b) Die Edelgebohrnen aber mögen es unbeschadet ih- rer Adelsfähigkeit thun.
Und so wären wir gerade auf dem Wege, welchen die Engländer zur Heerstraße gemacht haben. Die Adelsfähigkeit verliert man dort dadurch nicht, daß man sein Brod auf jede einem ehrlichen Manne an- ständige Art zu erwerben sucht; der eine schlägt diesen, der andre jenen Weg ein, und es ist gar nichts ausser- ordentliches, daß der älteste Bruder im Oberhause, der andre im Unterhause und der dritte auf der Börse sitzt. Wer in keiner würklichen Kronwürde stehet, ist aller Vor- rechte des Adels beraubt, er gilt nicht mehr als ein an- drer, und man ehret ihn blos als einen Mann, der ent- weder nach Erbgangsrecht oder durch Königl. Ernennung zu einer Kronwürde gelangen kann.
Wie wollen aber die Edelgebohrnen, wenn sie Hand- lung und Gewerbe treiben, und sich solchemnach mit aller- hand Arten von Menschen vermischen, die Rechte ihrer Geburt erhalten? Woran will man nach langen Jahren, wenn sich keiner mehr ihrer Vorfahren erinnert, und je- der an ihren Vätern und Großvätern nichts mehr als an andern gemeinen Leuten erblickt hat, ihre Adelsfähigkeit erkennen. Und wo soll endlich die Gränze seyn, welche ein Edelgebohrner ohne Nachtheil seiner Ehre nicht über- schreiten darf, oder soll er sich ohne Unterschied mit allen Klassen der Menschen vermischen dürfen? Gesetzt die Stuffen der Menschheit stünden also:
a) Rittereigen,
b) Hörige nach Hausgenossenrechte,
c) Freye Hausgenossen,
d) Freye unter Amtsschutze,
e) Freye unter Bürgerschutze,
f) Freye Canzleysäßige.
Kann
Warum bildet ſich der deutſche Adel
b) Die Edelgebohrnen aber moͤgen es unbeſchadet ih- rer Adelsfaͤhigkeit thun.
Und ſo waͤren wir gerade auf dem Wege, welchen die Englaͤnder zur Heerſtraße gemacht haben. Die Adelsfaͤhigkeit verliert man dort dadurch nicht, daß man ſein Brod auf jede einem ehrlichen Manne an- ſtaͤndige Art zu erwerben ſucht; der eine ſchlaͤgt dieſen, der andre jenen Weg ein, und es iſt gar nichts auſſer- ordentliches, daß der aͤlteſte Bruder im Oberhauſe, der andre im Unterhauſe und der dritte auf der Boͤrſe ſitzt. Wer in keiner wuͤrklichen Kronwuͤrde ſtehet, iſt aller Vor- rechte des Adels beraubt, er gilt nicht mehr als ein an- drer, und man ehret ihn blos als einen Mann, der ent- weder nach Erbgangsrecht oder durch Koͤnigl. Ernennung zu einer Kronwuͤrde gelangen kann.
Wie wollen aber die Edelgebohrnen, wenn ſie Hand- lung und Gewerbe treiben, und ſich ſolchemnach mit aller- hand Arten von Menſchen vermiſchen, die Rechte ihrer Geburt erhalten? Woran will man nach langen Jahren, wenn ſich keiner mehr ihrer Vorfahren erinnert, und je- der an ihren Vaͤtern und Großvaͤtern nichts mehr als an andern gemeinen Leuten erblickt hat, ihre Adelsfaͤhigkeit erkennen. Und wo ſoll endlich die Graͤnze ſeyn, welche ein Edelgebohrner ohne Nachtheil ſeiner Ehre nicht uͤber- ſchreiten darf, oder ſoll er ſich ohne Unterſchied mit allen Klaſſen der Menſchen vermiſchen duͤrfen? Geſetzt die Stuffen der Menſchheit ſtuͤnden alſo:
a) Rittereigen,
b) Hoͤrige nach Hausgenoſſenrechte,
c) Freye Hausgenoſſen,
d) Freye unter Amtsſchutze,
e) Freye unter Buͤrgerſchutze,
f) Freye Canzleyſaͤßige.
Kann
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Warum bildet ſich der deutſche Adel
b) Die Edelgebohrnen aber moͤgen es unbeſchadet ih-
rer Adelsfaͤhigkeit thun.
Und ſo waͤren wir gerade auf dem Wege, welchen die
Englaͤnder zur Heerſtraße gemacht haben.
Die Adelsfaͤhigkeit verliert man dort dadurch nicht,
daß man ſein Brod auf jede einem ehrlichen Manne an-
ſtaͤndige Art zu erwerben ſucht; der eine ſchlaͤgt dieſen,
der andre jenen Weg ein, und es iſt gar nichts auſſer-
ordentliches, daß der aͤlteſte Bruder im Oberhauſe, der
andre im Unterhauſe und der dritte auf der Boͤrſe ſitzt.
Wer in keiner wuͤrklichen Kronwuͤrde ſtehet, iſt aller Vor-
rechte des Adels beraubt, er gilt nicht mehr als ein an-
drer, und man ehret ihn blos als einen Mann, der ent-
weder nach Erbgangsrecht oder durch Koͤnigl. Ernennung
zu einer Kronwuͤrde gelangen kann.
Wie wollen aber die Edelgebohrnen, wenn ſie Hand-
lung und Gewerbe treiben, und ſich ſolchemnach mit aller-
hand Arten von Menſchen vermiſchen, die Rechte ihrer
Geburt erhalten? Woran will man nach langen Jahren,
wenn ſich keiner mehr ihrer Vorfahren erinnert, und je-
der an ihren Vaͤtern und Großvaͤtern nichts mehr als an
andern gemeinen Leuten erblickt hat, ihre Adelsfaͤhigkeit
erkennen. Und wo ſoll endlich die Graͤnze ſeyn, welche
ein Edelgebohrner ohne Nachtheil ſeiner Ehre nicht uͤber-
ſchreiten darf, oder ſoll er ſich ohne Unterſchied mit allen
Klaſſen der Menſchen vermiſchen duͤrfen? Geſetzt die
Stuffen der Menſchheit ſtuͤnden alſo:
a) Rittereigen,
b) Hoͤrige nach Hausgenoſſenrechte,
c) Freye Hausgenoſſen,
d) Freye unter Amtsſchutze,
e) Freye unter Buͤrgerſchutze,
f) Freye Canzleyſaͤßige.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/264>, abgerufen am 16.02.2025.
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