Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Etwas zur Policey der Freuden zu bezwingenden heimlichen und öftern Genuß befördert,auch wohl selbst das Salz der Freude, was dem geplag- ten Menschen Reiz und Dauer zur Arbeit geben soll, völ- lig unschmackhaft macht. Jn gewissen Ländern und besonders am Rheine, läßt Jn andern Ländern hingegen, wo die Feyertage nach drückt *) Jn vielen westfälischen Dörfern giebt es noch güste Kindel-
biere. Das ist, Eheleute die keine Kinder haben, können einmal in ihrem Leben auch ein Kindelbier halten, damit sie sich wegen dessen, was sie andern geopfert haben, erholen können. Wahrlich eine gutherzige Erfindung. Güst wird von Kühen gebraucht, die nicht kalben. Etwas zur Policey der Freuden zu bezwingenden heimlichen und oͤftern Genuß befoͤrdert,auch wohl ſelbſt das Salz der Freude, was dem geplag- ten Menſchen Reiz und Dauer zur Arbeit geben ſoll, voͤl- lig unſchmackhaft macht. Jn gewiſſen Laͤndern und beſonders am Rheine, laͤßt Jn andern Laͤndern hingegen, wo die Feyertage nach druͤckt *) Jn vielen weſtfaͤliſchen Doͤrfern giebt es noch guͤſte Kindel-
biere. Das iſt, Eheleute die keine Kinder haben, koͤnnen einmal in ihrem Leben auch ein Kindelbier halten, damit ſie ſich wegen deſſen, was ſie andern geopfert haben, erholen koͤnnen. Wahrlich eine gutherzige Erfindung. Guͤſt wird von Kuͤhen gebraucht, die nicht kalben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Etwas zur Policey der Freuden</hi></fw><lb/> zu bezwingenden heimlichen und oͤftern Genuß befoͤrdert,<lb/> auch wohl ſelbſt das Salz der Freude, was dem geplag-<lb/> ten Menſchen Reiz und Dauer zur Arbeit geben ſoll, voͤl-<lb/> lig unſchmackhaft macht.</p><lb/> <p>Jn gewiſſen Laͤndern und beſonders am Rheine, laͤßt<lb/> der Pfarrer des Sonntags das Zeichen mit der Glocke<lb/> geben, wenn der Fideler in der Schenke auf die Tonne<lb/> ſteigen darf, und nun faͤngt alles an zu huͤpfen. Jn der<lb/> ganzen Woche aber findet man daſelbſt keinen Menſchen<lb/> in der Schenke. Jn Frankreich, wo das Tanzen am<lb/> Sonntag verboten iſt, ſieht man des Abends nach ver-<lb/> richteter Arbeit, haͤufige Taͤnze, und die Nation iſt nuͤch-<lb/> tern und fleißig. Jn Genf findet man die Handwerker<lb/> alle Abend, wenn es die Witterung erlaubt, eine Stun-<lb/> de auf oͤffentlichen Plaͤtzen, um ſich von der unermuͤde-<lb/> ten Anſtrengung des Tages zu erholen; und ſo iſt uͤberall,<lb/> wo die Geſetzgebung auf Erfahrungen gebauet wird,<lb/> Freude und Arbeit vermiſcht, und die eine dient der an-<lb/> dern mit maͤchtiger Hand.</p><lb/> <p>Jn andern Laͤndern hingegen, wo die Feyertage nach<lb/> einer gebieteriſchen Theorie abgeſchaft, die blauen Mon-<lb/> tage eingezogen, die Faſtnachtsluſtbarkeiten verboten,<lb/> die Leichen- und Kindelbiere <note place="foot" n="*)">Jn vielen weſtfaͤliſchen Doͤrfern giebt es noch <hi rendition="#g">guͤſte</hi> Kindel-<lb/> biere. Das iſt, Eheleute die keine Kinder haben, koͤnnen<lb/> einmal in ihrem Leben auch ein Kindelbier halten, damit ſie<lb/> ſich wegen deſſen, was ſie andern geopfert haben, erholen<lb/> koͤnnen. Wahrlich eine gutherzige Erfindung. <hi rendition="#g">Guͤſt</hi> wird<lb/> von Kuͤhen gebraucht, die nicht kalben.</note> zu genau eingeſchraͤnkt,<lb/> alle Zehrungen unterſagt, alle Kirmesfreuden durch den<lb/> nie ſchlafenden Fiſcal geſtoͤret, und uͤberhaupt alle Luſt-<lb/> barkeiten der Unterthanen ſo viel immer moͤglich unter-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">druͤckt</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0046]
Etwas zur Policey der Freuden
zu bezwingenden heimlichen und oͤftern Genuß befoͤrdert,
auch wohl ſelbſt das Salz der Freude, was dem geplag-
ten Menſchen Reiz und Dauer zur Arbeit geben ſoll, voͤl-
lig unſchmackhaft macht.
Jn gewiſſen Laͤndern und beſonders am Rheine, laͤßt
der Pfarrer des Sonntags das Zeichen mit der Glocke
geben, wenn der Fideler in der Schenke auf die Tonne
ſteigen darf, und nun faͤngt alles an zu huͤpfen. Jn der
ganzen Woche aber findet man daſelbſt keinen Menſchen
in der Schenke. Jn Frankreich, wo das Tanzen am
Sonntag verboten iſt, ſieht man des Abends nach ver-
richteter Arbeit, haͤufige Taͤnze, und die Nation iſt nuͤch-
tern und fleißig. Jn Genf findet man die Handwerker
alle Abend, wenn es die Witterung erlaubt, eine Stun-
de auf oͤffentlichen Plaͤtzen, um ſich von der unermuͤde-
ten Anſtrengung des Tages zu erholen; und ſo iſt uͤberall,
wo die Geſetzgebung auf Erfahrungen gebauet wird,
Freude und Arbeit vermiſcht, und die eine dient der an-
dern mit maͤchtiger Hand.
Jn andern Laͤndern hingegen, wo die Feyertage nach
einer gebieteriſchen Theorie abgeſchaft, die blauen Mon-
tage eingezogen, die Faſtnachtsluſtbarkeiten verboten,
die Leichen- und Kindelbiere *) zu genau eingeſchraͤnkt,
alle Zehrungen unterſagt, alle Kirmesfreuden durch den
nie ſchlafenden Fiſcal geſtoͤret, und uͤberhaupt alle Luſt-
barkeiten der Unterthanen ſo viel immer moͤglich unter-
druͤckt
*) Jn vielen weſtfaͤliſchen Doͤrfern giebt es noch guͤſte Kindel-
biere. Das iſt, Eheleute die keine Kinder haben, koͤnnen
einmal in ihrem Leben auch ein Kindelbier halten, damit ſie
ſich wegen deſſen, was ſie andern geopfert haben, erholen
koͤnnen. Wahrlich eine gutherzige Erfindung. Guͤſt wird
von Kuͤhen gebraucht, die nicht kalben.
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Zitationshilfe: | Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/46>, abgerufen am 27.07.2024. |