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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Grund der Heiligung desselben, vielmehr ein um so gerechterer
Grund zu endlicher Verbesserung.

Dagegen leuchtet auf der andern Seite ein, daß nicht jede
Art der Abänderung eine erlaubte und wünschenswerthe ist.
Vielmehr muß sie auf eine rechtlich unangreifbare Weise vorge-
nommen werden und dem Inhalte nach zweckgemäß sein 5).

Sinnlos namentlich ist es, einer Staatsbehörde deßhalb,
weil sie mit Verbesserung der bestehenden Zustände beauftragt
ist, Befreiung von allen Gesetzen des Rechts, der Sittlichkeit
und der Zweckmäßigkeit, ein Recht zum Unrechte, eine Aufgabe
zur Unvernunft zuzuschreiben. Sie hat keine andere außer-
gewöhnliche Befugniß, als die der Nichtbeachtung etwaiger
Verbote einer nothwendigen Veränderung 6).

Demgemäß ist denn,

zu 1, eine gänzliche Veränderung der bestehenden Ver-
fassung allerdings unerläßlich, wem dieselbe so verkehrt und
ungenügend ist, daß von einer bloß theilweisen Verbesserung
Nichts zu hoffen steht. Allein ebenso unzweifelhaft hat man
sich mit der Ausmärzung nur einzelner schlechter Anstalten zu
begnügen, wenn damit die Herstellung eines gesunden und
richtig fungirenden Organismus bewerkstelligt werden kann.
Wenn also namentlich schon durch Veränderungen in der Ver-
waltung und in der gewöhnlichen Gesetzgebung das Bedürfniß
befriedigt würde, ist ein Umsturz der Verfassung weder zweck-
mäßig noch erlaubt.

Zu 2. Nicht übermäßig schwierig ist die Aufgabe einer
Verbesserung, wo bloß entweder Mißbräuche bei einer an sich
guten Einrichtung oder Verderbniß einzelner Theile des in der
Hauptsache gesunden Ganzen vorliegen. Hier helfen Verbote
und Gebote, neue Ueberwachungen, Austausche guter Ein-
richtungen mit schlechten. Weit schwieriger natürlich ist eine
Verbesserung, wenn die Fäulniß bereits den ganzen Organismus

Grund der Heiligung deſſelben, vielmehr ein um ſo gerechterer
Grund zu endlicher Verbeſſerung.

Dagegen leuchtet auf der andern Seite ein, daß nicht jede
Art der Abänderung eine erlaubte und wünſchenswerthe iſt.
Vielmehr muß ſie auf eine rechtlich unangreifbare Weiſe vorge-
nommen werden und dem Inhalte nach zweckgemäß ſein 5).

Sinnlos namentlich iſt es, einer Staatsbehörde deßhalb,
weil ſie mit Verbeſſerung der beſtehenden Zuſtände beauftragt
iſt, Befreiung von allen Geſetzen des Rechts, der Sittlichkeit
und der Zweckmäßigkeit, ein Recht zum Unrechte, eine Aufgabe
zur Unvernunft zuzuſchreiben. Sie hat keine andere außer-
gewöhnliche Befugniß, als die der Nichtbeachtung etwaiger
Verbote einer nothwendigen Veränderung 6).

Demgemäß iſt denn,

zu 1, eine gänzliche Veränderung der beſtehenden Ver-
faſſung allerdings unerläßlich, wem dieſelbe ſo verkehrt und
ungenügend iſt, daß von einer bloß theilweiſen Verbeſſerung
Nichts zu hoffen ſteht. Allein ebenſo unzweifelhaft hat man
ſich mit der Ausmärzung nur einzelner ſchlechter Anſtalten zu
begnügen, wenn damit die Herſtellung eines geſunden und
richtig fungirenden Organismus bewerkſtelligt werden kann.
Wenn alſo namentlich ſchon durch Veränderungen in der Ver-
waltung und in der gewöhnlichen Geſetzgebung das Bedürfniß
befriedigt würde, iſt ein Umſturz der Verfaſſung weder zweck-
mäßig noch erlaubt.

Zu 2. Nicht übermäßig ſchwierig iſt die Aufgabe einer
Verbeſſerung, wo bloß entweder Mißbräuche bei einer an ſich
guten Einrichtung oder Verderbniß einzelner Theile des in der
Hauptſache geſunden Ganzen vorliegen. Hier helfen Verbote
und Gebote, neue Ueberwachungen, Austauſche guter Ein-
richtungen mit ſchlechten. Weit ſchwieriger natürlich iſt eine
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[160/0174] Grund der Heiligung deſſelben, vielmehr ein um ſo gerechterer Grund zu endlicher Verbeſſerung. Dagegen leuchtet auf der andern Seite ein, daß nicht jede Art der Abänderung eine erlaubte und wünſchenswerthe iſt. Vielmehr muß ſie auf eine rechtlich unangreifbare Weiſe vorge- nommen werden und dem Inhalte nach zweckgemäß ſein 5). Sinnlos namentlich iſt es, einer Staatsbehörde deßhalb, weil ſie mit Verbeſſerung der beſtehenden Zuſtände beauftragt iſt, Befreiung von allen Geſetzen des Rechts, der Sittlichkeit und der Zweckmäßigkeit, ein Recht zum Unrechte, eine Aufgabe zur Unvernunft zuzuſchreiben. Sie hat keine andere außer- gewöhnliche Befugniß, als die der Nichtbeachtung etwaiger Verbote einer nothwendigen Veränderung 6). Demgemäß iſt denn, zu 1, eine gänzliche Veränderung der beſtehenden Ver- faſſung allerdings unerläßlich, wem dieſelbe ſo verkehrt und ungenügend iſt, daß von einer bloß theilweiſen Verbeſſerung Nichts zu hoffen ſteht. Allein ebenſo unzweifelhaft hat man ſich mit der Ausmärzung nur einzelner ſchlechter Anſtalten zu begnügen, wenn damit die Herſtellung eines geſunden und richtig fungirenden Organismus bewerkſtelligt werden kann. Wenn alſo namentlich ſchon durch Veränderungen in der Ver- waltung und in der gewöhnlichen Geſetzgebung das Bedürfniß befriedigt würde, iſt ein Umſturz der Verfaſſung weder zweck- mäßig noch erlaubt. Zu 2. Nicht übermäßig ſchwierig iſt die Aufgabe einer Verbeſſerung, wo bloß entweder Mißbräuche bei einer an ſich guten Einrichtung oder Verderbniß einzelner Theile des in der Hauptſache geſunden Ganzen vorliegen. Hier helfen Verbote und Gebote, neue Ueberwachungen, Austauſche guter Ein- richtungen mit ſchlechten. Weit ſchwieriger natürlich iſt eine Verbeſſerung, wenn die Fäulniß bereits den ganzen Organismus

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/174>, abgerufen am 24.11.2024.