in die Welt geschickt. Sie haben sich, nebst der mit ihr verwandten Seuche, gerade zu der Zeit eingefunden, da die Völkerwanderungen, weil alles besetzt war, aufhö- ren mußten; sie sollen also wahrscheinlich dazu dienen, einer Ueberladung der sublunarischen Welt vorzubeugen, und diesem großen Winke sollte man folgen, und den Aerzten ein Handwerk verbieten, was am Ende zu nichts dienen wird als Mann und Frau von Tisch und Bette zu scheiden.
Denn geschieht dieses nicht: so beklage ich die armen Erbherrn des künftigen Jahrhunderts! Jeder von ihnen wird zum wenigsten ein Dutzend Schwestern und Brü- der abzufinden haben! Und wehe dem Lande, wo diese alle von Stande sind, und Wapen und Namen fortfüh- ren wollen! Was für Stifter werden da auf Kosten des gemeinen Fleißes errichtet werden müssen, um alle die Fräulein zu versorgen? Was für Armeen werden gehal- ten und wie sehr wird der Hofstaat, und die Dienerschaft rermehret werden müssen, um jedem Sohne wenigstens eine Compagnie oder einen andern Dienst zu verschaffen? Und was wird bey dem allen aus den Erbherrn werden, die jedesmal ein Dutzend Schwestern und Brüder abzu- steuren und zu versorgen haben?
Ein anders wäre noch, wenn die Vorsorge blos auf den Bauerstand gienge! denn wenn dieser sich zu sehr vermehrt: so kann man ihn noch aufs Schlachtfeld füh- ren, und mit Cartätschen darunter schießen lassen. Aber so wird dieser gar nicht einmal genöthiget sich der Jnocu- lation zu unterwerfen, ohnerachtet unlängst die natürli- chen Blattern in einem Kirchspiele 73 Kinder Gott gefäl- lig weggeraft haben; man überläßt ihn seinem Vorur- theile oder der Natur, und was diese nicht mütterlich
weg-
Mösers patr. Phantas.IV.Th. E
der Blattern ganz verbieten.
in die Welt geſchickt. Sie haben ſich, nebſt der mit ihr verwandten Seuche, gerade zu der Zeit eingefunden, da die Voͤlkerwanderungen, weil alles beſetzt war, aufhoͤ- ren mußten; ſie ſollen alſo wahrſcheinlich dazu dienen, einer Ueberladung der ſublunariſchen Welt vorzubeugen, und dieſem großen Winke ſollte man folgen, und den Aerzten ein Handwerk verbieten, was am Ende zu nichts dienen wird als Mann und Frau von Tiſch und Bette zu ſcheiden.
Denn geſchieht dieſes nicht: ſo beklage ich die armen Erbherrn des kuͤnftigen Jahrhunderts! Jeder von ihnen wird zum wenigſten ein Dutzend Schweſtern und Bruͤ- der abzufinden haben! Und wehe dem Lande, wo dieſe alle von Stande ſind, und Wapen und Namen fortfuͤh- ren wollen! Was fuͤr Stifter werden da auf Koſten des gemeinen Fleißes errichtet werden muͤſſen, um alle die Fraͤulein zu verſorgen? Was fuͤr Armeen werden gehal- ten und wie ſehr wird der Hofſtaat, und die Dienerſchaft rermehret werden muͤſſen, um jedem Sohne wenigſtens eine Compagnie oder einen andern Dienſt zu verſchaffen? Und was wird bey dem allen aus den Erbherrn werden, die jedesmal ein Dutzend Schweſtern und Bruͤder abzu- ſteuren und zu verſorgen haben?
Ein anders waͤre noch, wenn die Vorſorge blos auf den Bauerſtand gienge! denn wenn dieſer ſich zu ſehr vermehrt: ſo kann man ihn noch aufs Schlachtfeld fuͤh- ren, und mit Cartaͤtſchen darunter ſchießen laſſen. Aber ſo wird dieſer gar nicht einmal genoͤthiget ſich der Jnocu- lation zu unterwerfen, ohnerachtet unlaͤngſt die natuͤrli- chen Blattern in einem Kirchſpiele 73 Kinder Gott gefaͤl- lig weggeraft haben; man uͤberlaͤßt ihn ſeinem Vorur- theile oder der Natur, und was dieſe nicht muͤtterlich
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Moͤſers patr. Phantaſ.IV.Th. E
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der Blattern ganz verbieten.
in die Welt geſchickt. Sie haben ſich, nebſt der mit ihr
verwandten Seuche, gerade zu der Zeit eingefunden, da
die Voͤlkerwanderungen, weil alles beſetzt war, aufhoͤ-
ren mußten; ſie ſollen alſo wahrſcheinlich dazu dienen,
einer Ueberladung der ſublunariſchen Welt vorzubeugen,
und dieſem großen Winke ſollte man folgen, und den
Aerzten ein Handwerk verbieten, was am Ende zu nichts
dienen wird als Mann und Frau von Tiſch und Bette
zu ſcheiden.
Denn geſchieht dieſes nicht: ſo beklage ich die armen
Erbherrn des kuͤnftigen Jahrhunderts! Jeder von ihnen
wird zum wenigſten ein Dutzend Schweſtern und Bruͤ-
der abzufinden haben! Und wehe dem Lande, wo dieſe
alle von Stande ſind, und Wapen und Namen fortfuͤh-
ren wollen! Was fuͤr Stifter werden da auf Koſten des
gemeinen Fleißes errichtet werden muͤſſen, um alle die
Fraͤulein zu verſorgen? Was fuͤr Armeen werden gehal-
ten und wie ſehr wird der Hofſtaat, und die Dienerſchaft
rermehret werden muͤſſen, um jedem Sohne wenigſtens
eine Compagnie oder einen andern Dienſt zu verſchaffen?
Und was wird bey dem allen aus den Erbherrn werden,
die jedesmal ein Dutzend Schweſtern und Bruͤder abzu-
ſteuren und zu verſorgen haben?
Ein anders waͤre noch, wenn die Vorſorge blos auf
den Bauerſtand gienge! denn wenn dieſer ſich zu ſehr
vermehrt: ſo kann man ihn noch aufs Schlachtfeld fuͤh-
ren, und mit Cartaͤtſchen darunter ſchießen laſſen. Aber
ſo wird dieſer gar nicht einmal genoͤthiget ſich der Jnocu-
lation zu unterwerfen, ohnerachtet unlaͤngſt die natuͤrli-
chen Blattern in einem Kirchſpiele 73 Kinder Gott gefaͤl-
lig weggeraft haben; man uͤberlaͤßt ihn ſeinem Vorur-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/77>, abgerufen am 22.07.2024.
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