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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Eine kurze Nachricht
und ihre öffentliche Sitzung unter dem blauen Himmel
eröffnet hatten. Es ward dem Volke nicht bekannt ge-
macht wer Freyschöpfe war; und diese waren durch einen
fürchterlichen Eyd verbunden, Vater und Bruder, Mut-
ter und Schwester, Freunde und Verwandte anzugeben,
wenn sie etwas begangen hatten, was vor dem freyen
Stuhl zu rügen war. Jhnen lag es zugleich ob, alle Er-
kenntnisse des freyen Stuhls zu vollstrecken, die Ladun-
gen an die Straffälligen zu überbringen, und wenn es
das Urtheil mit sich brachte, den Verurtheilten wo sie ihn
fanden, zu hängen. Jm Grunde aber hielten sie dem Kay-
ser alle Länder offen, handelten ohne sich an Territorial-
gränzen zu kehren, noch immer als ausserordentliche, die
kayserliche Majestät repräsentirende Commissarien, und
würden, wenn sie bestehen geblieben wären, alle Terri-
torialhoheit verhindert haben.

Des ersten Freygerichts wird ums Jahr 1211. mit-
hin nicht lange nach dem gesprengten Großherzogthum in
Sachsen, als einer schon bekannten Sache gedacht. Ver-
muthlich hatten die vorhingedachten Commissarien ihr
Amt unter den Herzogen fortgesetzt, und sich von diesen
als den obersten missis bestellen lassen. Denn da alle Blut-
gerichte von dem Herzogthum ausgiengen: so mußten
auch diese Commissarien davon angeordnet seyn. Jn die-
ser Zeit müssen sie sich aber auf einem gewöhnlichen und
bekannten Fuß gehalten haben, weil die Schriftsteller ih-
rer gar nicht gedenken; und dieses ist insgemein der Fall
mit gewöhnlichen Begebenheiten; man bemerkt in der
Geschichte die Cometen und Finsternissen, aber nicht den
täglichen Aufgang der Sonne. Erst nach gesprengtem Her-
zogthume fielen die Freygerichte in die Augen. Kein
Reichsfürst wollte gern einen solchen unmittelbaren kay-

serli-

Eine kurze Nachricht
und ihre oͤffentliche Sitzung unter dem blauen Himmel
eroͤffnet hatten. Es ward dem Volke nicht bekannt ge-
macht wer Freyſchoͤpfe war; und dieſe waren durch einen
fuͤrchterlichen Eyd verbunden, Vater und Bruder, Mut-
ter und Schweſter, Freunde und Verwandte anzugeben,
wenn ſie etwas begangen hatten, was vor dem freyen
Stuhl zu ruͤgen war. Jhnen lag es zugleich ob, alle Er-
kenntniſſe des freyen Stuhls zu vollſtrecken, die Ladun-
gen an die Straffaͤlligen zu uͤberbringen, und wenn es
das Urtheil mit ſich brachte, den Verurtheilten wo ſie ihn
fanden, zu haͤngen. Jm Grunde aber hielten ſie dem Kay-
ſer alle Laͤnder offen, handelten ohne ſich an Territorial-
graͤnzen zu kehren, noch immer als auſſerordentliche, die
kayſerliche Majeſtaͤt repraͤſentirende Commiſſarien, und
wuͤrden, wenn ſie beſtehen geblieben waͤren, alle Terri-
torialhoheit verhindert haben.

Des erſten Freygerichts wird ums Jahr 1211. mit-
hin nicht lange nach dem geſprengten Großherzogthum in
Sachſen, als einer ſchon bekannten Sache gedacht. Ver-
muthlich hatten die vorhingedachten Commiſſarien ihr
Amt unter den Herzogen fortgeſetzt, und ſich von dieſen
als den oberſten miſſis beſtellen laſſen. Denn da alle Blut-
gerichte von dem Herzogthum ausgiengen: ſo mußten
auch dieſe Commiſſarien davon angeordnet ſeyn. Jn die-
ſer Zeit muͤſſen ſie ſich aber auf einem gewoͤhnlichen und
bekannten Fuß gehalten haben, weil die Schriftſteller ih-
rer gar nicht gedenken; und dieſes iſt insgemein der Fall
mit gewoͤhnlichen Begebenheiten; man bemerkt in der
Geſchichte die Cometen und Finſterniſſen, aber nicht den
taͤglichen Aufgang der Sonne. Erſt nach geſprengtem Her-
zogthume fielen die Freygerichte in die Augen. Kein
Reichsfuͤrſt wollte gern einen ſolchen unmittelbaren kay-

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[196/0208] Eine kurze Nachricht und ihre oͤffentliche Sitzung unter dem blauen Himmel eroͤffnet hatten. Es ward dem Volke nicht bekannt ge- macht wer Freyſchoͤpfe war; und dieſe waren durch einen fuͤrchterlichen Eyd verbunden, Vater und Bruder, Mut- ter und Schweſter, Freunde und Verwandte anzugeben, wenn ſie etwas begangen hatten, was vor dem freyen Stuhl zu ruͤgen war. Jhnen lag es zugleich ob, alle Er- kenntniſſe des freyen Stuhls zu vollſtrecken, die Ladun- gen an die Straffaͤlligen zu uͤberbringen, und wenn es das Urtheil mit ſich brachte, den Verurtheilten wo ſie ihn fanden, zu haͤngen. Jm Grunde aber hielten ſie dem Kay- ſer alle Laͤnder offen, handelten ohne ſich an Territorial- graͤnzen zu kehren, noch immer als auſſerordentliche, die kayſerliche Majeſtaͤt repraͤſentirende Commiſſarien, und wuͤrden, wenn ſie beſtehen geblieben waͤren, alle Terri- torialhoheit verhindert haben. Des erſten Freygerichts wird ums Jahr 1211. mit- hin nicht lange nach dem geſprengten Großherzogthum in Sachſen, als einer ſchon bekannten Sache gedacht. Ver- muthlich hatten die vorhingedachten Commiſſarien ihr Amt unter den Herzogen fortgeſetzt, und ſich von dieſen als den oberſten miſſis beſtellen laſſen. Denn da alle Blut- gerichte von dem Herzogthum ausgiengen: ſo mußten auch dieſe Commiſſarien davon angeordnet ſeyn. Jn die- ſer Zeit muͤſſen ſie ſich aber auf einem gewoͤhnlichen und bekannten Fuß gehalten haben, weil die Schriftſteller ih- rer gar nicht gedenken; und dieſes iſt insgemein der Fall mit gewoͤhnlichen Begebenheiten; man bemerkt in der Geſchichte die Cometen und Finſterniſſen, aber nicht den taͤglichen Aufgang der Sonne. Erſt nach geſprengtem Her- zogthume fielen die Freygerichte in die Augen. Kein Reichsfuͤrſt wollte gern einen ſolchen unmittelbaren kay- ſerli-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/208>, abgerufen am 28.11.2024.