schaaren, um unter deren Schutz und in der Regel auf deren Gebiet ihren einzelnen erlaubten Zwecken sicher nachzugehen. Sowohl die Leistungen der Macht als umgekehrt die Gegen- leistungen und die Unterwerfungsbedingungen der einzelnen Bestandtheile mögen hier verschiedenartig sein, nur bleibt immer die Selbstständigkeit und Ursprünglichkeit der den Mittelpunkt bildenden Macht, und andererseits der Anspruch auf Schutz. Es sind dies die Patrimonialstaaten. -- Eine eigenthüm- liche Spielart dieser Staatsgattung ist der militärische Lehenstaat, in welchem die kriegerische gegenseitige Ver- theidigung der Kern und fast der ganze Inhalt des Zusammen- lebens ist.
Die vierte Hauptgattung besteht aus denjenigen Staaten, welche sich die möglichste Innigkeit und Zufriedenstellung eines Gemeinlebens aller einzelnen Bürger als Zweck vorsetzt; so zwar, daß der Einzelne in der Gesammtheit ganz aufgeht und er keine besonderen nur ihm eigenthümlichen Lebens- zwecke verfolgt. Jeder Einzelne betrachtet und fühlt sich hier nur als ein Bestandtheil des großen Ganzen, und bringt dessen Gedeihen seine Persönlichkeit zum Opfer. Es ist dies der classische oder antike Staat, so bezeichnet, weil die Griechen und Römer diese Lebensauffassung hatten. Derselbe zerfällt übrigens in drei verschiedene Arten:
erstens Monarchie, wo die Regierungsgewalt einer einzelnen Person zusteht, sei es nun, daß dieselbe durch Wahl der Bürger, oder nach erblichem Ansehen und Rechte, oder auch wohl durch unwiderstehliche Macht in den Besitz kömmt;
zweitens, Aristokratie, d. h. die Regierung einzelner Ausgezeichneter, welche entweder durch Abstammung aus be- stimmten berühmten Familien, durch Verdienste oder durch Vermögen zu diesem Vorzuge berufen sind;
drittens endlich Demokratie, wenn die Gesammtheit
ſchaaren, um unter deren Schutz und in der Regel auf deren Gebiet ihren einzelnen erlaubten Zwecken ſicher nachzugehen. Sowohl die Leiſtungen der Macht als umgekehrt die Gegen- leiſtungen und die Unterwerfungsbedingungen der einzelnen Beſtandtheile mögen hier verſchiedenartig ſein, nur bleibt immer die Selbſtſtändigkeit und Urſprünglichkeit der den Mittelpunkt bildenden Macht, und andererſeits der Anſpruch auf Schutz. Es ſind dies die Patrimonialſtaaten. — Eine eigenthüm- liche Spielart dieſer Staatsgattung iſt der militäriſche Lehenſtaat, in welchem die kriegeriſche gegenſeitige Ver- theidigung der Kern und faſt der ganze Inhalt des Zuſammen- lebens iſt.
Die vierte Hauptgattung beſteht aus denjenigen Staaten, welche ſich die möglichſte Innigkeit und Zufriedenſtellung eines Gemeinlebens aller einzelnen Bürger als Zweck vorſetzt; ſo zwar, daß der Einzelne in der Geſammtheit ganz aufgeht und er keine beſonderen nur ihm eigenthümlichen Lebens- zwecke verfolgt. Jeder Einzelne betrachtet und fühlt ſich hier nur als ein Beſtandtheil des großen Ganzen, und bringt deſſen Gedeihen ſeine Perſönlichkeit zum Opfer. Es iſt dies der claſſiſche oder antike Staat, ſo bezeichnet, weil die Griechen und Römer dieſe Lebensauffaſſung hatten. Derſelbe zerfällt übrigens in drei verſchiedene Arten:
erſtens Monarchie, wo die Regierungsgewalt einer einzelnen Perſon zuſteht, ſei es nun, daß dieſelbe durch Wahl der Bürger, oder nach erblichem Anſehen und Rechte, oder auch wohl durch unwiderſtehliche Macht in den Beſitz kömmt;
zweitens, Ariſtokratie, d. h. die Regierung einzelner Ausgezeichneter, welche entweder durch Abſtammung aus be- ſtimmten berühmten Familien, durch Verdienſte oder durch Vermögen zu dieſem Vorzuge berufen ſind;
drittens endlich Demokratie, wenn die Geſammtheit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0114"n="100"/>ſchaaren, um unter deren Schutz und in der Regel auf deren<lb/>
Gebiet ihren einzelnen erlaubten Zwecken ſicher nachzugehen.<lb/>
Sowohl die Leiſtungen der Macht als umgekehrt die Gegen-<lb/>
leiſtungen und die Unterwerfungsbedingungen der einzelnen<lb/>
Beſtandtheile mögen hier verſchiedenartig ſein, nur bleibt immer<lb/>
die Selbſtſtändigkeit und Urſprünglichkeit der den Mittelpunkt<lb/>
bildenden Macht, und andererſeits der Anſpruch auf Schutz.<lb/>
Es ſind dies die <hirendition="#g">Patrimonialſ</hi>taaten. — Eine eigenthüm-<lb/>
liche Spielart dieſer Staatsgattung iſt der <hirendition="#g">militäriſche<lb/>
Lehenſtaat</hi>, in welchem die kriegeriſche gegenſeitige Ver-<lb/>
theidigung der Kern und faſt der ganze Inhalt des Zuſammen-<lb/>
lebens iſt.</p><lb/><p>Die vierte Hauptgattung beſteht aus denjenigen Staaten,<lb/>
welche ſich die möglichſte Innigkeit und Zufriedenſtellung eines<lb/><hirendition="#g">Gemeinlebens aller einzelnen Bürger</hi> als Zweck<lb/>
vorſetzt; ſo zwar, daß der Einzelne in der Geſammtheit ganz<lb/>
aufgeht und er keine beſonderen nur ihm eigenthümlichen Lebens-<lb/>
zwecke verfolgt. Jeder Einzelne betrachtet und fühlt ſich hier<lb/>
nur als ein Beſtandtheil des großen Ganzen, und bringt deſſen<lb/>
Gedeihen ſeine Perſönlichkeit zum Opfer. Es iſt dies der<lb/><hirendition="#g">claſſiſche</hi> oder <hirendition="#g">antike Staat</hi>, ſo bezeichnet, weil die<lb/>
Griechen und Römer dieſe Lebensauffaſſung hatten. Derſelbe<lb/>
zerfällt übrigens in drei verſchiedene Arten:</p><lb/><p>erſtens <hirendition="#g">Monarchie</hi>, wo die Regierungsgewalt einer<lb/>
einzelnen Perſon zuſteht, ſei es nun, daß dieſelbe durch Wahl<lb/>
der Bürger, oder nach erblichem Anſehen und Rechte, oder<lb/>
auch wohl durch unwiderſtehliche Macht in den Beſitz kömmt;</p><lb/><p>zweitens, <hirendition="#g">Ariſtokratie</hi>, d. h. die Regierung einzelner<lb/>
Ausgezeichneter, welche entweder durch Abſtammung aus be-<lb/>ſtimmten berühmten Familien, durch Verdienſte oder durch<lb/>
Vermögen zu dieſem Vorzuge berufen ſind;</p><lb/><p>drittens endlich <hirendition="#g">Demokratie</hi>, wenn die Geſammtheit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[100/0114]
ſchaaren, um unter deren Schutz und in der Regel auf deren
Gebiet ihren einzelnen erlaubten Zwecken ſicher nachzugehen.
Sowohl die Leiſtungen der Macht als umgekehrt die Gegen-
leiſtungen und die Unterwerfungsbedingungen der einzelnen
Beſtandtheile mögen hier verſchiedenartig ſein, nur bleibt immer
die Selbſtſtändigkeit und Urſprünglichkeit der den Mittelpunkt
bildenden Macht, und andererſeits der Anſpruch auf Schutz.
Es ſind dies die Patrimonialſtaaten. — Eine eigenthüm-
liche Spielart dieſer Staatsgattung iſt der militäriſche
Lehenſtaat, in welchem die kriegeriſche gegenſeitige Ver-
theidigung der Kern und faſt der ganze Inhalt des Zuſammen-
lebens iſt.
Die vierte Hauptgattung beſteht aus denjenigen Staaten,
welche ſich die möglichſte Innigkeit und Zufriedenſtellung eines
Gemeinlebens aller einzelnen Bürger als Zweck
vorſetzt; ſo zwar, daß der Einzelne in der Geſammtheit ganz
aufgeht und er keine beſonderen nur ihm eigenthümlichen Lebens-
zwecke verfolgt. Jeder Einzelne betrachtet und fühlt ſich hier
nur als ein Beſtandtheil des großen Ganzen, und bringt deſſen
Gedeihen ſeine Perſönlichkeit zum Opfer. Es iſt dies der
claſſiſche oder antike Staat, ſo bezeichnet, weil die
Griechen und Römer dieſe Lebensauffaſſung hatten. Derſelbe
zerfällt übrigens in drei verſchiedene Arten:
erſtens Monarchie, wo die Regierungsgewalt einer
einzelnen Perſon zuſteht, ſei es nun, daß dieſelbe durch Wahl
der Bürger, oder nach erblichem Anſehen und Rechte, oder
auch wohl durch unwiderſtehliche Macht in den Beſitz kömmt;
zweitens, Ariſtokratie, d. h. die Regierung einzelner
Ausgezeichneter, welche entweder durch Abſtammung aus be-
ſtimmten berühmten Familien, durch Verdienſte oder durch
Vermögen zu dieſem Vorzuge berufen ſind;
drittens endlich Demokratie, wenn die Geſammtheit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/114>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.