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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Absteuer der Töchter
zehnten Jahrhundert *) kein Beyspiel finden, daß ein
Sohn, der mit einer Präbende verforgt worden, oder
eine ausbestattete und berathene Tochter, wenn sie auch
gleich keinen Verzicht gethan hatte, auf die nachherigen
Erbschaften der Eltern einigen Anspruch gemacht, oder
von dem Erben ein Pflichttheil gefordert hätte. Die Aus-
steuer oder Bestattung begriff in der ersten Zeit alles was
wir heutiges Tages Brautschatz und Brautwagen nennen,
und zugleich die völlige Abfindung von den elterlichen Gü-
tern; und man bestimmte solche anfangs nicht sowohl
nach seinem Vermögen, als nach den Bedürfnissen derje-
nigen, die entweder in den geistlichen Stand, oder an
einen Hof giengen, oder sich zu einem Gewerbe bequem-
ten. Es würde ein entsetzlicher Sprung gewesen seyn,
wenn man von der Gewohnheit **) den abgehenden Kin-
dern weder Brautschatz noch Erbtheil zu geben, auf em-
mal zu dem Gedanken übergegangen wäre, die Aussteu-
ren mit dem Vermögen des Gebers in Verhältnis zu se-
tzen. Dieses ist wider die natürliche und politische Ge-
schichte dieser Art menschlicher Handlungen. Die nach
entstandenem fränkischen Reiche, und eingeführter christ-
lichen Religion in der Kirche und im Staate vorgefalle-
nen Veränderungen forderten nur eine bessere und billige
Versorgung der vorhin ausgewanderten Kinder; das an-
kommende Geld erleichterte sie, und die mit jeder Perio-
de steigende Verschwendung brachte eine mit ihr im Ver-
hältnis stehende Verbesserung hervor. Vermuthlich ward

zu-
*) Der erste und älteste Verzicht einer ins Kloster gegangenen
Fräulein ist der von Rosinen von Werdemann vom Jahr 1498
beym Lünig in R. A. T. XII. p. 456.
**) Dotem non uxor marito sed maritus uxori offert TACIT. in
germ. c.
18.

Ueber die Abſteuer der Toͤchter
zehnten Jahrhundert *) kein Beyſpiel finden, daß ein
Sohn, der mit einer Praͤbende verforgt worden, oder
eine ausbeſtattete und berathene Tochter, wenn ſie auch
gleich keinen Verzicht gethan hatte, auf die nachherigen
Erbſchaften der Eltern einigen Anſpruch gemacht, oder
von dem Erben ein Pflichttheil gefordert haͤtte. Die Aus-
ſteuer oder Beſtattung begriff in der erſten Zeit alles was
wir heutiges Tages Brautſchatz und Brautwagen nennen,
und zugleich die voͤllige Abfindung von den elterlichen Guͤ-
tern; und man beſtimmte ſolche anfangs nicht ſowohl
nach ſeinem Vermoͤgen, als nach den Beduͤrfniſſen derje-
nigen, die entweder in den geiſtlichen Stand, oder an
einen Hof giengen, oder ſich zu einem Gewerbe bequem-
ten. Es wuͤrde ein entſetzlicher Sprung geweſen ſeyn,
wenn man von der Gewohnheit **) den abgehenden Kin-
dern weder Brautſchatz noch Erbtheil zu geben, auf em-
mal zu dem Gedanken uͤbergegangen waͤre, die Ausſteu-
ren mit dem Vermoͤgen des Gebers in Verhaͤltnis zu ſe-
tzen. Dieſes iſt wider die natuͤrliche und politiſche Ge-
ſchichte dieſer Art menſchlicher Handlungen. Die nach
entſtandenem fraͤnkiſchen Reiche, und eingefuͤhrter chriſt-
lichen Religion in der Kirche und im Staate vorgefalle-
nen Veraͤnderungen forderten nur eine beſſere und billige
Verſorgung der vorhin ausgewanderten Kinder; das an-
kommende Geld erleichterte ſie, und die mit jeder Perio-
de ſteigende Verſchwendung brachte eine mit ihr im Ver-
haͤltnis ſtehende Verbeſſerung hervor. Vermuthlich ward

zu-
*) Der erſte und aͤlteſte Verzicht einer ins Kloſter gegangenen
Fraͤulein iſt der von Roſinen von Werdemann vom Jahr 1498
beym Luͤnig in R. A. T. XII. p. 456.
**) Dotem non uxor marito ſed maritus uxori offert TACIT. in
germ. c.
18.
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[222/0234] Ueber die Abſteuer der Toͤchter zehnten Jahrhundert *) kein Beyſpiel finden, daß ein Sohn, der mit einer Praͤbende verforgt worden, oder eine ausbeſtattete und berathene Tochter, wenn ſie auch gleich keinen Verzicht gethan hatte, auf die nachherigen Erbſchaften der Eltern einigen Anſpruch gemacht, oder von dem Erben ein Pflichttheil gefordert haͤtte. Die Aus- ſteuer oder Beſtattung begriff in der erſten Zeit alles was wir heutiges Tages Brautſchatz und Brautwagen nennen, und zugleich die voͤllige Abfindung von den elterlichen Guͤ- tern; und man beſtimmte ſolche anfangs nicht ſowohl nach ſeinem Vermoͤgen, als nach den Beduͤrfniſſen derje- nigen, die entweder in den geiſtlichen Stand, oder an einen Hof giengen, oder ſich zu einem Gewerbe bequem- ten. Es wuͤrde ein entſetzlicher Sprung geweſen ſeyn, wenn man von der Gewohnheit **) den abgehenden Kin- dern weder Brautſchatz noch Erbtheil zu geben, auf em- mal zu dem Gedanken uͤbergegangen waͤre, die Ausſteu- ren mit dem Vermoͤgen des Gebers in Verhaͤltnis zu ſe- tzen. Dieſes iſt wider die natuͤrliche und politiſche Ge- ſchichte dieſer Art menſchlicher Handlungen. Die nach entſtandenem fraͤnkiſchen Reiche, und eingefuͤhrter chriſt- lichen Religion in der Kirche und im Staate vorgefalle- nen Veraͤnderungen forderten nur eine beſſere und billige Verſorgung der vorhin ausgewanderten Kinder; das an- kommende Geld erleichterte ſie, und die mit jeder Perio- de ſteigende Verſchwendung brachte eine mit ihr im Ver- haͤltnis ſtehende Verbeſſerung hervor. Vermuthlich ward zu- *) Der erſte und aͤlteſte Verzicht einer ins Kloſter gegangenen Fraͤulein iſt der von Roſinen von Werdemann vom Jahr 1498 beym Luͤnig in R. A. T. XII. p. 456. **) Dotem non uxor marito ſed maritus uxori offert TACIT. in germ. c. 18.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/234>, abgerufen am 24.11.2024.