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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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der Landbesitzer.
es jemals einem Menschen eingefallen war nach demsel-
ben die Abfindungen zu bestimmen, kein Beyspiel vor dem
Jahr 1730 zu finden seyn wird. Der Adel hat von dem
römischen Rechte frühere Anfälle erlitten, aber unter allen
zuerst die Fürsten. Der älteste Verzicht einer Tochter auf
ihre elterliche Verlassenschaft, ist vom Jahr 1214, und
von einer Prinzessin aus dem Hause Lothringen, der älte-
ste Verzicht einer gräflichen Tochter vom Jahr 1236,
der älteste einer Fräulein vom Jahr 1313, und
der älteste Verzicht einer Tochter eines gemeinen hofge-
sessenen Mannes, ist aller Wahrscheinlichkeit nach aus
dem gegenwärtigen Jahrhundert. Hier zeigt sich offen-
bar der Gang, welchen das römische Recht von oben nach
unten zu genommen, indem die Verzichte in dem Ver-
hältnisse aufgekommen sind, wie die Töchter römische
Erbtheile forderten, oder fordern zu wollen, in Verdacht
kamen, und wer die Probe hierauf machen will, der su-
che nur den Gang der Autonomie auf, mit welcher sich
die Familien gegen die Folgen dieses Uebels gewehret ha-
ben. Die ältesten Familienverträge und Gesetze zu Er-
haltung der zusammengebrachten Länder sind aus fürstlichen
und gräflichen Häusern. Jhnen folgen die Majorate, Fidei-
commisse und testamentarischen Verordnungen des Adels,
nach einem ziemlichen Zwischenraume, und das älteste Fidei-
commis eines gemeinen Landmannes hier im Stifte, der sich
aus dem Leibeigenthum frey kaufte, ist vom Jahr 1756.

Man denke aber nicht, daß dieses blos die Würkung
einer Mode gewesen, welche die Vornehmen zuerst und
die Geringen zuletzt annahmen. Nein, es ist das Werk
der Noth, welche alles nach den Bedürfnissen jedes Stan-
des so geordnet hat. Der gemeinen Hofgesessenen waren
viele; sie hatten von den ältesten Zeiten ihre Hofver-
sammlungen, und konnten sich unter einander gemeines

Recht
Mösers patr. Phantas. IV. Th. P

der Landbeſitzer.
es jemals einem Menſchen eingefallen war nach demſel-
ben die Abfindungen zu beſtimmen, kein Beyſpiel vor dem
Jahr 1730 zu finden ſeyn wird. Der Adel hat von dem
roͤmiſchen Rechte fruͤhere Anfaͤlle erlitten, aber unter allen
zuerſt die Fuͤrſten. Der aͤlteſte Verzicht einer Tochter auf
ihre elterliche Verlaſſenſchaft, iſt vom Jahr 1214, und
von einer Prinzeſſin aus dem Hauſe Lothringen, der aͤlte-
ſte Verzicht einer graͤflichen Tochter vom Jahr 1236,
der aͤlteſte einer Fraͤulein vom Jahr 1313, und
der aͤlteſte Verzicht einer Tochter eines gemeinen hofge-
ſeſſenen Mannes, iſt aller Wahrſcheinlichkeit nach aus
dem gegenwaͤrtigen Jahrhundert. Hier zeigt ſich offen-
bar der Gang, welchen das roͤmiſche Recht von oben nach
unten zu genommen, indem die Verzichte in dem Ver-
haͤltniſſe aufgekommen ſind, wie die Toͤchter roͤmiſche
Erbtheile forderten, oder fordern zu wollen, in Verdacht
kamen, und wer die Probe hierauf machen will, der ſu-
che nur den Gang der Autonomie auf, mit welcher ſich
die Familien gegen die Folgen dieſes Uebels gewehret ha-
ben. Die aͤlteſten Familienvertraͤge und Geſetze zu Er-
haltung der zuſammengebrachten Laͤnder ſind aus fuͤrſtlichen
und graͤflichen Haͤuſern. Jhnen folgen die Majorate, Fidei-
commiſſe und teſtamentariſchen Verordnungen des Adels,
nach einem ziemlichen Zwiſchenraume, und das aͤlteſte Fidei-
commis eines gemeinen Landmannes hier im Stifte, der ſich
aus dem Leibeigenthum frey kaufte, iſt vom Jahr 1756.

Man denke aber nicht, daß dieſes blos die Wuͤrkung
einer Mode geweſen, welche die Vornehmen zuerſt und
die Geringen zuletzt annahmen. Nein, es iſt das Werk
der Noth, welche alles nach den Beduͤrfniſſen jedes Stan-
des ſo geordnet hat. Der gemeinen Hofgeſeſſenen waren
viele; ſie hatten von den aͤlteſten Zeiten ihre Hofver-
ſammlungen, und konnten ſich unter einander gemeines

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[225/0237] der Landbeſitzer. es jemals einem Menſchen eingefallen war nach demſel- ben die Abfindungen zu beſtimmen, kein Beyſpiel vor dem Jahr 1730 zu finden ſeyn wird. Der Adel hat von dem roͤmiſchen Rechte fruͤhere Anfaͤlle erlitten, aber unter allen zuerſt die Fuͤrſten. Der aͤlteſte Verzicht einer Tochter auf ihre elterliche Verlaſſenſchaft, iſt vom Jahr 1214, und von einer Prinzeſſin aus dem Hauſe Lothringen, der aͤlte- ſte Verzicht einer graͤflichen Tochter vom Jahr 1236, der aͤlteſte einer Fraͤulein vom Jahr 1313, und der aͤlteſte Verzicht einer Tochter eines gemeinen hofge- ſeſſenen Mannes, iſt aller Wahrſcheinlichkeit nach aus dem gegenwaͤrtigen Jahrhundert. Hier zeigt ſich offen- bar der Gang, welchen das roͤmiſche Recht von oben nach unten zu genommen, indem die Verzichte in dem Ver- haͤltniſſe aufgekommen ſind, wie die Toͤchter roͤmiſche Erbtheile forderten, oder fordern zu wollen, in Verdacht kamen, und wer die Probe hierauf machen will, der ſu- che nur den Gang der Autonomie auf, mit welcher ſich die Familien gegen die Folgen dieſes Uebels gewehret ha- ben. Die aͤlteſten Familienvertraͤge und Geſetze zu Er- haltung der zuſammengebrachten Laͤnder ſind aus fuͤrſtlichen und graͤflichen Haͤuſern. Jhnen folgen die Majorate, Fidei- commiſſe und teſtamentariſchen Verordnungen des Adels, nach einem ziemlichen Zwiſchenraume, und das aͤlteſte Fidei- commis eines gemeinen Landmannes hier im Stifte, der ſich aus dem Leibeigenthum frey kaufte, iſt vom Jahr 1756. Man denke aber nicht, daß dieſes blos die Wuͤrkung einer Mode geweſen, welche die Vornehmen zuerſt und die Geringen zuletzt annahmen. Nein, es iſt das Werk der Noth, welche alles nach den Beduͤrfniſſen jedes Stan- des ſo geordnet hat. Der gemeinen Hofgeſeſſenen waren viele; ſie hatten von den aͤlteſten Zeiten ihre Hofver- ſammlungen, und konnten ſich unter einander gemeines Recht Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. P

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/237>, abgerufen am 24.11.2024.