung Stehenden haben, auch wenn
keine bevorzugte Geburt dazu kömmt, eine gemeinſame Stellung
und gleiche natürliche Intereſſen gegenüber von der großen
Menge. So die Aufrechterhaltung feinerer Sitte; die Bewah-
rung des natürlichen Einfluſſes für Begabung und Bildung;
das Beſtehen höherer Culturanſtalten, u. ſ. w. Dieſer Mittel-
punkt iſt naturgemäß und berechtigt; allein er iſt weniger feſt
und zu abgeſonderter formeller Geſtaltung lange nicht ſo geeignet,
als z. B. die Geburtsariſtokratie, dieß aber wegen Unbeſtimmtheit
der Gränzen der Genoſſenſchaft und wegen Verſchiedenheit der
Anſprüche. Es ſind alſo die Optimaten, die Gentry, die Hono-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/35>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.