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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Osnabrückischen Zehnten.
g) die Deutschen bey allen Vorfällen gern Wein-
käufe, oder wie es in den Registern heißt, etwas ad vi-
nalia
wie solches aus den alten Reichs- und Landespoli-
cey-Ordnungen, die dagegen eyfern, genugsam hervor
geht; und es läßt sich daraus, daß die Zehntpflichtigen
alle acht oder zwölf Jahr einen Weinkauf bezahlen müs-
sen, um so viel weniger auf eine Zeitpacht schliessen, je
offenbarer es ist, daß solcher bey mehrern Erbpachten
bezahlet werden muß. Nicht zu gedenken, daß der Wein-
kauf auch nur ein Symbol des ersten Contrakts sey, und
als eine Assecuranz-Prämie für ausserordentliche Ausfälle
nicht unbillig bedungen werde.

Dieses sind die Gründe, liebster Freund, welche
mich bewegen, von ihrer Meinung abzugehen. Andre
und bessere werden Sie bey den angesehensten Rechtsge-
lehrten finden, indem ich nur diejenigen angeführet habe,
welche von ihnen insgemein übergangen werden. Wäre
die Regel pro decima naturali: so würde man im Auf-
steigen von jüngern Pachtbriefen zu den ältern, immer
deutlichere Spuren von Zugzehnten finden. Da sie aber
erwiesener maaßen, pro redemtione universali steht: so
verhält es sich gerade umgekehrt; und das gemeine Be-
ste leidet es nicht, daß zu einer Zeit, wo das Landeigen-
thum zu allen öffentlichen Bedürfnissen auf andre Weise
steuren muß, dieses unter dem Vorwand einer alten
Steuer, besonders wenn diese sich in Privathänden fin-
det, noch mehr erschöpfet werde. Es verhält sich damit
wie mit alten Dienstgeldern, Herbst- und Maybeeden,
und andern gutsherrlichen Gefällen, die so lange sie ei-
nen Theil der öffentlichen Besoldung, der für das Va-
terland oder für dessen Herrn streitenden Lehn- und Dienst-
leute ausmachten, wachsen und steigen konnten, nun-

mehro
Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten.
g) die Deutſchen bey allen Vorfaͤllen gern Wein-
kaͤufe, oder wie es in den Regiſtern heißt, etwas ad vi-
nalia
wie ſolches aus den alten Reichs- und Landespoli-
cey-Ordnungen, die dagegen eyfern, genugſam hervor
geht; und es laͤßt ſich daraus, daß die Zehntpflichtigen
alle acht oder zwoͤlf Jahr einen Weinkauf bezahlen muͤſ-
ſen, um ſo viel weniger auf eine Zeitpacht ſchlieſſen, je
offenbarer es iſt, daß ſolcher bey mehrern Erbpachten
bezahlet werden muß. Nicht zu gedenken, daß der Wein-
kauf auch nur ein Symbol des erſten Contrakts ſey, und
als eine Aſſecuranz-Praͤmie fuͤr auſſerordentliche Ausfaͤlle
nicht unbillig bedungen werde.

Dieſes ſind die Gruͤnde, liebſter Freund, welche
mich bewegen, von ihrer Meinung abzugehen. Andre
und beſſere werden Sie bey den angeſehenſten Rechtsge-
lehrten finden, indem ich nur diejenigen angefuͤhret habe,
welche von ihnen insgemein uͤbergangen werden. Waͤre
die Regel pro decima naturali: ſo wuͤrde man im Auf-
ſteigen von juͤngern Pachtbriefen zu den aͤltern, immer
deutlichere Spuren von Zugzehnten finden. Da ſie aber
erwieſener maaßen, pro redemtione univerſali ſteht: ſo
verhaͤlt es ſich gerade umgekehrt; und das gemeine Be-
ſte leidet es nicht, daß zu einer Zeit, wo das Landeigen-
thum zu allen oͤffentlichen Beduͤrfniſſen auf andre Weiſe
ſteuren muß, dieſes unter dem Vorwand einer alten
Steuer, beſonders wenn dieſe ſich in Privathaͤnden fin-
det, noch mehr erſchoͤpfet werde. Es verhaͤlt ſich damit
wie mit alten Dienſtgeldern, Herbſt- und Maybeeden,
und andern gutsherrlichen Gefaͤllen, die ſo lange ſie ei-
nen Theil der oͤffentlichen Beſoldung, der fuͤr das Va-
terland oder fuͤr deſſen Herrn ſtreitenden Lehn- und Dienſt-
leute ausmachten, wachſen und ſteigen konnten, nun-

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[375/0387] Ueber die Oſnabruͤckiſchen Zehnten. g) die Deutſchen bey allen Vorfaͤllen gern Wein- kaͤufe, oder wie es in den Regiſtern heißt, etwas ad vi- nalia wie ſolches aus den alten Reichs- und Landespoli- cey-Ordnungen, die dagegen eyfern, genugſam hervor geht; und es laͤßt ſich daraus, daß die Zehntpflichtigen alle acht oder zwoͤlf Jahr einen Weinkauf bezahlen muͤſ- ſen, um ſo viel weniger auf eine Zeitpacht ſchlieſſen, je offenbarer es iſt, daß ſolcher bey mehrern Erbpachten bezahlet werden muß. Nicht zu gedenken, daß der Wein- kauf auch nur ein Symbol des erſten Contrakts ſey, und als eine Aſſecuranz-Praͤmie fuͤr auſſerordentliche Ausfaͤlle nicht unbillig bedungen werde. Dieſes ſind die Gruͤnde, liebſter Freund, welche mich bewegen, von ihrer Meinung abzugehen. Andre und beſſere werden Sie bey den angeſehenſten Rechtsge- lehrten finden, indem ich nur diejenigen angefuͤhret habe, welche von ihnen insgemein uͤbergangen werden. Waͤre die Regel pro decima naturali: ſo wuͤrde man im Auf- ſteigen von juͤngern Pachtbriefen zu den aͤltern, immer deutlichere Spuren von Zugzehnten finden. Da ſie aber erwieſener maaßen, pro redemtione univerſali ſteht: ſo verhaͤlt es ſich gerade umgekehrt; und das gemeine Be- ſte leidet es nicht, daß zu einer Zeit, wo das Landeigen- thum zu allen oͤffentlichen Beduͤrfniſſen auf andre Weiſe ſteuren muß, dieſes unter dem Vorwand einer alten Steuer, beſonders wenn dieſe ſich in Privathaͤnden fin- det, noch mehr erſchoͤpfet werde. Es verhaͤlt ſich damit wie mit alten Dienſtgeldern, Herbſt- und Maybeeden, und andern gutsherrlichen Gefaͤllen, die ſo lange ſie ei- nen Theil der oͤffentlichen Beſoldung, der fuͤr das Va- terland oder fuͤr deſſen Herrn ſtreitenden Lehn- und Dienſt- leute ausmachten, wachſen und ſteigen konnten, nun- mehro

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/387>, abgerufen am 24.11.2024.