tungen einzelner Bestandtheile dieser Menschenmenge vorfinden. Der Mittelpunkt dieser Verhältnisse ist ein bedeutendes fortdauerndes Interesse, welches den sämmtlichen Betheiligten ein gemeinschaft- liches Ziel des Wollens und Handelns gibt, dadurch aber auch gleiche Sitte und Lebensansichten, gemeinschaftliche Einrichtungen, endlich mehr oder weniger ausgebildete und bewußte Organismen erzeugt. Durch diese Gleichförmigkeit der geistigen, körperlichen und wirthschaftlichen Richtungen, durch Zusammenlegung der Kräfte und, wenigstens zuweilen, durch Wirksamkeit der Organi- sation können solche Lebensgestaltungen eine große Macht besitzen, und auf ihre Genossen und auf Dritte in weiterer oder engerer Weise wesentlich einwirken. Ihre Entstehung ist in letztem Grunde eine ganz naturwüchsige, und sie sind keineswegs künst- lich, etwa durch Staatsanordnung, erzeugt, sondern durch die gemeinschaftlichen Beziehungen zu einer und derselben Thatsache entstanden. Ihr Umfang und die Zahl ihrer Theilnehmer ist äußerst verschieden. Oft beschränken sie sich auf eine einzelne Oertlichkeit, (so die Gemeinden), oder ist nur eine verhältniß- mäßig kleine Anzahl von Menschen dabei betheiligt, (z. B. bei kirchlichen Sekten, gewissen Adelsklassen); dagegen erstrecken sie sich aber auch über große Bevölkerungstheile und sogar über mehr als Ein Land und Einen Welttheil, (die großen Kirchen, die Nationalitäten). Die Theilnahme ist keineswegs in dem Sinne ausschließlich, daß derselbe Mensch nur Mitglied einer derselben Genossenschaft sein könnte; sondern vielmehr mag Jeder, je nach seiner Betheiligung bei geeigneten Interessen, einer größeren oder kleineren Anzahl zu gleicher Zeit angehören. (So kann z. B. ein ungarischer Magnat zu gleicher Zeit in seiner Betheiligung bei diesem Stande, bei der magyarischen Nationa- lität, bei der katholischen Kirche, bei den Interessen des großen Grundeigenthumes, vielleicht endlich als Mitglied einer Gemeinde, erscheinen, sich fühlen und handeln).
2*
tungen einzelner Beſtandtheile dieſer Menſchenmenge vorfinden. Der Mittelpunkt dieſer Verhältniſſe iſt ein bedeutendes fortdauerndes Intereſſe, welches den ſämmtlichen Betheiligten ein gemeinſchaft- liches Ziel des Wollens und Handelns gibt, dadurch aber auch gleiche Sitte und Lebensanſichten, gemeinſchaftliche Einrichtungen, endlich mehr oder weniger ausgebildete und bewußte Organismen erzeugt. Durch dieſe Gleichförmigkeit der geiſtigen, körperlichen und wirthſchaftlichen Richtungen, durch Zuſammenlegung der Kräfte und, wenigſtens zuweilen, durch Wirkſamkeit der Organi- ſation können ſolche Lebensgeſtaltungen eine große Macht beſitzen, und auf ihre Genoſſen und auf Dritte in weiterer oder engerer Weiſe weſentlich einwirken. Ihre Entſtehung iſt in letztem Grunde eine ganz naturwüchſige, und ſie ſind keineswegs künſt- lich, etwa durch Staatsanordnung, erzeugt, ſondern durch die gemeinſchaftlichen Beziehungen zu einer und derſelben Thatſache entſtanden. Ihr Umfang und die Zahl ihrer Theilnehmer iſt äußerſt verſchieden. Oft beſchränken ſie ſich auf eine einzelne Oertlichkeit, (ſo die Gemeinden), oder iſt nur eine verhältniß- mäßig kleine Anzahl von Menſchen dabei betheiligt, (z. B. bei kirchlichen Sekten, gewiſſen Adelsklaſſen); dagegen erſtrecken ſie ſich aber auch über große Bevölkerungstheile und ſogar über mehr als Ein Land und Einen Welttheil, (die großen Kirchen, die Nationalitäten). Die Theilnahme iſt keineswegs in dem Sinne ausſchließlich, daß derſelbe Menſch nur Mitglied einer derſelben Genoſſenſchaft ſein könnte; ſondern vielmehr mag Jeder, je nach ſeiner Betheiligung bei geeigneten Intereſſen, einer größeren oder kleineren Anzahl zu gleicher Zeit angehören. (So kann z. B. ein ungariſcher Magnat zu gleicher Zeit in ſeiner Betheiligung bei dieſem Stande, bei der magyariſchen Nationa- lität, bei der katholiſchen Kirche, bei den Intereſſen des großen Grundeigenthumes, vielleicht endlich als Mitglied einer Gemeinde, erſcheinen, ſich fühlen und handeln).
2*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0033"n="19"/>
tungen einzelner Beſtandtheile dieſer Menſchenmenge vorfinden. Der<lb/>
Mittelpunkt dieſer Verhältniſſe iſt ein bedeutendes fortdauerndes<lb/>
Intereſſe, welches den ſämmtlichen Betheiligten ein gemeinſchaft-<lb/>
liches Ziel des Wollens und Handelns gibt, dadurch aber auch<lb/>
gleiche Sitte und Lebensanſichten, gemeinſchaftliche Einrichtungen,<lb/>
endlich mehr oder weniger ausgebildete und bewußte Organismen<lb/>
erzeugt. Durch dieſe Gleichförmigkeit der geiſtigen, körperlichen<lb/>
und wirthſchaftlichen Richtungen, durch Zuſammenlegung der<lb/>
Kräfte und, wenigſtens zuweilen, durch Wirkſamkeit der Organi-<lb/>ſation können ſolche Lebensgeſtaltungen eine große Macht beſitzen,<lb/>
und auf ihre Genoſſen und auf Dritte in weiterer oder engerer<lb/>
Weiſe weſentlich einwirken. Ihre Entſtehung iſt in letztem<lb/>
Grunde eine ganz naturwüchſige, und ſie ſind keineswegs künſt-<lb/>
lich, etwa durch Staatsanordnung, erzeugt, ſondern durch die<lb/>
gemeinſchaftlichen Beziehungen zu einer und derſelben Thatſache<lb/>
entſtanden. Ihr Umfang und die Zahl ihrer Theilnehmer iſt<lb/>
äußerſt verſchieden. Oft beſchränken ſie ſich auf eine einzelne<lb/>
Oertlichkeit, (ſo die Gemeinden), oder iſt nur eine verhältniß-<lb/>
mäßig kleine Anzahl von Menſchen dabei betheiligt, (z. B. bei<lb/>
kirchlichen Sekten, gewiſſen Adelsklaſſen); dagegen erſtrecken ſie<lb/>ſich aber auch über große Bevölkerungstheile und ſogar über<lb/>
mehr als Ein Land und Einen Welttheil, (die großen Kirchen,<lb/>
die Nationalitäten). Die Theilnahme iſt keineswegs in dem<lb/>
Sinne ausſchließlich, daß derſelbe Menſch nur Mitglied einer<lb/>
derſelben Genoſſenſchaft ſein könnte; ſondern vielmehr mag<lb/>
Jeder, je nach ſeiner Betheiligung bei geeigneten Intereſſen,<lb/>
einer größeren oder kleineren Anzahl zu gleicher Zeit angehören.<lb/>
(So kann z. B. ein ungariſcher Magnat zu gleicher Zeit in ſeiner<lb/>
Betheiligung bei dieſem Stande, bei der magyariſchen Nationa-<lb/>
lität, bei der katholiſchen Kirche, bei den Intereſſen des großen<lb/>
Grundeigenthumes, vielleicht endlich als Mitglied einer Gemeinde,<lb/>
erſcheinen, ſich fühlen und handeln).</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0033]
tungen einzelner Beſtandtheile dieſer Menſchenmenge vorfinden. Der
Mittelpunkt dieſer Verhältniſſe iſt ein bedeutendes fortdauerndes
Intereſſe, welches den ſämmtlichen Betheiligten ein gemeinſchaft-
liches Ziel des Wollens und Handelns gibt, dadurch aber auch
gleiche Sitte und Lebensanſichten, gemeinſchaftliche Einrichtungen,
endlich mehr oder weniger ausgebildete und bewußte Organismen
erzeugt. Durch dieſe Gleichförmigkeit der geiſtigen, körperlichen
und wirthſchaftlichen Richtungen, durch Zuſammenlegung der
Kräfte und, wenigſtens zuweilen, durch Wirkſamkeit der Organi-
ſation können ſolche Lebensgeſtaltungen eine große Macht beſitzen,
und auf ihre Genoſſen und auf Dritte in weiterer oder engerer
Weiſe weſentlich einwirken. Ihre Entſtehung iſt in letztem
Grunde eine ganz naturwüchſige, und ſie ſind keineswegs künſt-
lich, etwa durch Staatsanordnung, erzeugt, ſondern durch die
gemeinſchaftlichen Beziehungen zu einer und derſelben Thatſache
entſtanden. Ihr Umfang und die Zahl ihrer Theilnehmer iſt
äußerſt verſchieden. Oft beſchränken ſie ſich auf eine einzelne
Oertlichkeit, (ſo die Gemeinden), oder iſt nur eine verhältniß-
mäßig kleine Anzahl von Menſchen dabei betheiligt, (z. B. bei
kirchlichen Sekten, gewiſſen Adelsklaſſen); dagegen erſtrecken ſie
ſich aber auch über große Bevölkerungstheile und ſogar über
mehr als Ein Land und Einen Welttheil, (die großen Kirchen,
die Nationalitäten). Die Theilnahme iſt keineswegs in dem
Sinne ausſchließlich, daß derſelbe Menſch nur Mitglied einer
derſelben Genoſſenſchaft ſein könnte; ſondern vielmehr mag
Jeder, je nach ſeiner Betheiligung bei geeigneten Intereſſen,
einer größeren oder kleineren Anzahl zu gleicher Zeit angehören.
(So kann z. B. ein ungariſcher Magnat zu gleicher Zeit in ſeiner
Betheiligung bei dieſem Stande, bei der magyariſchen Nationa-
lität, bei der katholiſchen Kirche, bei den Intereſſen des großen
Grundeigenthumes, vielleicht endlich als Mitglied einer Gemeinde,
erſcheinen, ſich fühlen und handeln).
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/33>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.