Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Eine kurze Nachricht betrift, den Banditen und Assassinen gleich verfuhren.Bayern und Oesterreicher, Franken und Schwaben, wenn sie etwas an jemanden zu fordern hatten, der ih- nen vor seinem ordentlichen Richter nicht zu Recht stehen wollte, wandten sich an ein westphälisches Freygericht, und brachten von demselben Ladungen und Urtheile aus, die so gleich dem ganzen Orden der Freyschöpfen bekannt gemacht wurden, und so mit jene hundert tausend Hen- ker in Bewegung setzten, die durch den fürchterlichsten Eyd verbunden waren, weder ihrer Eltern noch ihrer besten Freunde und Verwandten zu schonen. Wenn ein Freyschöpfe, der mit seinem in der heimlichen Acht verur- theilten Freunde über Weg gieng, demselben nur den ge- ringsten Wink gab, und z. E. nur zu ihm sagte: Ander- wärts ist so gut Brod zu essen als hier, um ihm damit zu verstehen zu geben, er möge sich aus dem Staube ma- chen: so waren alle Freyschöpfen durch ihren Eyd ver- bunden, diesen Verräther sieben Fuß höher zu hängen als einen jeden andern Verurtheilten. Jhnen gebührte, nachdem einmal das Urtheil in der heimlichen Acht aus- gesprochen war, nicht die geringste weitere Erkenntniß, sondern der strengste Gehorsam, dessen irgend ein Or- densmann nur fähig ist; und wenn der Verbrecher auch von ihnen für den redlichsten und besten Mann gehalten wurde: so mußten sie ihn hängen. Dieses bewog fast jeden Mann von Geburt und An- häu- *) Es habe sich erfunden, schreibt VVERLICH in Chron. Aug.
p. II. c. 9. daß 36 Bürger zu Augspurg, darunter auch viel Eine kurze Nachricht betrift, den Banditen und Aſſaſſinen gleich verfuhren.Bayern und Oeſterreicher, Franken und Schwaben, wenn ſie etwas an jemanden zu fordern hatten, der ih- nen vor ſeinem ordentlichen Richter nicht zu Recht ſtehen wollte, wandten ſich an ein weſtphaͤliſches Freygericht, und brachten von demſelben Ladungen und Urtheile aus, die ſo gleich dem ganzen Orden der Freyſchoͤpfen bekannt gemacht wurden, und ſo mit jene hundert tauſend Hen- ker in Bewegung ſetzten, die durch den fuͤrchterlichſten Eyd verbunden waren, weder ihrer Eltern noch ihrer beſten Freunde und Verwandten zu ſchonen. Wenn ein Freyſchoͤpfe, der mit ſeinem in der heimlichen Acht verur- theilten Freunde uͤber Weg gieng, demſelben nur den ge- ringſten Wink gab, und z. E. nur zu ihm ſagte: Ander- waͤrts iſt ſo gut Brod zu eſſen als hier, um ihm damit zu verſtehen zu geben, er moͤge ſich aus dem Staube ma- chen: ſo waren alle Freyſchoͤpfen durch ihren Eyd ver- bunden, dieſen Verraͤther ſieben Fuß hoͤher zu haͤngen als einen jeden andern Verurtheilten. Jhnen gebuͤhrte, nachdem einmal das Urtheil in der heimlichen Acht aus- geſprochen war, nicht die geringſte weitere Erkenntniß, ſondern der ſtrengſte Gehorſam, deſſen irgend ein Or- densmann nur faͤhig iſt; und wenn der Verbrecher auch von ihnen fuͤr den redlichſten und beſten Mann gehalten wurde: ſo mußten ſie ihn haͤngen. Dieſes bewog faſt jeden Mann von Geburt und An- haͤu- *) Es habe ſich erfunden, ſchreibt VVERLICH in Chron. Aug.
p. II. c. 9. daß 36 Buͤrger zu Augſpurg, darunter auch viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="198"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eine kurze Nachricht</hi></fw><lb/> betrift, den Banditen und Aſſaſſinen gleich verfuhren.<lb/> Bayern und Oeſterreicher, Franken und Schwaben,<lb/> wenn ſie etwas an jemanden zu fordern hatten, der ih-<lb/> nen vor ſeinem ordentlichen Richter nicht zu Recht ſtehen<lb/> wollte, wandten ſich an ein weſtphaͤliſches Freygericht,<lb/> und brachten von demſelben Ladungen und Urtheile aus,<lb/> die ſo gleich dem ganzen Orden der Freyſchoͤpfen bekannt<lb/> gemacht wurden, und ſo mit jene hundert tauſend Hen-<lb/> ker in Bewegung ſetzten, die durch den fuͤrchterlichſten<lb/> Eyd verbunden waren, weder ihrer Eltern noch ihrer<lb/> beſten Freunde und Verwandten zu ſchonen. Wenn ein<lb/> Freyſchoͤpfe, der mit ſeinem in der heimlichen Acht verur-<lb/> theilten Freunde uͤber Weg gieng, demſelben nur den ge-<lb/> ringſten Wink gab, und z. E. nur zu ihm ſagte: Ander-<lb/> waͤrts iſt ſo gut Brod zu eſſen als hier, um ihm damit<lb/> zu verſtehen zu geben, er moͤge ſich aus dem Staube ma-<lb/> chen: ſo waren alle Freyſchoͤpfen durch ihren Eyd ver-<lb/> bunden, dieſen Verraͤther ſieben Fuß hoͤher zu haͤngen<lb/> als einen jeden andern Verurtheilten. Jhnen gebuͤhrte,<lb/> nachdem einmal das Urtheil in der heimlichen Acht aus-<lb/> geſprochen war, nicht die geringſte weitere Erkenntniß,<lb/> ſondern der ſtrengſte Gehorſam, deſſen irgend ein Or-<lb/> densmann nur faͤhig iſt; und wenn der Verbrecher auch<lb/> von ihnen fuͤr den redlichſten und beſten Mann gehalten<lb/> wurde: ſo mußten ſie ihn haͤngen.</p><lb/> <p>Dieſes bewog faſt jeden Mann von Geburt und An-<lb/> ſehen ſich als Freyſchoͤpfe aufnehmen zu laſſen, um ſich<lb/> ſolchergeſtalt deſtomehr in Acht nehmen zu koͤnnen. Jeder<lb/> Fuͤrſt hatte einige Freyſchoͤpfen unter ſeinen Raͤthen, je-<lb/> der Magiſtrat unter ſeinen Gliedern <note xml:id="f01" next="#f02" place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Es habe ſich erfunden,</hi> ſchreibt <hi rendition="#aq">VVERLICH in Chron. Aug.<lb/> p. II. c.</hi> 9. <hi rendition="#fr">daß</hi> 36 <hi rendition="#fr">Buͤrger zu Augſpurg, darunter auch</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">viel</hi></fw></note> und der Adel war<lb/> <fw place="bottom" type="catch">haͤu-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0210]
Eine kurze Nachricht
betrift, den Banditen und Aſſaſſinen gleich verfuhren.
Bayern und Oeſterreicher, Franken und Schwaben,
wenn ſie etwas an jemanden zu fordern hatten, der ih-
nen vor ſeinem ordentlichen Richter nicht zu Recht ſtehen
wollte, wandten ſich an ein weſtphaͤliſches Freygericht,
und brachten von demſelben Ladungen und Urtheile aus,
die ſo gleich dem ganzen Orden der Freyſchoͤpfen bekannt
gemacht wurden, und ſo mit jene hundert tauſend Hen-
ker in Bewegung ſetzten, die durch den fuͤrchterlichſten
Eyd verbunden waren, weder ihrer Eltern noch ihrer
beſten Freunde und Verwandten zu ſchonen. Wenn ein
Freyſchoͤpfe, der mit ſeinem in der heimlichen Acht verur-
theilten Freunde uͤber Weg gieng, demſelben nur den ge-
ringſten Wink gab, und z. E. nur zu ihm ſagte: Ander-
waͤrts iſt ſo gut Brod zu eſſen als hier, um ihm damit
zu verſtehen zu geben, er moͤge ſich aus dem Staube ma-
chen: ſo waren alle Freyſchoͤpfen durch ihren Eyd ver-
bunden, dieſen Verraͤther ſieben Fuß hoͤher zu haͤngen
als einen jeden andern Verurtheilten. Jhnen gebuͤhrte,
nachdem einmal das Urtheil in der heimlichen Acht aus-
geſprochen war, nicht die geringſte weitere Erkenntniß,
ſondern der ſtrengſte Gehorſam, deſſen irgend ein Or-
densmann nur faͤhig iſt; und wenn der Verbrecher auch
von ihnen fuͤr den redlichſten und beſten Mann gehalten
wurde: ſo mußten ſie ihn haͤngen.
Dieſes bewog faſt jeden Mann von Geburt und An-
ſehen ſich als Freyſchoͤpfe aufnehmen zu laſſen, um ſich
ſolchergeſtalt deſtomehr in Acht nehmen zu koͤnnen. Jeder
Fuͤrſt hatte einige Freyſchoͤpfen unter ſeinen Raͤthen, je-
der Magiſtrat unter ſeinen Gliedern *) und der Adel war
haͤu-
*) Es habe ſich erfunden, ſchreibt VVERLICH in Chron. Aug.
p. II. c. 9. daß 36 Buͤrger zu Augſpurg, darunter auch
viel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |