Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber die Absteuer der Töchter
hatten, konnten aber, nachdem einmal eine Aussteuer
eingeführt war, sich daran nicht halten; und so blieb
ihnen nichts übrig, als ein Standesgebrauch., der jedoch
ebenfalls den Geist des Lycurgischen Gesetzes zum Grunde
hatte. Denn Burchard von Aßwede *) rühmt es Alber-
ten von dem Bussche nach, daß er gesagt: er wolle sei-
nen Töchtern einen Brautschatz geben, und denselben
niemanden versteigern, denn es möchte ein ander seyn,
der nicht so wohl könnte als er.
Dieses ist offenbar nach
dem Sinn des Lycurgischen Gesetzes, welches durchaus
verhindern wollte, daß die Reichen den Armen den Markt
nicht verderben sollten; die Versicherung keinem den
Brautschatz zu versteigern, setzt eine Standesgewohnheit
voraus. Und dieser Standesgebrauch hat bey zunehmen-
dem Geldreichthum und der dadurch entstandenen Ver-
mischung der im Landbesitz vorhin unterschiedenen Stände,
zuerst auf Verhältnisse und zuletzt auf römische Pflicht-
theile und römische Erbtheilungen geführt.

Wenn man sich in der Geschichte das Schauspiel ge-
ben will, wie fremde Rechte über die einheimischen ge-
siegt haben: so muß man immer von den höchsten zu den
geringsten heruntergehen, und wenn man im Gegentheil
alte deutsche Gewohnheiten aufspüren will, von unten in
die Höhe steigen. So hat zum Beyspiel das römische
Recht erst im Jahr 1768 die deutsche Auslobung der Ei-
genbehörigen hier im Lande besieget, indem es darin ein
Verhältnis eingeführet hat, was nicht lange vorher ein
junger Rechtsgelehrter ausgeheckt hatte; und wovon daß

es
*) Jn einem über den Landesgebrauch der Aussteuer abgehäl-
tenen Osnabr. Zeugenverhör v. 26. Sept. 1598.

Ueber die Abſteuer der Toͤchter
hatten, konnten aber, nachdem einmal eine Ausſteuer
eingefuͤhrt war, ſich daran nicht halten; und ſo blieb
ihnen nichts uͤbrig, als ein Standesgebrauch., der jedoch
ebenfalls den Geiſt des Lycurgiſchen Geſetzes zum Grunde
hatte. Denn Burchard von Aßwede *) ruͤhmt es Alber-
ten von dem Buſſche nach, daß er geſagt: er wolle ſei-
nen Toͤchtern einen Brautſchatz geben, und denſelben
niemanden verſteigern, denn es moͤchte ein ander ſeyn,
der nicht ſo wohl koͤnnte als er.
Dieſes iſt offenbar nach
dem Sinn des Lycurgiſchen Geſetzes, welches durchaus
verhindern wollte, daß die Reichen den Armen den Markt
nicht verderben ſollten; die Verſicherung keinem den
Brautſchatz zu verſteigern, ſetzt eine Standesgewohnheit
voraus. Und dieſer Standesgebrauch hat bey zunehmen-
dem Geldreichthum und der dadurch entſtandenen Ver-
miſchung der im Landbeſitz vorhin unterſchiedenen Staͤnde,
zuerſt auf Verhaͤltniſſe und zuletzt auf roͤmiſche Pflicht-
theile und roͤmiſche Erbtheilungen gefuͤhrt.

Wenn man ſich in der Geſchichte das Schauſpiel ge-
ben will, wie fremde Rechte uͤber die einheimiſchen ge-
ſiegt haben: ſo muß man immer von den hoͤchſten zu den
geringſten heruntergehen, und wenn man im Gegentheil
alte deutſche Gewohnheiten aufſpuͤren will, von unten in
die Hoͤhe ſteigen. So hat zum Beyſpiel das roͤmiſche
Recht erſt im Jahr 1768 die deutſche Auslobung der Ei-
genbehoͤrigen hier im Lande beſieget, indem es darin ein
Verhaͤltnis eingefuͤhret hat, was nicht lange vorher ein
junger Rechtsgelehrter ausgeheckt hatte; und wovon daß

es
*) Jn einem uͤber den Landesgebrauch der Ausſteuer abgehaͤl-
tenen Oſnabr. Zeugenverhoͤr v. 26. Sept. 1598.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Ab&#x017F;teuer der To&#x0364;chter</hi></fw><lb/>
hatten, konnten aber, nachdem einmal eine Aus&#x017F;teuer<lb/>
eingefu&#x0364;hrt war, &#x017F;ich daran nicht halten; und &#x017F;o blieb<lb/>
ihnen nichts u&#x0364;brig, als ein <hi rendition="#fr">Standesgebrauch.,</hi> der jedoch<lb/>
ebenfalls den Gei&#x017F;t des Lycurgi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzes zum Grunde<lb/>
hatte. Denn Burchard von Aßwede <note place="foot" n="*)">Jn einem u&#x0364;ber den Landesgebrauch der Aus&#x017F;teuer abgeha&#x0364;l-<lb/>
tenen O&#x017F;nabr. Zeugenverho&#x0364;r v. 26. Sept. 1598.</note> ru&#x0364;hmt es Alber-<lb/>
ten von dem Bu&#x017F;&#x017F;che nach, daß er ge&#x017F;agt: <hi rendition="#fr">er wolle &#x017F;ei-<lb/>
nen To&#x0364;chtern einen Braut&#x017F;chatz geben, und den&#x017F;elben<lb/>
niemanden ver&#x017F;teigern, denn es mo&#x0364;chte ein ander &#x017F;eyn,<lb/>
der nicht &#x017F;o wohl ko&#x0364;nnte als er.</hi> Die&#x017F;es i&#x017F;t offenbar nach<lb/>
dem Sinn des Lycurgi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzes, welches durchaus<lb/>
verhindern wollte, daß die Reichen den Armen den Markt<lb/>
nicht verderben &#x017F;ollten; die Ver&#x017F;icherung keinem den<lb/>
Braut&#x017F;chatz zu ver&#x017F;teigern, &#x017F;etzt eine Standesgewohnheit<lb/>
voraus. Und die&#x017F;er Standesgebrauch hat bey zunehmen-<lb/>
dem Geldreichthum und der dadurch ent&#x017F;tandenen Ver-<lb/>
mi&#x017F;chung der im Landbe&#x017F;itz vorhin unter&#x017F;chiedenen Sta&#x0364;nde,<lb/>
zuer&#x017F;t auf Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e und zuletzt auf ro&#x0364;mi&#x017F;che Pflicht-<lb/>
theile und ro&#x0364;mi&#x017F;che Erbtheilungen gefu&#x0364;hrt.</p><lb/>
          <p>Wenn man &#x017F;ich in der Ge&#x017F;chichte das Schau&#x017F;piel ge-<lb/>
ben will, wie fremde Rechte u&#x0364;ber die einheimi&#x017F;chen ge-<lb/>
&#x017F;iegt haben: &#x017F;o muß man immer von den ho&#x0364;ch&#x017F;ten zu den<lb/>
gering&#x017F;ten heruntergehen, und wenn man im Gegentheil<lb/>
alte deut&#x017F;che Gewohnheiten auf&#x017F;pu&#x0364;ren will, von unten in<lb/>
die Ho&#x0364;he &#x017F;teigen. So hat zum Bey&#x017F;piel das ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Recht er&#x017F;t im Jahr 1768 die deut&#x017F;che Auslobung der Ei-<lb/>
genbeho&#x0364;rigen hier im Lande be&#x017F;ieget, indem es darin ein<lb/>
Verha&#x0364;ltnis eingefu&#x0364;hret hat, was nicht lange vorher ein<lb/>
junger Rechtsgelehrter ausgeheckt hatte; und wovon daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0236] Ueber die Abſteuer der Toͤchter hatten, konnten aber, nachdem einmal eine Ausſteuer eingefuͤhrt war, ſich daran nicht halten; und ſo blieb ihnen nichts uͤbrig, als ein Standesgebrauch., der jedoch ebenfalls den Geiſt des Lycurgiſchen Geſetzes zum Grunde hatte. Denn Burchard von Aßwede *) ruͤhmt es Alber- ten von dem Buſſche nach, daß er geſagt: er wolle ſei- nen Toͤchtern einen Brautſchatz geben, und denſelben niemanden verſteigern, denn es moͤchte ein ander ſeyn, der nicht ſo wohl koͤnnte als er. Dieſes iſt offenbar nach dem Sinn des Lycurgiſchen Geſetzes, welches durchaus verhindern wollte, daß die Reichen den Armen den Markt nicht verderben ſollten; die Verſicherung keinem den Brautſchatz zu verſteigern, ſetzt eine Standesgewohnheit voraus. Und dieſer Standesgebrauch hat bey zunehmen- dem Geldreichthum und der dadurch entſtandenen Ver- miſchung der im Landbeſitz vorhin unterſchiedenen Staͤnde, zuerſt auf Verhaͤltniſſe und zuletzt auf roͤmiſche Pflicht- theile und roͤmiſche Erbtheilungen gefuͤhrt. Wenn man ſich in der Geſchichte das Schauſpiel ge- ben will, wie fremde Rechte uͤber die einheimiſchen ge- ſiegt haben: ſo muß man immer von den hoͤchſten zu den geringſten heruntergehen, und wenn man im Gegentheil alte deutſche Gewohnheiten aufſpuͤren will, von unten in die Hoͤhe ſteigen. So hat zum Beyſpiel das roͤmiſche Recht erſt im Jahr 1768 die deutſche Auslobung der Ei- genbehoͤrigen hier im Lande beſieget, indem es darin ein Verhaͤltnis eingefuͤhret hat, was nicht lange vorher ein junger Rechtsgelehrter ausgeheckt hatte; und wovon daß es *) Jn einem uͤber den Landesgebrauch der Ausſteuer abgehaͤl- tenen Oſnabr. Zeugenverhoͤr v. 26. Sept. 1598.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/236
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/236>, abgerufen am 22.11.2024.