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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Eine kurze Nachricht

Man sieht dieses nicht deutlicher als aus den Ge-
genmitteln, deren sich die Fürsten gegen die Freygrafen
bedienten. Einige sagten, der Kayser wäre ihrer zu Eh-
ren und zu Rechte mächtig, und so brauchten sie vor kei-
nem freyen Stuhle zu erscheinen; dieses wollten aber die
Freygrafen nicht gelten lassen, weil sie eben diejenigen zu
seyn behaupteten, die unmittelbar unter des Kaysers
Banne richteten. Hierin irreten sie sich jedoch, denn der
missus mußte, wenn es hohe Standespersonen betraf,
an den Kayser berichten, der dann deren ihre Sache vor
die Reichsversammlung brachte. Andre Fürsten und
Stände nahmen ihre Zuflucht zu Austrägen, und schütz-
ten vor, weil sie Austräge hätten, vor welchen sie bespro-
chen werden könnten: so wären sie nicht schuldig den Frey-
grafen in der ersten Jnstanz zu antworten. Dieses ließ
man gelten, und jedermann, auch sogar Städte wählten
sich andre Städte zu Austrägen, um den Freygrafen zu
entgehen. Noch andre beriefen sich in dieser Absicht auf
ihre Provincial-Reichsgerichte, wie auf das Kayserl.
Gericht zu Rottweil, und beförderten deren Aufnahme.
Viele Fürsten errichteten, um ihre Edelleute gegen die
Freygrafen zu schützen, Fürstl. Landgerichte, und der Adel
wie auch die Städte flogen mit Freuden darunter, alles
in der Absicht um den hundert tausend Henkern zu ent-
gehn, die unerkannt in Deutschland lebten, und jeden
Verfehmten vom Leben zum Tode richteten.

Man kann also wohl sagen, daß die Westphälischen
Freygrafen die jetzige Reichsverfassung in vielen Stücken
befördert, und das in die Anarchie verfallene Volk noch
am mehrsten unter die Fürsten Hüte und Bischofsmützen
gejagt, diese aber genöthiget haben sich einem allgemei-
nen Reichsgerichte zu unterwerfen, und sowohl für sich
als für ihre Unterthanen einen Oberrichter zu erkennen,

vor
Eine kurze Nachricht

Man ſieht dieſes nicht deutlicher als aus den Ge-
genmitteln, deren ſich die Fuͤrſten gegen die Freygrafen
bedienten. Einige ſagten, der Kayſer waͤre ihrer zu Eh-
ren und zu Rechte maͤchtig, und ſo brauchten ſie vor kei-
nem freyen Stuhle zu erſcheinen; dieſes wollten aber die
Freygrafen nicht gelten laſſen, weil ſie eben diejenigen zu
ſeyn behaupteten, die unmittelbar unter des Kayſers
Banne richteten. Hierin irreten ſie ſich jedoch, denn der
miſſus mußte, wenn es hohe Standesperſonen betraf,
an den Kayſer berichten, der dann deren ihre Sache vor
die Reichsverſammlung brachte. Andre Fuͤrſten und
Staͤnde nahmen ihre Zuflucht zu Austraͤgen, und ſchuͤtz-
ten vor, weil ſie Austraͤge haͤtten, vor welchen ſie beſpro-
chen werden koͤnnten: ſo waͤren ſie nicht ſchuldig den Frey-
grafen in der erſten Jnſtanz zu antworten. Dieſes ließ
man gelten, und jedermann, auch ſogar Staͤdte waͤhlten
ſich andre Staͤdte zu Austraͤgen, um den Freygrafen zu
entgehen. Noch andre beriefen ſich in dieſer Abſicht auf
ihre Provincial-Reichsgerichte, wie auf das Kayſerl.
Gericht zu Rottweil, und befoͤrderten deren Aufnahme.
Viele Fuͤrſten errichteten, um ihre Edelleute gegen die
Freygrafen zu ſchuͤtzen, Fuͤrſtl. Landgerichte, und der Adel
wie auch die Staͤdte flogen mit Freuden darunter, alles
in der Abſicht um den hundert tauſend Henkern zu ent-
gehn, die unerkannt in Deutſchland lebten, und jeden
Verfehmten vom Leben zum Tode richteten.

Man kann alſo wohl ſagen, daß die Weſtphaͤliſchen
Freygrafen die jetzige Reichsverfaſſung in vielen Stuͤcken
befoͤrdert, und das in die Anarchie verfallene Volk noch
am mehrſten unter die Fuͤrſten Huͤte und Biſchofsmuͤtzen
gejagt, dieſe aber genoͤthiget haben ſich einem allgemei-
nen Reichsgerichte zu unterwerfen, und ſowohl fuͤr ſich
als fuͤr ihre Unterthanen einen Oberrichter zu erkennen,

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[204/0216] Eine kurze Nachricht Man ſieht dieſes nicht deutlicher als aus den Ge- genmitteln, deren ſich die Fuͤrſten gegen die Freygrafen bedienten. Einige ſagten, der Kayſer waͤre ihrer zu Eh- ren und zu Rechte maͤchtig, und ſo brauchten ſie vor kei- nem freyen Stuhle zu erſcheinen; dieſes wollten aber die Freygrafen nicht gelten laſſen, weil ſie eben diejenigen zu ſeyn behaupteten, die unmittelbar unter des Kayſers Banne richteten. Hierin irreten ſie ſich jedoch, denn der miſſus mußte, wenn es hohe Standesperſonen betraf, an den Kayſer berichten, der dann deren ihre Sache vor die Reichsverſammlung brachte. Andre Fuͤrſten und Staͤnde nahmen ihre Zuflucht zu Austraͤgen, und ſchuͤtz- ten vor, weil ſie Austraͤge haͤtten, vor welchen ſie beſpro- chen werden koͤnnten: ſo waͤren ſie nicht ſchuldig den Frey- grafen in der erſten Jnſtanz zu antworten. Dieſes ließ man gelten, und jedermann, auch ſogar Staͤdte waͤhlten ſich andre Staͤdte zu Austraͤgen, um den Freygrafen zu entgehen. Noch andre beriefen ſich in dieſer Abſicht auf ihre Provincial-Reichsgerichte, wie auf das Kayſerl. Gericht zu Rottweil, und befoͤrderten deren Aufnahme. Viele Fuͤrſten errichteten, um ihre Edelleute gegen die Freygrafen zu ſchuͤtzen, Fuͤrſtl. Landgerichte, und der Adel wie auch die Staͤdte flogen mit Freuden darunter, alles in der Abſicht um den hundert tauſend Henkern zu ent- gehn, die unerkannt in Deutſchland lebten, und jeden Verfehmten vom Leben zum Tode richteten. Man kann alſo wohl ſagen, daß die Weſtphaͤliſchen Freygrafen die jetzige Reichsverfaſſung in vielen Stuͤcken befoͤrdert, und das in die Anarchie verfallene Volk noch am mehrſten unter die Fuͤrſten Huͤte und Biſchofsmuͤtzen gejagt, dieſe aber genoͤthiget haben ſich einem allgemei- nen Reichsgerichte zu unterwerfen, und ſowohl fuͤr ſich als fuͤr ihre Unterthanen einen Oberrichter zu erkennen, vor

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/216>, abgerufen am 25.11.2024.