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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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von den Westphälischen Freygerichten.
häufiger Freyschöpfe als jetzt Freymäurer. Jn Sachen
der Stadt Osnabrück gegen Conrad von Langen waren
über dreyhundert Freyschöpfen, theils von der Ritter-
schaft, theils erbarn Standes *), in der heimlichen Acht,
worin der von Langen verdammt wurde. Auch Fürsten,
als der Herzog von Bayern und der Markgraf von Bran-
denburg, ließen sich zu Freyschöpfen aufnehmen, und
man erzählt von dem Herzog Wilhelm von Braunschweig,
einem Freyschöpfen, daß er gesagt habe, ich muß Herzo-
gen Adolf von Schleßwig hängen, wenn er zu mir kömmt,
oder die Schöpfen würden mich hängen **). Man konn-
te dem Verfahren der Freygerichte nur selten ausweichen,
da die Freyschöpfen, wenn sie einen Fürsten aus seinem
Palaste, oder einen edlen Herrn aus seiner Burg, oder
einen Bürger aus der Stadt zu verabladen hatten, sich
des Nachts ungesehn und unerkannt an die Mauren der
Burg oder der Stadt heranschlichen, und die bey sich ha-
benden Ladungen an die Pforten hefteten. War dieses
dreymal geschehen, und der Beklagte erschien nicht: so
ward er in der heimlichen Acht verdammt, und um der
Vollstreckung des Urtheils vorzubeugen noch einmal vor-

be-
viel von Geschlechten nnd des Raths, des scharfen West-
phälischen Processes bewußt, ja auch wohl gar heimliche
und verborgene Henker gewesen.
Wenn solchergestalt 36
Westphälische Freyschöpfen in einer einzigen entfernten Stadt
waren, wie viele mochten denn nicht in ganz Deutschland
gewesen seyn?
*) Beym KRESS vom Archid. Wesen in app. S. 161.
**) Doch bezweifelt der Hofrath Koch in den Anmerkungen über
die Westph. Gerichter etc. diese Erzählung Johannes von
Busche
de reform. monast. III. 42. p. 942. weil der Herzog
sich so weit nicht herauslassen dürfen.
N 4

von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten.
haͤufiger Freyſchoͤpfe als jetzt Freymaͤurer. Jn Sachen
der Stadt Oſnabruͤck gegen Conrad von Langen waren
uͤber dreyhundert Freyſchoͤpfen, theils von der Ritter-
ſchaft, theils erbarn Standes *), in der heimlichen Acht,
worin der von Langen verdammt wurde. Auch Fuͤrſten,
als der Herzog von Bayern und der Markgraf von Bran-
denburg, ließen ſich zu Freyſchoͤpfen aufnehmen, und
man erzaͤhlt von dem Herzog Wilhelm von Braunſchweig,
einem Freyſchoͤpfen, daß er geſagt habe, ich muß Herzo-
gen Adolf von Schleßwig haͤngen, wenn er zu mir koͤmmt,
oder die Schoͤpfen wuͤrden mich haͤngen **). Man konn-
te dem Verfahren der Freygerichte nur ſelten ausweichen,
da die Freyſchoͤpfen, wenn ſie einen Fuͤrſten aus ſeinem
Palaſte, oder einen edlen Herrn aus ſeiner Burg, oder
einen Buͤrger aus der Stadt zu verabladen hatten, ſich
des Nachts ungeſehn und unerkannt an die Mauren der
Burg oder der Stadt heranſchlichen, und die bey ſich ha-
benden Ladungen an die Pforten hefteten. War dieſes
dreymal geſchehen, und der Beklagte erſchien nicht: ſo
ward er in der heimlichen Acht verdammt, und um der
Vollſtreckung des Urtheils vorzubeugen noch einmal vor-

be-
viel von Geſchlechten nnd des Raths, des ſcharfen Weſt-
phaͤliſchen Proceſſes bewußt, ja auch wohl gar heimliche
und verborgene Henker geweſen.
Wenn ſolchergeſtalt 36
Weſtphaͤliſche Freyſchoͤpfen in einer einzigen entfernten Stadt
waren, wie viele mochten denn nicht in ganz Deutſchland
geweſen ſeyn?
*) Beym KRESS vom Archid. Weſen in app. S. 161.
**) Doch bezweifelt der Hofrath Koch in den Anmerkungen uͤber
die Weſtph. Gerichter ꝛc. dieſe Erzaͤhlung Johannes von
Buſche
de reform. monaſt. III. 42. p. 942. weil der Herzog
ſich ſo weit nicht herauslaſſen duͤrfen.
N 4
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[199/0211] von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten. haͤufiger Freyſchoͤpfe als jetzt Freymaͤurer. Jn Sachen der Stadt Oſnabruͤck gegen Conrad von Langen waren uͤber dreyhundert Freyſchoͤpfen, theils von der Ritter- ſchaft, theils erbarn Standes *), in der heimlichen Acht, worin der von Langen verdammt wurde. Auch Fuͤrſten, als der Herzog von Bayern und der Markgraf von Bran- denburg, ließen ſich zu Freyſchoͤpfen aufnehmen, und man erzaͤhlt von dem Herzog Wilhelm von Braunſchweig, einem Freyſchoͤpfen, daß er geſagt habe, ich muß Herzo- gen Adolf von Schleßwig haͤngen, wenn er zu mir koͤmmt, oder die Schoͤpfen wuͤrden mich haͤngen **). Man konn- te dem Verfahren der Freygerichte nur ſelten ausweichen, da die Freyſchoͤpfen, wenn ſie einen Fuͤrſten aus ſeinem Palaſte, oder einen edlen Herrn aus ſeiner Burg, oder einen Buͤrger aus der Stadt zu verabladen hatten, ſich des Nachts ungeſehn und unerkannt an die Mauren der Burg oder der Stadt heranſchlichen, und die bey ſich ha- benden Ladungen an die Pforten hefteten. War dieſes dreymal geſchehen, und der Beklagte erſchien nicht: ſo ward er in der heimlichen Acht verdammt, und um der Vollſtreckung des Urtheils vorzubeugen noch einmal vor- be- *) *) Beym KRESS vom Archid. Weſen in app. S. 161. **) Doch bezweifelt der Hofrath Koch in den Anmerkungen uͤber die Weſtph. Gerichter ꝛc. dieſe Erzaͤhlung Johannes von Buſche de reform. monaſt. III. 42. p. 942. weil der Herzog ſich ſo weit nicht herauslaſſen duͤrfen. *) viel von Geſchlechten nnd des Raths, des ſcharfen Weſt- phaͤliſchen Proceſſes bewußt, ja auch wohl gar heimliche und verborgene Henker geweſen. Wenn ſolchergeſtalt 36 Weſtphaͤliſche Freyſchoͤpfen in einer einzigen entfernten Stadt waren, wie viele mochten denn nicht in ganz Deutſchland geweſen ſeyn? N 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/211>, abgerufen am 24.11.2024.