Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Der Werth der Complimente. ich es mir versehen, Theil an unserer Unterredung genom-men, und was nach meiner Absicht blos ein vertrauli- ches Wort zur Aufmunterung eines Mannes von gewis- sen Verdiensten seyn sollte, erhielt durch das Gepränge, womit er solches aufhob, eine Art von Gewicht, was mich ordentlich kränkte, und in Beziehung auf verschie- dene andre von der Gesellschaft, in eine wahre Verle- genheit setzte. Wie ist es aber möglich, daß ein Mensch so wenig gesundes Gefühl haben, und jede sanfte Ma- nier des Ausdrucks, wodurch man Gefälligkeit, Aufmerk- samkeit und Empfindung in einer Gesellschaft von Freun- den zu erwecken sucht, auf eine so rauhe Art behan- deln könne? Es ist, wie Sie wissen, meine Gewohnheit, daß Bey dem Herrn .. ist es jedoch nicht Mangel von zeugt,
Der Werth der Complimente. ich es mir verſehen, Theil an unſerer Unterredung genom-men, und was nach meiner Abſicht blos ein vertrauli- ches Wort zur Aufmunterung eines Mannes von gewiſ- ſen Verdienſten ſeyn ſollte, erhielt durch das Gepraͤnge, womit er ſolches aufhob, eine Art von Gewicht, was mich ordentlich kraͤnkte, und in Beziehung auf verſchie- dene andre von der Geſellſchaft, in eine wahre Verle- genheit ſetzte. Wie iſt es aber moͤglich, daß ein Menſch ſo wenig geſundes Gefuͤhl haben, und jede ſanfte Ma- nier des Ausdrucks, wodurch man Gefaͤlligkeit, Aufmerk- ſamkeit und Empfindung in einer Geſellſchaft von Freun- den zu erwecken ſucht, auf eine ſo rauhe Art behan- deln koͤnne? Es iſt, wie Sie wiſſen, meine Gewohnheit, daß Bey dem Herrn .. iſt es jedoch nicht Mangel von zeugt,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0086" n="74"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Werth der Complimente.</hi></fw><lb/> ich es mir verſehen, Theil an unſerer Unterredung genom-<lb/> men, und was nach meiner Abſicht blos ein vertrauli-<lb/> ches Wort zur Aufmunterung eines Mannes von gewiſ-<lb/> ſen Verdienſten ſeyn ſollte, erhielt durch das Gepraͤnge,<lb/> womit er ſolches aufhob, eine Art von Gewicht, was<lb/> mich ordentlich kraͤnkte, und in Beziehung auf verſchie-<lb/> dene andre von der Geſellſchaft, in eine wahre Verle-<lb/> genheit ſetzte. Wie iſt es aber moͤglich, daß ein Menſch<lb/> ſo wenig geſundes Gefuͤhl haben, und jede ſanfte Ma-<lb/> nier des Ausdrucks, wodurch man Gefaͤlligkeit, Aufmerk-<lb/> ſamkeit und Empfindung in einer Geſellſchaft von Freun-<lb/> den zu erwecken ſucht, auf eine ſo rauhe Art behan-<lb/> deln koͤnne?</p><lb/> <p>Es iſt, wie Sie wiſſen, meine Gewohnheit, daß<lb/> ich in Geſellſchaften entweder den geringſten oder denje-<lb/> nigen, worauf die andern am wenigſten achten, gern zu<lb/> meiner Unterhaltung erwaͤhle, und ihm oft zu ſeiner eig-<lb/> nen Verwunderung zum allerliebſten Manne mache. Dazu<lb/> gehoͤrt nun mancher Blick der feinſten Aufmerkſamkeit,<lb/> manches verbindliche Wort, und auch wohl ein unfrey-<lb/> williger Druck der Hand, der ſo weggleitet, ohne daß<lb/> er foͤrmlich erwiedert werden ſoll. Wenn man aber alles<lb/> dieſes, was das feinere geſellſchaftliche Leben erfordert,<lb/> in ein großes Licht ſetzen, mich wegen jeder Bewegung<lb/> gleichſam zur Rechenſchaft fordern, und alle Schatti-<lb/> rungen zu beſondern Farben heraus heben wollte, ſo<lb/> wuͤrde man ich weiß nicht was aus mir machen koͤnnen.</p><lb/> <p>Bey dem Herrn .. iſt es jedoch nicht Mangel von<lb/> Gefuͤhl ſondern blos die Begierde in fertigen und witzi-<lb/> gen Antworten zu glaͤnzen, die ihn zu einer ſolchen Un-<lb/> beſonnenheit verfuͤhrt. Er weiß wohl, daß ich eine ent-<lb/> ſchloſſene Witwe bin, die keinen Menſchen und am aller-<lb/> wenigſten ihn an ſich zu ziehen gedenket; er war uͤber-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zeugt,</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0086]
Der Werth der Complimente.
ich es mir verſehen, Theil an unſerer Unterredung genom-
men, und was nach meiner Abſicht blos ein vertrauli-
ches Wort zur Aufmunterung eines Mannes von gewiſ-
ſen Verdienſten ſeyn ſollte, erhielt durch das Gepraͤnge,
womit er ſolches aufhob, eine Art von Gewicht, was
mich ordentlich kraͤnkte, und in Beziehung auf verſchie-
dene andre von der Geſellſchaft, in eine wahre Verle-
genheit ſetzte. Wie iſt es aber moͤglich, daß ein Menſch
ſo wenig geſundes Gefuͤhl haben, und jede ſanfte Ma-
nier des Ausdrucks, wodurch man Gefaͤlligkeit, Aufmerk-
ſamkeit und Empfindung in einer Geſellſchaft von Freun-
den zu erwecken ſucht, auf eine ſo rauhe Art behan-
deln koͤnne?
Es iſt, wie Sie wiſſen, meine Gewohnheit, daß
ich in Geſellſchaften entweder den geringſten oder denje-
nigen, worauf die andern am wenigſten achten, gern zu
meiner Unterhaltung erwaͤhle, und ihm oft zu ſeiner eig-
nen Verwunderung zum allerliebſten Manne mache. Dazu
gehoͤrt nun mancher Blick der feinſten Aufmerkſamkeit,
manches verbindliche Wort, und auch wohl ein unfrey-
williger Druck der Hand, der ſo weggleitet, ohne daß
er foͤrmlich erwiedert werden ſoll. Wenn man aber alles
dieſes, was das feinere geſellſchaftliche Leben erfordert,
in ein großes Licht ſetzen, mich wegen jeder Bewegung
gleichſam zur Rechenſchaft fordern, und alle Schatti-
rungen zu beſondern Farben heraus heben wollte, ſo
wuͤrde man ich weiß nicht was aus mir machen koͤnnen.
Bey dem Herrn .. iſt es jedoch nicht Mangel von
Gefuͤhl ſondern blos die Begierde in fertigen und witzi-
gen Antworten zu glaͤnzen, die ihn zu einer ſolchen Un-
beſonnenheit verfuͤhrt. Er weiß wohl, daß ich eine ent-
ſchloſſene Witwe bin, die keinen Menſchen und am aller-
wenigſten ihn an ſich zu ziehen gedenket; er war uͤber-
zeugt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |