liegt; andererseits die Formen und Einrichtungen der Gesammt- heit, deren Benützung und Befolgung nicht in den freien Willen der Theilnehmer gestellt werden soll und kann. Wo eine solche Zwangsordnung bei einfachen Interessen an der Stelle ist, wie namentlich in vielen polizeilichen Dingen, ist Gesetzgebung Recht und Pflicht.
Die Gesetze werden nach ihrer Bedeutsamkeit und, was damit gewöhnlich zusammenhängt, nach ihrer Beständigkeit in verschiedene Arten getheilt 2):
Verfassungsgesetze sind diejenigen, welche -- gleich- gültig ob in gedrängter systematischer Form und als geschlossene Urkunden, oder als einzelne Ausführungen -- das Wesen der Staatsgattung und die häuptsächlichsten Formen der Staatsart bestimmen. In der Hauptsache beschäftigen sie sich mit dem Organismus der Gesammtheit soweit dieser ein beständiger sein soll. Allein insoferne auch Beziehungen Einzelner, oder einzelner gesellschaftlicher Kreise zu einander oder zu der Ge- sammtheit von so großer Wichtigkeit erachtet werden, daß ihre Feststellung bezeichnend für das Wesen des concreten Staates erscheint und sie vor Aenderungen möglichst sicherge- stellt werden sollen: mögen sie ebenfalls unter die Verfassungs- gesetze aufgenommen sein.
Einfache Gesetze sind diejenigen befehlenden Normen, welche nur Einzelheiten und Folgerungen betreffen, doch aber auf eine bleibende und feierliche Weise festgestellt werden wollen. Sie haben natürlich in ihren Vorschriften den Geist und den positiven Inhalt der Verfassungs- oder Grundgesetze zu beachten und weiter zu entwickeln. Innerhalb dieses letzteren Kreises können sie in geordneter Weise geändert werden; doch sind auch sie allerdings zunächst für die Dauer bestimmt.
Bloße Verordnungen oder Verfügungen sind Be- fehle, welche zwar auch von der Staatsgewalt im Ganzen oder
liegt; andererſeits die Formen und Einrichtungen der Geſammt- heit, deren Benützung und Befolgung nicht in den freien Willen der Theilnehmer geſtellt werden ſoll und kann. Wo eine ſolche Zwangsordnung bei einfachen Intereſſen an der Stelle iſt, wie namentlich in vielen polizeilichen Dingen, iſt Geſetzgebung Recht und Pflicht.
Die Geſetze werden nach ihrer Bedeutſamkeit und, was damit gewöhnlich zuſammenhängt, nach ihrer Beſtändigkeit in verſchiedene Arten getheilt 2):
Verfaſſungsgeſetze ſind diejenigen, welche — gleich- gültig ob in gedrängter ſyſtematiſcher Form und als geſchloſſene Urkunden, oder als einzelne Ausführungen — das Weſen der Staatsgattung und die häuptſächlichſten Formen der Staatsart beſtimmen. In der Hauptſache beſchäftigen ſie ſich mit dem Organismus der Geſammtheit ſoweit dieſer ein beſtändiger ſein ſoll. Allein inſoferne auch Beziehungen Einzelner, oder einzelner geſellſchaftlicher Kreiſe zu einander oder zu der Ge- ſammtheit von ſo großer Wichtigkeit erachtet werden, daß ihre Feſtſtellung bezeichnend für das Weſen des concreten Staates erſcheint und ſie vor Aenderungen möglichſt ſicherge- ſtellt werden ſollen: mögen ſie ebenfalls unter die Verfaſſungs- geſetze aufgenommen ſein.
Einfache Geſetze ſind diejenigen befehlenden Normen, welche nur Einzelheiten und Folgerungen betreffen, doch aber auf eine bleibende und feierliche Weiſe feſtgeſtellt werden wollen. Sie haben natürlich in ihren Vorſchriften den Geiſt und den poſitiven Inhalt der Verfaſſungs- oder Grundgeſetze zu beachten und weiter zu entwickeln. Innerhalb dieſes letzteren Kreiſes können ſie in geordneter Weiſe geändert werden; doch ſind auch ſie allerdings zunächſt für die Dauer beſtimmt.
Bloße Verordnungen oder Verfügungen ſind Be- fehle, welche zwar auch von der Staatsgewalt im Ganzen oder
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liegt; andererſeits die Formen und Einrichtungen der Geſammt-
heit, deren Benützung und Befolgung nicht in den freien Willen
der Theilnehmer geſtellt werden ſoll und kann. Wo eine ſolche
Zwangsordnung bei einfachen Intereſſen an der Stelle iſt,
wie namentlich in vielen polizeilichen Dingen, iſt Geſetzgebung
Recht und Pflicht.
Die Geſetze werden nach ihrer Bedeutſamkeit und, was
damit gewöhnlich zuſammenhängt, nach ihrer Beſtändigkeit in
verſchiedene Arten getheilt 2):
Verfaſſungsgeſetze ſind diejenigen, welche — gleich-
gültig ob in gedrängter ſyſtematiſcher Form und als geſchloſſene
Urkunden, oder als einzelne Ausführungen — das Weſen der
Staatsgattung und die häuptſächlichſten Formen der Staatsart
beſtimmen. In der Hauptſache beſchäftigen ſie ſich mit dem
Organismus der Geſammtheit ſoweit dieſer ein beſtändiger
ſein ſoll. Allein inſoferne auch Beziehungen Einzelner, oder
einzelner geſellſchaftlicher Kreiſe zu einander oder zu der Ge-
ſammtheit von ſo großer Wichtigkeit erachtet werden, daß
ihre Feſtſtellung bezeichnend für das Weſen des concreten
Staates erſcheint und ſie vor Aenderungen möglichſt ſicherge-
ſtellt werden ſollen: mögen ſie ebenfalls unter die Verfaſſungs-
geſetze aufgenommen ſein.
Einfache Geſetze ſind diejenigen befehlenden Normen,
welche nur Einzelheiten und Folgerungen betreffen, doch aber
auf eine bleibende und feierliche Weiſe feſtgeſtellt werden wollen.
Sie haben natürlich in ihren Vorſchriften den Geiſt und den
poſitiven Inhalt der Verfaſſungs- oder Grundgeſetze zu beachten
und weiter zu entwickeln. Innerhalb dieſes letzteren Kreiſes
können ſie in geordneter Weiſe geändert werden; doch ſind auch
ſie allerdings zunächſt für die Dauer beſtimmt.
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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