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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Eine untadelhafte und umfassende Eintheilung dieser ver-
schiedenartigen Erscheinungen ist nicht bloß logisches Bedürfniß,
sondern sie dient auch zur Erleichterung und Richtigkeit in der
Aufstellung von Grundsätzen jeder Art für das staatliche Leben.
Ihre Feststellung ist somit eine wichtige Aufgabe für die Wissen-
schaft 1). Dabei versteht es sich aber von selbst, daß die
Hauptabtheilung nach den wesentlichen Unterschieden geschieht,
und erst die Unterabtheilungen nach Formen oder Zahlenverhält-
nissen gemacht werden dürfen. Ein anderes Verfahren reißt
innerlich Zusammengehörendes auseinander und wirft grund-
sätzlich Verschiedenes zusammen. Auch bedarf es wohl nicht
erst einer Rechtfertigung, wenn sich auch die Wissenschaft mit
der Aufzählung und Ordnung derjenigen Staatszustände begnügt,
welche bereits in die Crscheinung getreten sind, und bloß
denkbare staatliche Gestaltungen unberücksichtigt bleiben. Die
Zahl schon der ersteren ist groß genug. Staatsgattungen
aber mögen die Hauptabtheilungen genannt werden, welche
je diejenigen Staaten umfassen, die aus derselben wesentlichen
Lebensanschauung hervorgehen und denselben Hauptzweck ver-
folgen; Staatsarten dagegen sind deren Unterabtheilungen,
zusammengestellt je nach der Gleichheit wichtiger Formen.

Hieraus ergibt sich denn nachstehende Eintheilung 2):

Erste Hauptgattung. Staaten, welchen die hausväter-
liche
Gewalt zu Grunde liegt und welche die Ordnung eines
Stammeslebens zum Zwecke haben. Dieselben sind aller-
dings die niederste Stufe des einheitlichen Zusammenseins auf
begrenztem Raume, und sie stehen den naturwüchsigen Zuständen
eines bloß gesellschaftlichen Zustandes noch sehr nahe; aber sie
müssen doch bereits den Staaten zugezählt werden, wenn eine
wirkliche gemeinsame Gewalt anerkannt ist, und wenigstens die
nothwendigsten Einrichtungen zur Ordnung und ihrer Hand-
habung getroffen sind. Patriarchalische Staaten.

Eine untadelhafte und umfaſſende Eintheilung dieſer ver-
ſchiedenartigen Erſcheinungen iſt nicht bloß logiſches Bedürfniß,
ſondern ſie dient auch zur Erleichterung und Richtigkeit in der
Aufſtellung von Grundſätzen jeder Art für das ſtaatliche Leben.
Ihre Feſtſtellung iſt ſomit eine wichtige Aufgabe für die Wiſſen-
ſchaft 1). Dabei verſteht es ſich aber von ſelbſt, daß die
Hauptabtheilung nach den weſentlichen Unterſchieden geſchieht,
und erſt die Unterabtheilungen nach Formen oder Zahlenverhält-
niſſen gemacht werden dürfen. Ein anderes Verfahren reißt
innerlich Zuſammengehörendes auseinander und wirft grund-
ſätzlich Verſchiedenes zuſammen. Auch bedarf es wohl nicht
erſt einer Rechtfertigung, wenn ſich auch die Wiſſenſchaft mit
der Aufzählung und Ordnung derjenigen Staatszuſtände begnügt,
welche bereits in die Crſcheinung getreten ſind, und bloß
denkbare ſtaatliche Geſtaltungen unberückſichtigt bleiben. Die
Zahl ſchon der erſteren iſt groß genug. Staatsgattungen
aber mögen die Hauptabtheilungen genannt werden, welche
je diejenigen Staaten umfaſſen, die aus derſelben weſentlichen
Lebensanſchauung hervorgehen und denſelben Hauptzweck ver-
folgen; Staatsarten dagegen ſind deren Unterabtheilungen,
zuſammengeſtellt je nach der Gleichheit wichtiger Formen.

Hieraus ergibt ſich denn nachſtehende Eintheilung 2):

Erſte Hauptgattung. Staaten, welchen die hausväter-
liche
Gewalt zu Grunde liegt und welche die Ordnung eines
Stammeslebens zum Zwecke haben. Dieſelben ſind aller-
dings die niederſte Stufe des einheitlichen Zuſammenſeins auf
begrenztem Raume, und ſie ſtehen den naturwüchſigen Zuſtänden
eines bloß geſellſchaftlichen Zuſtandes noch ſehr nahe; aber ſie
müſſen doch bereits den Staaten zugezählt werden, wenn eine
wirkliche gemeinſame Gewalt anerkannt iſt, und wenigſtens die
nothwendigſten Einrichtungen zur Ordnung und ihrer Hand-
habung getroffen ſind. Patriarchaliſche Staaten.

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[98/0112] Eine untadelhafte und umfaſſende Eintheilung dieſer ver- ſchiedenartigen Erſcheinungen iſt nicht bloß logiſches Bedürfniß, ſondern ſie dient auch zur Erleichterung und Richtigkeit in der Aufſtellung von Grundſätzen jeder Art für das ſtaatliche Leben. Ihre Feſtſtellung iſt ſomit eine wichtige Aufgabe für die Wiſſen- ſchaft 1). Dabei verſteht es ſich aber von ſelbſt, daß die Hauptabtheilung nach den weſentlichen Unterſchieden geſchieht, und erſt die Unterabtheilungen nach Formen oder Zahlenverhält- niſſen gemacht werden dürfen. Ein anderes Verfahren reißt innerlich Zuſammengehörendes auseinander und wirft grund- ſätzlich Verſchiedenes zuſammen. Auch bedarf es wohl nicht erſt einer Rechtfertigung, wenn ſich auch die Wiſſenſchaft mit der Aufzählung und Ordnung derjenigen Staatszuſtände begnügt, welche bereits in die Crſcheinung getreten ſind, und bloß denkbare ſtaatliche Geſtaltungen unberückſichtigt bleiben. Die Zahl ſchon der erſteren iſt groß genug. Staatsgattungen aber mögen die Hauptabtheilungen genannt werden, welche je diejenigen Staaten umfaſſen, die aus derſelben weſentlichen Lebensanſchauung hervorgehen und denſelben Hauptzweck ver- folgen; Staatsarten dagegen ſind deren Unterabtheilungen, zuſammengeſtellt je nach der Gleichheit wichtiger Formen. Hieraus ergibt ſich denn nachſtehende Eintheilung 2): Erſte Hauptgattung. Staaten, welchen die hausväter- liche Gewalt zu Grunde liegt und welche die Ordnung eines Stammeslebens zum Zwecke haben. Dieſelben ſind aller- dings die niederſte Stufe des einheitlichen Zuſammenſeins auf begrenztem Raume, und ſie ſtehen den naturwüchſigen Zuſtänden eines bloß geſellſchaftlichen Zuſtandes noch ſehr nahe; aber ſie müſſen doch bereits den Staaten zugezählt werden, wenn eine wirkliche gemeinſame Gewalt anerkannt iſt, und wenigſtens die nothwendigſten Einrichtungen zur Ordnung und ihrer Hand- habung getroffen ſind. Patriarchaliſche Staaten.

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/112>, abgerufen am 22.11.2024.