Cäsar tournirte, ihm damit die Zufuhr abschnitt, darauf ein Haupttreffen vermied, sodann die Römer, denen er in der Zahl leichter Truppen überlegen war, mit Schar- mützeln aufzureiben suchte, in der Schlacht selbst ihnen durch eine der schnellesten Wendungen ihre ganze Artil- lerie unbrauchbar machte, und ihren linken Flügel beym ersten Angrif über den Haufen warf.
Dieses alles setzt eine Erziehung von ganz andrer Art voraus, als man sich insgemein von Barbaren ein- bildet; und man kann dreist annehmen, daß es nicht blos wilde Tapferkeit, sondern eine wahre eigne, durch die Erziehung gebildete Kriegeskunst gewesen, welche die deutsche Nation den Römern erst fürchterlich, her- nach ehrwürdig und zuletzt werth gemacht hat. Die Römer sprechen von allen Nationen ausser der deutschen mit Geringschätzung.
Nur muß man, wie bisher zu wenig geschehen, die Erziehung im Gefolge, von der gemeinen Erziehung, oder den gezogenen Soldaten von dem Bauern unter- scheiden. Jene Erziehung war blos im Gefolge, das heißt in der damaligen regulairen Militz; doch nehme ich die Sueven aus, als bey welchen auch der Bauer enregimentirt, und in seiner Maaße geübt war. Von diesen sagten die übrigen deutschen Völker *), daß ihnen auch die Götter selbst nicht widerstehen könnten; so stark, so einzig war ihre kriegerische Verfassung. Und wahr- lich eine Verfassung, zu deren Begründung man das Landeigenthum aufgehoben hatte, mußte von ganz be- sondrer Art seyn **).
IV.
*)Caes. de B. G. L. VI.
**)Caes. de B. G. VI. 7.
Von der Nationalerziehung ꝛc.
Caͤſar tournirte, ihm damit die Zufuhr abſchnitt, darauf ein Haupttreffen vermied, ſodann die Roͤmer, denen er in der Zahl leichter Truppen uͤberlegen war, mit Schar- muͤtzeln aufzureiben ſuchte, in der Schlacht ſelbſt ihnen durch eine der ſchnelleſten Wendungen ihre ganze Artil- lerie unbrauchbar machte, und ihren linken Fluͤgel beym erſten Angrif uͤber den Haufen warf.
Dieſes alles ſetzt eine Erziehung von ganz andrer Art voraus, als man ſich insgemein von Barbaren ein- bildet; und man kann dreiſt annehmen, daß es nicht blos wilde Tapferkeit, ſondern eine wahre eigne, durch die Erziehung gebildete Kriegeskunſt geweſen, welche die deutſche Nation den Roͤmern erſt fuͤrchterlich, her- nach ehrwuͤrdig und zuletzt werth gemacht hat. Die Roͤmer ſprechen von allen Nationen auſſer der deutſchen mit Geringſchaͤtzung.
Nur muß man, wie bisher zu wenig geſchehen, die Erziehung im Gefolge, von der gemeinen Erziehung, oder den gezogenen Soldaten von dem Bauern unter- ſcheiden. Jene Erziehung war blos im Gefolge, das heißt in der damaligen regulairen Militz; doch nehme ich die Sueven aus, als bey welchen auch der Bauer enregimentirt, und in ſeiner Maaße geuͤbt war. Von dieſen ſagten die uͤbrigen deutſchen Voͤlker *), daß ihnen auch die Goͤtter ſelbſt nicht widerſtehen koͤnnten; ſo ſtark, ſo einzig war ihre kriegeriſche Verfaſſung. Und wahr- lich eine Verfaſſung, zu deren Begruͤndung man das Landeigenthum aufgehoben hatte, mußte von ganz be- ſondrer Art ſeyn **).
IV.
*)Caeſ. de B. G. L. VI.
**)Caeſ. de B. G. VI. 7.
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[18/0030]
Von der Nationalerziehung ꝛc.
Caͤſar tournirte, ihm damit die Zufuhr abſchnitt, darauf
ein Haupttreffen vermied, ſodann die Roͤmer, denen er
in der Zahl leichter Truppen uͤberlegen war, mit Schar-
muͤtzeln aufzureiben ſuchte, in der Schlacht ſelbſt ihnen
durch eine der ſchnelleſten Wendungen ihre ganze Artil-
lerie unbrauchbar machte, und ihren linken Fluͤgel beym
erſten Angrif uͤber den Haufen warf.
Dieſes alles ſetzt eine Erziehung von ganz andrer
Art voraus, als man ſich insgemein von Barbaren ein-
bildet; und man kann dreiſt annehmen, daß es nicht
blos wilde Tapferkeit, ſondern eine wahre eigne, durch
die Erziehung gebildete Kriegeskunſt geweſen, welche
die deutſche Nation den Roͤmern erſt fuͤrchterlich, her-
nach ehrwuͤrdig und zuletzt werth gemacht hat. Die
Roͤmer ſprechen von allen Nationen auſſer der deutſchen
mit Geringſchaͤtzung.
Nur muß man, wie bisher zu wenig geſchehen,
die Erziehung im Gefolge, von der gemeinen Erziehung,
oder den gezogenen Soldaten von dem Bauern unter-
ſcheiden. Jene Erziehung war blos im Gefolge, das
heißt in der damaligen regulairen Militz; doch nehme
ich die Sueven aus, als bey welchen auch der Bauer
enregimentirt, und in ſeiner Maaße geuͤbt war. Von
dieſen ſagten die uͤbrigen deutſchen Voͤlker *), daß ihnen
auch die Goͤtter ſelbſt nicht widerſtehen koͤnnten; ſo ſtark,
ſo einzig war ihre kriegeriſche Verfaſſung. Und wahr-
lich eine Verfaſſung, zu deren Begruͤndung man das
Landeigenthum aufgehoben hatte, mußte von ganz be-
ſondrer Art ſeyn **).
IV.
*) Caeſ. de B. G. L. VI.
**) Caeſ. de B. G. VI. 7.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/30>, abgerufen am 16.07.2024.
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