gebohrnen, die sich des Adels enthalten müssen, nicht. Jenes ist eine Vermehrung der Würden, dieses aber eine Vermehrung der Würdefähiger, und keiner hat es noch behauptet, daß es Schade für den Staat sey, viele solche würdige Leute zu haben.
LVI. Von dem Concursprocesse über das Landeigenthum.
Unsre Vorfahren hatten die Vertheidigung des Staats auf das Landeigenthum gegründet, und sahen die- ses gewissermaßen, als den einzigen öffentlichen Fond der bürgerlichen Gesellschaft an, wovon jeder Unterthan sei- nen Antheil zu getreuen Händen hielte. Keinem war es erlaubt solchen nach Willkühr mit Schulden, Diensten oder Pächten zu erschöpfen, sondern wo die Noth den einen oder andern hiezu nöthigte, mußte solches mit Vor- wissen und Einwilligung desjenigen geschehen, der die Oberaufsicht über jenen öffentlichen Fond hatte. Dieses war damals der Graf oder Richter, (solus comes de pro- prietate judicat.) und so galt keine Hypothek oder andre Beschwerde, welche auf dem Boden haften sollte, als wenn sie vom Richter bestätiget war. Die Gerichtsbar- keit über den Boden war nur eine, und der Stand sei- nes Besitzers veränderte die Natur desselben so wenig als er die Lage verändern konnte. Man wußte vor dem 14 Jahrhundert von keinen unterschiedenen Gerichtszwängen der Güter, so mannichfaltig und verschieden auch die Ge richtsbarkeiten für die Personen waren. Nur dasjenige
Stück
Von dem Concursproceſſe
gebohrnen, die ſich des Adels enthalten muͤſſen, nicht. Jenes iſt eine Vermehrung der Wuͤrden, dieſes aber eine Vermehrung der Wuͤrdefaͤhiger, und keiner hat es noch behauptet, daß es Schade fuͤr den Staat ſey, viele ſolche wuͤrdige Leute zu haben.
LVI. Von dem Concursproceſſe uͤber das Landeigenthum.
Unſre Vorfahren hatten die Vertheidigung des Staats auf das Landeigenthum gegruͤndet, und ſahen die- ſes gewiſſermaßen, als den einzigen oͤffentlichen Fond der buͤrgerlichen Geſellſchaft an, wovon jeder Unterthan ſei- nen Antheil zu getreuen Haͤnden hielte. Keinem war es erlaubt ſolchen nach Willkuͤhr mit Schulden, Dienſten oder Paͤchten zu erſchoͤpfen, ſondern wo die Noth den einen oder andern hiezu noͤthigte, mußte ſolches mit Vor- wiſſen und Einwilligung desjenigen geſchehen, der die Oberaufſicht uͤber jenen oͤffentlichen Fond hatte. Dieſes war damals der Graf oder Richter, (ſolus comes de pro- prietate judicat.) und ſo galt keine Hypothek oder andre Beſchwerde, welche auf dem Boden haften ſollte, als wenn ſie vom Richter beſtaͤtiget war. Die Gerichtsbar- keit uͤber den Boden war nur eine, und der Stand ſei- nes Beſitzers veraͤnderte die Natur deſſelben ſo wenig als er die Lage veraͤndern konnte. Man wußte vor dem 14 Jahrhundert von keinen unterſchiedenen Gerichtszwaͤngen der Guͤter, ſo mannichfaltig und verſchieden auch die Ge richtsbarkeiten fuͤr die Perſonen waren. Nur dasjenige
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Von dem Concursproceſſe
gebohrnen, die ſich des Adels enthalten muͤſſen, nicht.
Jenes iſt eine Vermehrung der Wuͤrden, dieſes aber eine
Vermehrung der Wuͤrdefaͤhiger, und keiner hat es noch
behauptet, daß es Schade fuͤr den Staat ſey, viele ſolche
wuͤrdige Leute zu haben.
LVI.
Von dem Concursproceſſe uͤber das
Landeigenthum.
Unſre Vorfahren hatten die Vertheidigung des Staats
auf das Landeigenthum gegruͤndet, und ſahen die-
ſes gewiſſermaßen, als den einzigen oͤffentlichen Fond der
buͤrgerlichen Geſellſchaft an, wovon jeder Unterthan ſei-
nen Antheil zu getreuen Haͤnden hielte. Keinem war es
erlaubt ſolchen nach Willkuͤhr mit Schulden, Dienſten
oder Paͤchten zu erſchoͤpfen, ſondern wo die Noth den
einen oder andern hiezu noͤthigte, mußte ſolches mit Vor-
wiſſen und Einwilligung desjenigen geſchehen, der die
Oberaufſicht uͤber jenen oͤffentlichen Fond hatte. Dieſes
war damals der Graf oder Richter, (ſolus comes de pro-
prietate judicat.) und ſo galt keine Hypothek oder andre
Beſchwerde, welche auf dem Boden haften ſollte, als
wenn ſie vom Richter beſtaͤtiget war. Die Gerichtsbar-
keit uͤber den Boden war nur eine, und der Stand ſei-
nes Beſitzers veraͤnderte die Natur deſſelben ſo wenig als
er die Lage veraͤndern konnte. Man wußte vor dem 14
Jahrhundert von keinen unterſchiedenen Gerichtszwaͤngen
der Guͤter, ſo mannichfaltig und verſchieden auch die Ge
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/270>, abgerufen am 22.02.2025.
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