Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.Eroberer ein Land unter seine Getreuen vertheilte mit der 1) Unzweifelhaft das beste Werk über das allgemeine Recht des Patri- monialstaates ist Haller's Restauration der Staatswissenschaften, und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, mit einziger Ausnahme der Darstellung der geistlichen Staaten. Der Grundfehler des Ganzen, nämlich die un- richtige Verallgemeinerung des Patrimonialprincipes auf alle Gattungen von Staaten, ist natürlich nicht von Bedeutung, wo es sich nur vom Patrimonialstaate handelt. -- Vollgraff (Systeme der praktischen Politik, Bd. III und IV) schadet einer richtigen Grundansicht über die Verschiedenheit des antiken Staates und der Staaten der Neuzeit durch Uebertreibungen und abentheuerliche Behauptungen, namentlich aber dadurch, daß er die sämmt- lichen Fürstenthümer der germanisch-slawischen Völker bis zur Gegenwart nur als Patrimonialstaaten gelten lassen will, damit aber grundsätzlich Ver- schiedenes durcheinander wirft. -- Die sehr ausführliche geschichtliche Ent- wicklung des Patrimonialstaates bei Schmitthenner, Zwölf Bücher, Bd. III, S. 26 fg. ist weder klar in dem Grundgedanken, noch kann der dargestellte Hergang als der wirkliche und die große dabei aufgewendete Gelehrsamkeit in Sprache und Alterthümern als eine wohl angebrachte an- erkannt werden. -- Bluntschli erwähnt, (Allgem. Staatsr., Bd. I, S. 339 fg.) nur des Lehensstaates im europäischen Mittelalter. 2) Es ist eine sehr richtige Bemerkung von Bluntschli, Allgem. Staats-R., Bd. I, S. 347, daß der Lehensstaat (besser überhaupt der Patri- monialstaat) vorzugsweise Rechtsstaat sei. Allein die überwiegende Ge- wohnheit, den modernen Staat so zu bezeichnen, -- obgleich Rechtsordnung nur der kleinere Theil seiner Thätigkeit ist, -- macht es nicht räthlich, jenem diese Benennung zu geben. 3) Es ist eine merkwürdige Verkennung des eigenen Vortheiles und eine grobe Verwirrung der Begriffe, wenn diejenige Partei, welche die möglich geringste Beschränkung der fürstlichen Rechte bei Volksvertretung anstrebt und zu dem Ende den Grundsatz, daß der Fürst im wesentlichen Besitze der Staatsgewalt zu bleiben habe, sogar zur gesetzlichen Anerkennung gebracht hat, zu gleicher Zeit auch den Rechtsstaat wieder in einen Patri- Eroberer ein Land unter ſeine Getreuen vertheilte mit der 1) Unzweifelhaft das beſte Werk über das allgemeine Recht des Patri- monialſtaates iſt Haller’s Reſtauration der Staatswiſſenſchaften, und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, mit einziger Ausnahme der Darſtellung der geiſtlichen Staaten. Der Grundfehler des Ganzen, nämlich die un- richtige Verallgemeinerung des Patrimonialprincipes auf alle Gattungen von Staaten, iſt natürlich nicht von Bedeutung, wo es ſich nur vom Patrimonialſtaate handelt. — Vollgraff (Syſteme der praktiſchen Politik, Bd. III und IV) ſchadet einer richtigen Grundanſicht über die Verſchiedenheit des antiken Staates und der Staaten der Neuzeit durch Uebertreibungen und abentheuerliche Behauptungen, namentlich aber dadurch, daß er die ſämmt- lichen Fürſtenthümer der germaniſch-ſlawiſchen Völker bis zur Gegenwart nur als Patrimonialſtaaten gelten laſſen will, damit aber grundſätzlich Ver- ſchiedenes durcheinander wirft. — Die ſehr ausführliche geſchichtliche Ent- wicklung des Patrimonialſtaates bei Schmitthenner, Zwölf Bücher, Bd. III, S. 26 fg. iſt weder klar in dem Grundgedanken, noch kann der dargeſtellte Hergang als der wirkliche und die große dabei aufgewendete Gelehrſamkeit in Sprache und Alterthümern als eine wohl angebrachte an- erkannt werden. — Bluntſchli erwähnt, (Allgem. Staatsr., Bd. I, S. 339 fg.) nur des Lehensſtaates im europäiſchen Mittelalter. 2) Es iſt eine ſehr richtige Bemerkung von Bluntſchli, Allgem. Staats-R., Bd. I, S. 347, daß der Lehensſtaat (beſſer überhaupt der Patri- monialſtaat) vorzugsweiſe Rechtsſtaat ſei. Allein die überwiegende Ge- wohnheit, den modernen Staat ſo zu bezeichnen, — obgleich Rechtsordnung nur der kleinere Theil ſeiner Thätigkeit iſt, — macht es nicht räthlich, jenem dieſe Benennung zu geben. 3) Es iſt eine merkwürdige Verkennung des eigenen Vortheiles und eine grobe Verwirrung der Begriffe, wenn diejenige Partei, welche die möglich geringſte Beſchränkung der fürſtlichen Rechte bei Volksvertretung anſtrebt und zu dem Ende den Grundſatz, daß der Fürſt im weſentlichen Beſitze der Staatsgewalt zu bleiben habe, ſogar zur geſetzlichen Anerkennung gebracht hat, zu gleicher Zeit auch den Rechtsſtaat wieder in einen Patri- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0322" n="308"/> Eroberer ein Land unter ſeine Getreuen vertheilte mit der<lb/> Bedingung gegenſeitigen gewaffneten Schutzes; endlich eine <hi rendition="#g">herr-<lb/> ſchende Stadtgemeinde</hi>, welche unterworfenen Landſchaften<lb/> Schutz gewährt und befiehlt. 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Eroberer ein Land unter ſeine Getreuen vertheilte mit der
Bedingung gegenſeitigen gewaffneten Schutzes; endlich eine herr-
ſchende Stadtgemeinde, welche unterworfenen Landſchaften
Schutz gewährt und befiehlt. Im letzteren Falle kann jede Art
der Volksherrſchaft oder der Regierung bevorzugter Geſchlechter
in der herrſchenden Gemeinde beſtehen, ohne daß hierdurch
etwas Weſentliches im Verhältniſſe zu den Unterthanen geän-
dert wäre.
¹⁾ Unzweifelhaft das beſte Werk über das allgemeine Recht des Patri-
monialſtaates iſt Haller’s Reſtauration der Staatswiſſenſchaften, und
zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, mit einziger Ausnahme der Darſtellung
der geiſtlichen Staaten. Der Grundfehler des Ganzen, nämlich die un-
richtige Verallgemeinerung des Patrimonialprincipes auf alle Gattungen
von Staaten, iſt natürlich nicht von Bedeutung, wo es ſich nur vom
Patrimonialſtaate handelt. — Vollgraff (Syſteme der praktiſchen Politik,
Bd. III und IV) ſchadet einer richtigen Grundanſicht über die Verſchiedenheit
des antiken Staates und der Staaten der Neuzeit durch Uebertreibungen und
abentheuerliche Behauptungen, namentlich aber dadurch, daß er die ſämmt-
lichen Fürſtenthümer der germaniſch-ſlawiſchen Völker bis zur Gegenwart
nur als Patrimonialſtaaten gelten laſſen will, damit aber grundſätzlich Ver-
ſchiedenes durcheinander wirft. — Die ſehr ausführliche geſchichtliche Ent-
wicklung des Patrimonialſtaates bei Schmitthenner, Zwölf Bücher,
Bd. III, S. 26 fg. iſt weder klar in dem Grundgedanken, noch kann der
dargeſtellte Hergang als der wirkliche und die große dabei aufgewendete
Gelehrſamkeit in Sprache und Alterthümern als eine wohl angebrachte an-
erkannt werden. — Bluntſchli erwähnt, (Allgem. Staatsr., Bd. I,
S. 339 fg.) nur des Lehensſtaates im europäiſchen Mittelalter.
²⁾ Es iſt eine ſehr richtige Bemerkung von Bluntſchli, Allgem.
Staats-R., Bd. I, S. 347, daß der Lehensſtaat (beſſer überhaupt der Patri-
monialſtaat) vorzugsweiſe Rechtsſtaat ſei. Allein die überwiegende Ge-
wohnheit, den modernen Staat ſo zu bezeichnen, — obgleich Rechtsordnung
nur der kleinere Theil ſeiner Thätigkeit iſt, — macht es nicht räthlich, jenem
dieſe Benennung zu geben.
³⁾ Es iſt eine merkwürdige Verkennung des eigenen Vortheiles und
eine grobe Verwirrung der Begriffe, wenn diejenige Partei, welche die
möglich geringſte Beſchränkung der fürſtlichen Rechte bei Volksvertretung
anſtrebt und zu dem Ende den Grundſatz, daß der Fürſt im weſentlichen
Beſitze der Staatsgewalt zu bleiben habe, ſogar zur geſetzlichen Anerkennung
gebracht hat, zu gleicher Zeit auch den Rechtsſtaat wieder in einen Patri-
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