Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Warum bildet sich der deutsche Adel
tung gesichert werden, ehe man die vorgelegte Frage
beantworten kann?

Allein was hindert uns dieses zu thun? Was hin-
dert uns mittelst eines allgemeinen Reichsschlusses festzu-
setzen, daß blos diejenigen adlich gebohrnen oder adlich
gemachten zum Adel gehören sollen, welche ein Herzog-
thum, eine Grafschaft, eine Freyherrlichkeit oder eine
andre Reichswürde bekleiden? Der jetzige Landsäßige Adel
ist durch die ältesten Reichsschlüsse, worin die Dienstleute
der Fürsten den Reichsdienstleuten gleich gesetzet sind,
vollkommen gedeckt; jedes Landtagsfähige Gut ist in
diesem Betracht Reichsherrlichkeit, und giebt damit sei-
nem Edelgebohrnen Herrn die Reichswürde. Eben das
gilt von allen mit adlichen Freyheiten verknüpften Bedie-
nungen im Reiche und im Lande; wer solche besitzt, steht
in einer würklichen Reichswürde; und der ältere Haupt-
mann eines Fürsten geht dem jüngern Hauptmann des
Kaysers vor. Wo ein adlich gebohrner in einer bestimm-
ten geistlichen Würde steht, da wird er zum würklichen
Adel gerechnet; und wenn einer ein Majorat oder Fidei-
commis stiftet, was vom Kayser oder dem Landesherrn
zu einem Reichs- oder Landtagsfähigen Herrlichkeit er-
hoben wird, da entsteht ein neues Reichsamt, was sei-
nem adlich gebohrnen oder adlich gemachten Besitzer, den
würklichen Adel giebt; den edelgebohrnen Töchtern geben
sowohl die Würden ihrer Männer, als die Präbenden in
adlichen Stiftern den Adel. Und sonach können die
Schwürigkeiten so groß nicht seyn, um in Deutschland
wie in England, jenen Unterschied deutlich festzusetzen,
und die adlich gebohrnen Söhne und Töchter nur in so
fern zum Adel zu rechnen, als sie auf vorbeschriebene Art
gewürdiget sind, den übrigen aber bis dahin sie auch

durch

Warum bildet ſich der deutſche Adel
tung geſichert werden, ehe man die vorgelegte Frage
beantworten kann?

Allein was hindert uns dieſes zu thun? Was hin-
dert uns mittelſt eines allgemeinen Reichsſchluſſes feſtzu-
ſetzen, daß blos diejenigen adlich gebohrnen oder adlich
gemachten zum Adel gehoͤren ſollen, welche ein Herzog-
thum, eine Grafſchaft, eine Freyherrlichkeit oder eine
andre Reichswuͤrde bekleiden? Der jetzige Landſaͤßige Adel
iſt durch die aͤlteſten Reichsſchluͤſſe, worin die Dienſtleute
der Fuͤrſten den Reichsdienſtleuten gleich geſetzet ſind,
vollkommen gedeckt; jedes Landtagsfaͤhige Gut iſt in
dieſem Betracht Reichsherrlichkeit, und giebt damit ſei-
nem Edelgebohrnen Herrn die Reichswuͤrde. Eben das
gilt von allen mit adlichen Freyheiten verknuͤpften Bedie-
nungen im Reiche und im Lande; wer ſolche beſitzt, ſteht
in einer wuͤrklichen Reichswuͤrde; und der aͤltere Haupt-
mann eines Fuͤrſten geht dem juͤngern Hauptmann des
Kayſers vor. Wo ein adlich gebohrner in einer beſtimm-
ten geiſtlichen Wuͤrde ſteht, da wird er zum wuͤrklichen
Adel gerechnet; und wenn einer ein Majorat oder Fidei-
commis ſtiftet, was vom Kayſer oder dem Landesherrn
zu einem Reichs- oder Landtagsfaͤhigen Herrlichkeit er-
hoben wird, da entſteht ein neues Reichsamt, was ſei-
nem adlich gebohrnen oder adlich gemachten Beſitzer, den
wuͤrklichen Adel giebt; den edelgebohrnen Toͤchtern geben
ſowohl die Wuͤrden ihrer Maͤnner, als die Praͤbenden in
adlichen Stiftern den Adel. Und ſonach koͤnnen die
Schwuͤrigkeiten ſo groß nicht ſeyn, um in Deutſchland
wie in England, jenen Unterſchied deutlich feſtzuſetzen,
und die adlich gebohrnen Soͤhne und Toͤchter nur in ſo
fern zum Adel zu rechnen, als ſie auf vorbeſchriebene Art
gewuͤrdiget ſind, den uͤbrigen aber bis dahin ſie auch

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Warum bildet &#x017F;ich der deut&#x017F;che Adel</hi></fw><lb/>
tung ge&#x017F;ichert werden, ehe man die vorgelegte Frage<lb/>
beantworten kann?</p><lb/>
          <p>Allein was hindert uns die&#x017F;es zu thun? Was hin-<lb/>
dert uns mittel&#x017F;t eines allgemeinen Reichs&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es fe&#x017F;tzu-<lb/>
&#x017F;etzen, daß blos diejenigen adlich gebohrnen oder adlich<lb/>
gemachten zum Adel geho&#x0364;ren &#x017F;ollen, welche ein Herzog-<lb/>
thum, eine Graf&#x017F;chaft, eine Freyherrlichkeit oder eine<lb/>
andre Reichswu&#x0364;rde bekleiden? Der jetzige Land&#x017F;a&#x0364;ßige Adel<lb/>
i&#x017F;t durch die a&#x0364;lte&#x017F;ten Reichs&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, worin die Dien&#x017F;tleute<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;ten den Reichsdien&#x017F;tleuten gleich ge&#x017F;etzet &#x017F;ind,<lb/>
vollkommen gedeckt; jedes Landtagsfa&#x0364;hige Gut i&#x017F;t in<lb/>
die&#x017F;em Betracht Reichsherrlichkeit, und giebt damit &#x017F;ei-<lb/>
nem Edelgebohrnen Herrn die Reichswu&#x0364;rde. Eben das<lb/>
gilt von allen mit adlichen Freyheiten verknu&#x0364;pften Bedie-<lb/>
nungen im Reiche und im Lande; wer &#x017F;olche be&#x017F;itzt, &#x017F;teht<lb/>
in einer wu&#x0364;rklichen Reichswu&#x0364;rde; und der a&#x0364;ltere Haupt-<lb/>
mann eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten geht dem ju&#x0364;ngern Hauptmann des<lb/>
Kay&#x017F;ers vor. Wo ein adlich gebohrner in einer be&#x017F;timm-<lb/>
ten gei&#x017F;tlichen Wu&#x0364;rde &#x017F;teht, da wird er zum wu&#x0364;rklichen<lb/>
Adel gerechnet; und wenn einer ein Majorat oder Fidei-<lb/>
commis &#x017F;tiftet, was vom Kay&#x017F;er oder dem Landesherrn<lb/>
zu einem Reichs- oder Landtagsfa&#x0364;higen Herrlichkeit er-<lb/>
hoben wird, da ent&#x017F;teht ein neues Reichsamt, was &#x017F;ei-<lb/>
nem adlich gebohrnen oder adlich gemachten Be&#x017F;itzer, den<lb/>
wu&#x0364;rklichen Adel giebt; den edelgebohrnen To&#x0364;chtern geben<lb/>
&#x017F;owohl die Wu&#x0364;rden ihrer Ma&#x0364;nner, als die Pra&#x0364;benden in<lb/>
adlichen Stiftern den Adel. Und &#x017F;onach ko&#x0364;nnen die<lb/>
Schwu&#x0364;rigkeiten &#x017F;o groß nicht &#x017F;eyn, um in Deut&#x017F;chland<lb/>
wie in England, jenen Unter&#x017F;chied deutlich fe&#x017F;tzu&#x017F;etzen,<lb/>
und die adlich gebohrnen So&#x0364;hne und To&#x0364;chter nur in &#x017F;o<lb/>
fern zum Adel zu rechnen, als &#x017F;ie auf vorbe&#x017F;chriebene Art<lb/>
gewu&#x0364;rdiget &#x017F;ind, den u&#x0364;brigen aber bis dahin &#x017F;ie auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0262] Warum bildet ſich der deutſche Adel tung geſichert werden, ehe man die vorgelegte Frage beantworten kann? Allein was hindert uns dieſes zu thun? Was hin- dert uns mittelſt eines allgemeinen Reichsſchluſſes feſtzu- ſetzen, daß blos diejenigen adlich gebohrnen oder adlich gemachten zum Adel gehoͤren ſollen, welche ein Herzog- thum, eine Grafſchaft, eine Freyherrlichkeit oder eine andre Reichswuͤrde bekleiden? Der jetzige Landſaͤßige Adel iſt durch die aͤlteſten Reichsſchluͤſſe, worin die Dienſtleute der Fuͤrſten den Reichsdienſtleuten gleich geſetzet ſind, vollkommen gedeckt; jedes Landtagsfaͤhige Gut iſt in dieſem Betracht Reichsherrlichkeit, und giebt damit ſei- nem Edelgebohrnen Herrn die Reichswuͤrde. Eben das gilt von allen mit adlichen Freyheiten verknuͤpften Bedie- nungen im Reiche und im Lande; wer ſolche beſitzt, ſteht in einer wuͤrklichen Reichswuͤrde; und der aͤltere Haupt- mann eines Fuͤrſten geht dem juͤngern Hauptmann des Kayſers vor. Wo ein adlich gebohrner in einer beſtimm- ten geiſtlichen Wuͤrde ſteht, da wird er zum wuͤrklichen Adel gerechnet; und wenn einer ein Majorat oder Fidei- commis ſtiftet, was vom Kayſer oder dem Landesherrn zu einem Reichs- oder Landtagsfaͤhigen Herrlichkeit er- hoben wird, da entſteht ein neues Reichsamt, was ſei- nem adlich gebohrnen oder adlich gemachten Beſitzer, den wuͤrklichen Adel giebt; den edelgebohrnen Toͤchtern geben ſowohl die Wuͤrden ihrer Maͤnner, als die Praͤbenden in adlichen Stiftern den Adel. Und ſonach koͤnnen die Schwuͤrigkeiten ſo groß nicht ſeyn, um in Deutſchland wie in England, jenen Unterſchied deutlich feſtzuſetzen, und die adlich gebohrnen Soͤhne und Toͤchter nur in ſo fern zum Adel zu rechnen, als ſie auf vorbeſchriebene Art gewuͤrdiget ſind, den uͤbrigen aber bis dahin ſie auch durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/262
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/262>, abgerufen am 22.11.2024.