wird man fast alle Bedienungen, die jetzt bürgerlich heis- sen, mit Söhnen des Adels besetzt finden. Mir sind viele Fälle vorgekommen, daß der jüngere Bruder des ältern Hauscapellan geworden, und es ist im funfzehnten Jahr- hundert nichts gewöhnlicher als edelgebohrne Pastoren und Vicarien, Gowgrafen und Gerichtsschreiber Jede Familie wird davon mehr als eine Collation und Bestal- lung aufzuweisen haben. Hieraus sieht man schon, daß man nicht zu allen Zeiten gleich gedacht, und nicht im- mer die Ehre eine Fahne zu tragen, der Ehre aufs Filial zu reiten vorgezogen habe.
Man wird weiter aus den vielen Reichsschlüssen, die gegen die Pfalbürger gemacht sind, schließen, daß zu der Zeit, als die Bürgerschaft einem noch etwas von der Freyheit raubte, viele Edelgebohrne Leute sich, ohne Vürgerschaft zu nehmen, zwischen den Pfälen einer Stadt aufgehalten, und wenn sie gleich kein bürgerliches Ge- werbe getrieben, dennoch die Macht der Städte auf an- dre Art vermehret, und diese zu einer solchen Höhe ge- bracht haben, daß man, um die Pfalbürger wieder aus den Mauren zu ziehen, von Reichswegen hat verordnen müssen, keinen binnen den Pfälen wohnen zu lassen, der sich nicht zur Bürgerschaft bequemte. Auch hier müssen dergleichen Gentlemens in Städten oder Pfalbürger Gele- genheit gefunden haben, sich ohne Kronbedienungen und Kronwürden oder ohne Landbedienungen und Landwür- den zu erhalten. Einige traten vielleicht ohne Bürger- schaft zu nehmen, in Stadtdienste, andre aber mochten doch ihre Speculation machen, wie unsre Kaufleute zu reden pflegen; genug sie wohnten ihrer Geburt unbe- schadet zwischen den Mauren, und durften nur nicht Bür- ger werden, weil diese noch mehrentheils unter ihren
Vögten
nicht nach dem engliſchen?
wird man faſt alle Bedienungen, die jetzt buͤrgerlich heiſ- ſen, mit Soͤhnen des Adels beſetzt finden. Mir ſind viele Faͤlle vorgekommen, daß der juͤngere Bruder des aͤltern Hauscapellan geworden, und es iſt im funfzehnten Jahr- hundert nichts gewoͤhnlicher als edelgebohrne Paſtoren und Vicarien, Gowgrafen und Gerichtsſchreiber Jede Familie wird davon mehr als eine Collation und Beſtal- lung aufzuweiſen haben. Hieraus ſieht man ſchon, daß man nicht zu allen Zeiten gleich gedacht, und nicht im- mer die Ehre eine Fahne zu tragen, der Ehre aufs Filial zu reiten vorgezogen habe.
Man wird weiter aus den vielen Reichsſchluͤſſen, die gegen die Pfalbuͤrger gemacht ſind, ſchließen, daß zu der Zeit, als die Buͤrgerſchaft einem noch etwas von der Freyheit raubte, viele Edelgebohrne Leute ſich, ohne Vuͤrgerſchaft zu nehmen, zwiſchen den Pfaͤlen einer Stadt aufgehalten, und wenn ſie gleich kein buͤrgerliches Ge- werbe getrieben, dennoch die Macht der Staͤdte auf an- dre Art vermehret, und dieſe zu einer ſolchen Hoͤhe ge- bracht haben, daß man, um die Pfalbuͤrger wieder aus den Mauren zu ziehen, von Reichswegen hat verordnen muͤſſen, keinen binnen den Pfaͤlen wohnen zu laſſen, der ſich nicht zur Buͤrgerſchaft bequemte. Auch hier muͤſſen dergleichen Gentlemens in Staͤdten oder Pfalbuͤrger Gele- genheit gefunden haben, ſich ohne Kronbedienungen und Kronwuͤrden oder ohne Landbedienungen und Landwuͤr- den zu erhalten. Einige traten vielleicht ohne Buͤrger- ſchaft zu nehmen, in Stadtdienſte, andre aber mochten doch ihre Speculation machen, wie unſre Kaufleute zu reden pflegen; genug ſie wohnten ihrer Geburt unbe- ſchadet zwiſchen den Mauren, und durften nur nicht Buͤr- ger werden, weil dieſe noch mehrentheils unter ihren
Voͤgten
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nicht nach dem engliſchen?
wird man faſt alle Bedienungen, die jetzt buͤrgerlich heiſ-
ſen, mit Soͤhnen des Adels beſetzt finden. Mir ſind viele
Faͤlle vorgekommen, daß der juͤngere Bruder des aͤltern
Hauscapellan geworden, und es iſt im funfzehnten Jahr-
hundert nichts gewoͤhnlicher als edelgebohrne Paſtoren
und Vicarien, Gowgrafen und Gerichtsſchreiber Jede
Familie wird davon mehr als eine Collation und Beſtal-
lung aufzuweiſen haben. Hieraus ſieht man ſchon, daß
man nicht zu allen Zeiten gleich gedacht, und nicht im-
mer die Ehre eine Fahne zu tragen, der Ehre aufs Filial
zu reiten vorgezogen habe.
Man wird weiter aus den vielen Reichsſchluͤſſen,
die gegen die Pfalbuͤrger gemacht ſind, ſchließen, daß zu
der Zeit, als die Buͤrgerſchaft einem noch etwas von der
Freyheit raubte, viele Edelgebohrne Leute ſich, ohne
Vuͤrgerſchaft zu nehmen, zwiſchen den Pfaͤlen einer Stadt
aufgehalten, und wenn ſie gleich kein buͤrgerliches Ge-
werbe getrieben, dennoch die Macht der Staͤdte auf an-
dre Art vermehret, und dieſe zu einer ſolchen Hoͤhe ge-
bracht haben, daß man, um die Pfalbuͤrger wieder aus
den Mauren zu ziehen, von Reichswegen hat verordnen
muͤſſen, keinen binnen den Pfaͤlen wohnen zu laſſen, der
ſich nicht zur Buͤrgerſchaft bequemte. Auch hier muͤſſen
dergleichen Gentlemens in Staͤdten oder Pfalbuͤrger Gele-
genheit gefunden haben, ſich ohne Kronbedienungen und
Kronwuͤrden oder ohne Landbedienungen und Landwuͤr-
den zu erhalten. Einige traten vielleicht ohne Buͤrger-
ſchaft zu nehmen, in Stadtdienſte, andre aber mochten
doch ihre Speculation machen, wie unſre Kaufleute zu
reden pflegen; genug ſie wohnten ihrer Geburt unbe-
ſchadet zwiſchen den Mauren, und durften nur nicht Buͤr-
ger werden, weil dieſe noch mehrentheils unter ihren
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/267>, abgerufen am 19.07.2024.
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