drückt sind, sieht man die Leute weit häufiger in den Schenken, stiller und trauriger aber öfterer trinken, und auch weniger fleißig arbeiten. Jhre Wirthschaft geht bey allen Einschränkungen schlimmer, und der niederge- schlagene Mensch schaft mit seinen Händen dasjenige nicht, was der lustige schaft. Die Unterthanen sehen den Ge- setzgeber wie die Kinder einen grämlichen Vater an; sie versammlen sich in Winkeln, und thun mehr böses als sie bey mehrer Freyheit gethan haben würden. Sie dün- ken sich sicher, so oft sie sich nur nicht die Hälse brechen.
Bisher hat man noch kein eignes Policeyreglement für die Lustbarkeiten der Landleute gehabt, welches haupt- sächlich dayer rührt, daß die Gesetzgeber lieber selbst ha- ben tanzen als andre tanzen lassen wollen. Es würde aber doch in dem Falle nöthig seyn, wenn meine Wün- sche erfüllet werden sollten. Jn demselben würde das erste seyn, daß in einem gewissen zu bestimmenden Di- stricte nur eine einzige Schenke geduldet, diese gehörig und geräumig eingerichtet, und mit allen versehen seyn sollte, was vernünftige Landleute ergötzen könnte. Der Wirth sollte seine Vorschrift haben, was er geben und nicht geben dürfte; der Tag zur Lustbarkeit sollte bestimmt und an demselben immer die nöthige Hülfe, um Unord- nungen zu steuren, bey der Hand seyn. Ausser dem be- stimmten Tage, und einigen andern, die noch näher be- stimmet werden könnten, sollte der Wirth gar keine Gä- ste setzen dürfen. Die Spiele sollten bestimmt, und an- gemessen seyn. Drey alte Männer sollten des Tages Rich- ter seyn, und alles entscheiden können, was der Cere- monienmeister anderwärts entscheiden kann. Wer sich denselben widersetzte, sollte sofort der in der Nähe ste- henden Amtshülfe übergeben; der betrunkene Mann durch sie gegen ein gewisses Botenlohn sofort nach Hause ge-
bracht;
C 2
fuͤr Landleute.
druͤckt ſind, ſieht man die Leute weit haͤufiger in den Schenken, ſtiller und trauriger aber oͤfterer trinken, und auch weniger fleißig arbeiten. Jhre Wirthſchaft geht bey allen Einſchraͤnkungen ſchlimmer, und der niederge- ſchlagene Menſch ſchaft mit ſeinen Haͤnden dasjenige nicht, was der luſtige ſchaft. Die Unterthanen ſehen den Ge- ſetzgeber wie die Kinder einen graͤmlichen Vater an; ſie verſammlen ſich in Winkeln, und thun mehr boͤſes als ſie bey mehrer Freyheit gethan haben wuͤrden. Sie duͤn- ken ſich ſicher, ſo oft ſie ſich nur nicht die Haͤlſe brechen.
Bisher hat man noch kein eignes Policeyreglement fuͤr die Luſtbarkeiten der Landleute gehabt, welches haupt- ſaͤchlich dayer ruͤhrt, daß die Geſetzgeber lieber ſelbſt ha- ben tanzen als andre tanzen laſſen wollen. Es wuͤrde aber doch in dem Falle noͤthig ſeyn, wenn meine Wuͤn- ſche erfuͤllet werden ſollten. Jn demſelben wuͤrde das erſte ſeyn, daß in einem gewiſſen zu beſtimmenden Di- ſtricte nur eine einzige Schenke geduldet, dieſe gehoͤrig und geraͤumig eingerichtet, und mit allen verſehen ſeyn ſollte, was vernuͤnftige Landleute ergoͤtzen koͤnnte. Der Wirth ſollte ſeine Vorſchrift haben, was er geben und nicht geben duͤrfte; der Tag zur Luſtbarkeit ſollte beſtimmt und an demſelben immer die noͤthige Huͤlfe, um Unord- nungen zu ſteuren, bey der Hand ſeyn. Auſſer dem be- ſtimmten Tage, und einigen andern, die noch naͤher be- ſtimmet werden koͤnnten, ſollte der Wirth gar keine Gaͤ- ſte ſetzen duͤrfen. Die Spiele ſollten beſtimmt, und an- gemeſſen ſeyn. Drey alte Maͤnner ſollten des Tages Rich- ter ſeyn, und alles entſcheiden koͤnnen, was der Cere- monienmeiſter anderwaͤrts entſcheiden kann. Wer ſich denſelben widerſetzte, ſollte ſofort der in der Naͤhe ſte- henden Amtshuͤlfe uͤbergeben; der betrunkene Mann durch ſie gegen ein gewiſſes Botenlohn ſofort nach Hauſe ge-
bracht;
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0047"n="35"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">fuͤr Landleute.</hi></fw><lb/>
druͤckt ſind, ſieht man die Leute weit haͤufiger in den<lb/>
Schenken, ſtiller und trauriger aber oͤfterer trinken, und<lb/>
auch weniger fleißig arbeiten. Jhre Wirthſchaft geht<lb/>
bey allen Einſchraͤnkungen ſchlimmer, und der niederge-<lb/>ſchlagene Menſch ſchaft mit ſeinen Haͤnden dasjenige nicht,<lb/>
was der luſtige ſchaft. Die Unterthanen ſehen den Ge-<lb/>ſetzgeber wie die Kinder einen graͤmlichen Vater an; ſie<lb/>
verſammlen ſich in Winkeln, und thun mehr boͤſes als<lb/>ſie bey mehrer Freyheit gethan haben wuͤrden. Sie duͤn-<lb/>
ken ſich ſicher, ſo oft ſie ſich nur nicht die Haͤlſe brechen.</p><lb/><p>Bisher hat man noch kein eignes Policeyreglement<lb/>
fuͤr die Luſtbarkeiten der Landleute gehabt, welches haupt-<lb/>ſaͤchlich dayer ruͤhrt, daß die Geſetzgeber lieber ſelbſt ha-<lb/>
ben tanzen als andre tanzen laſſen wollen. Es wuͤrde<lb/>
aber doch in dem Falle noͤthig ſeyn, wenn meine Wuͤn-<lb/>ſche erfuͤllet werden ſollten. Jn demſelben wuͤrde das<lb/>
erſte ſeyn, daß in einem gewiſſen zu beſtimmenden Di-<lb/>ſtricte nur eine einzige Schenke geduldet, dieſe gehoͤrig<lb/>
und geraͤumig eingerichtet, und mit allen verſehen ſeyn<lb/>ſollte, was vernuͤnftige Landleute ergoͤtzen koͤnnte. Der<lb/>
Wirth ſollte ſeine Vorſchrift haben, was er geben und<lb/>
nicht geben duͤrfte; der Tag zur Luſtbarkeit ſollte beſtimmt<lb/>
und an demſelben immer die noͤthige Huͤlfe, um Unord-<lb/>
nungen zu ſteuren, bey der Hand ſeyn. Auſſer dem be-<lb/>ſtimmten Tage, und einigen andern, die noch naͤher be-<lb/>ſtimmet werden koͤnnten, ſollte der Wirth gar keine Gaͤ-<lb/>ſte ſetzen duͤrfen. Die Spiele ſollten beſtimmt, und an-<lb/>
gemeſſen ſeyn. Drey alte Maͤnner ſollten des Tages Rich-<lb/>
ter ſeyn, und alles entſcheiden koͤnnen, was der Cere-<lb/>
monienmeiſter anderwaͤrts entſcheiden kann. Wer ſich<lb/>
denſelben widerſetzte, ſollte ſofort der in der Naͤhe ſte-<lb/>
henden Amtshuͤlfe uͤbergeben; der betrunkene Mann durch<lb/>ſie gegen ein gewiſſes Botenlohn ſofort nach Hauſe ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">bracht;</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0047]
fuͤr Landleute.
druͤckt ſind, ſieht man die Leute weit haͤufiger in den
Schenken, ſtiller und trauriger aber oͤfterer trinken, und
auch weniger fleißig arbeiten. Jhre Wirthſchaft geht
bey allen Einſchraͤnkungen ſchlimmer, und der niederge-
ſchlagene Menſch ſchaft mit ſeinen Haͤnden dasjenige nicht,
was der luſtige ſchaft. Die Unterthanen ſehen den Ge-
ſetzgeber wie die Kinder einen graͤmlichen Vater an; ſie
verſammlen ſich in Winkeln, und thun mehr boͤſes als
ſie bey mehrer Freyheit gethan haben wuͤrden. Sie duͤn-
ken ſich ſicher, ſo oft ſie ſich nur nicht die Haͤlſe brechen.
Bisher hat man noch kein eignes Policeyreglement
fuͤr die Luſtbarkeiten der Landleute gehabt, welches haupt-
ſaͤchlich dayer ruͤhrt, daß die Geſetzgeber lieber ſelbſt ha-
ben tanzen als andre tanzen laſſen wollen. Es wuͤrde
aber doch in dem Falle noͤthig ſeyn, wenn meine Wuͤn-
ſche erfuͤllet werden ſollten. Jn demſelben wuͤrde das
erſte ſeyn, daß in einem gewiſſen zu beſtimmenden Di-
ſtricte nur eine einzige Schenke geduldet, dieſe gehoͤrig
und geraͤumig eingerichtet, und mit allen verſehen ſeyn
ſollte, was vernuͤnftige Landleute ergoͤtzen koͤnnte. Der
Wirth ſollte ſeine Vorſchrift haben, was er geben und
nicht geben duͤrfte; der Tag zur Luſtbarkeit ſollte beſtimmt
und an demſelben immer die noͤthige Huͤlfe, um Unord-
nungen zu ſteuren, bey der Hand ſeyn. Auſſer dem be-
ſtimmten Tage, und einigen andern, die noch naͤher be-
ſtimmet werden koͤnnten, ſollte der Wirth gar keine Gaͤ-
ſte ſetzen duͤrfen. Die Spiele ſollten beſtimmt, und an-
gemeſſen ſeyn. Drey alte Maͤnner ſollten des Tages Rich-
ter ſeyn, und alles entſcheiden koͤnnen, was der Cere-
monienmeiſter anderwaͤrts entſcheiden kann. Wer ſich
denſelben widerſetzte, ſollte ſofort der in der Naͤhe ſte-
henden Amtshuͤlfe uͤbergeben; der betrunkene Mann durch
ſie gegen ein gewiſſes Botenlohn ſofort nach Hauſe ge-
bracht;
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/47>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.