Die Lateiner des mittlern Alters nannten das echte Eigenthum, was mit der Jagd, Stimmbarkeit und Schöpfenbarkeit verknüpft war, advocatiam. Man fin- det dieses Wort fast beständig bey allen Verkäufen von Gütern, bis ins vierzehnte Jahrhundert, häufiger im dreyzehnten, und am mehrsten im zwölften, zum wahr- scheinlichen Beweise, wie wahres Eigenthum sich gegen die neuern Zeiten immer mehr und mehr vermindert ha- be. Jetzt ist es ganz aus der Sprache weggefallen. Eben so gieng es den Römern zuerst mit dem dominio quirita- rio, hernach auch selbst mit dem dominio was blos ein civis Romanus haben konnte; bis man zuletzt dominium und proprietatem für eins gebrauchte.
Diese allgemeine Vermischung des alten und neuen Eigenthums, welche zum Theil durch die Vermischung der alten und neuen persönlichen Ehre veranlasset wor- den, hat in der That einen größern Einfluß auf den Staat, und auf eine reine gute Theorie der Gesetze gehabt, als man glaubt. Man ist dadurch nicht allein von den schö- nen großen Schlüssen, die aus dem alten echten Eigen- thum, wie wir oben bey der Jagd gesehen haben, gemacht wurden, zurückgekommen, sondern hat auch die Guts- herrlichen Rechte, welche wie man leicht sieht, sehr rich- tig aus dem alten echten Eigenthum fließen, in ganz an- dre Falten legen müssen, wie ein scharfsichtiger Kenner, der die Eigenthumsordnung durchgeht, leicht bemerken wird.
Jn der ursprünglichen Verfassung mußte jedes Mit- glied der Nation einen Hof, den er kaufte, als echter Ei- genthümer besitzen, und diesem seine Landstandschaft mit- theilen können; das Gut veredelte sich gleichsam unter seiner proprietate, und er erhielt damit dominium. Allein wie erst ein Eigenthümer sein Gut einem Meyer über-
gab,
Von dem echten Eigenthum.
Die Lateiner des mittlern Alters nannten das echte Eigenthum, was mit der Jagd, Stimmbarkeit und Schoͤpfenbarkeit verknuͤpft war, advocatiam. Man fin- det dieſes Wort faſt beſtaͤndig bey allen Verkaͤufen von Guͤtern, bis ins vierzehnte Jahrhundert, haͤufiger im dreyzehnten, und am mehrſten im zwoͤlften, zum wahr- ſcheinlichen Beweiſe, wie wahres Eigenthum ſich gegen die neuern Zeiten immer mehr und mehr vermindert ha- be. Jetzt iſt es ganz aus der Sprache weggefallen. Eben ſo gieng es den Roͤmern zuerſt mit dem dominio quirita- rio, hernach auch ſelbſt mit dem dominio was blos ein civis Romanus haben konnte; bis man zuletzt dominium und proprietatem fuͤr eins gebrauchte.
Dieſe allgemeine Vermiſchung des alten und neuen Eigenthums, welche zum Theil durch die Vermiſchung der alten und neuen perſoͤnlichen Ehre veranlaſſet wor- den, hat in der That einen groͤßern Einfluß auf den Staat, und auf eine reine gute Theorie der Geſetze gehabt, als man glaubt. Man iſt dadurch nicht allein von den ſchoͤ- nen großen Schluͤſſen, die aus dem alten echten Eigen- thum, wie wir oben bey der Jagd geſehen haben, gemacht wurden, zuruͤckgekommen, ſondern hat auch die Guts- herrlichen Rechte, welche wie man leicht ſieht, ſehr rich- tig aus dem alten echten Eigenthum fließen, in ganz an- dre Falten legen muͤſſen, wie ein ſcharfſichtiger Kenner, der die Eigenthumsordnung durchgeht, leicht bemerken wird.
Jn der urſpruͤnglichen Verfaſſung mußte jedes Mit- glied der Nation einen Hof, den er kaufte, als echter Ei- genthuͤmer beſitzen, und dieſem ſeine Landſtandſchaft mit- theilen koͤnnen; das Gut veredelte ſich gleichſam unter ſeiner proprietate, und er erhielt damit dominium. Allein wie erſt ein Eigenthuͤmer ſein Gut einem Meyer uͤber-
gab,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0178"n="166"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von dem echten Eigenthum.</hi></fw><lb/><p>Die Lateiner des mittlern Alters nannten das <hirendition="#fr">echte<lb/>
Eigenthum,</hi> was mit der Jagd, Stimmbarkeit und<lb/>
Schoͤpfenbarkeit verknuͤpft war, <hirendition="#aq">advocatiam.</hi> Man fin-<lb/>
det dieſes Wort faſt beſtaͤndig bey allen Verkaͤufen von<lb/>
Guͤtern, bis ins vierzehnte Jahrhundert, haͤufiger im<lb/>
dreyzehnten, und am mehrſten im zwoͤlften, zum wahr-<lb/>ſcheinlichen Beweiſe, wie wahres Eigenthum ſich gegen<lb/>
die neuern Zeiten immer mehr und mehr vermindert ha-<lb/>
be. Jetzt iſt es ganz aus der Sprache weggefallen. Eben<lb/>ſo gieng es den Roͤmern zuerſt mit dem <hirendition="#aq">dominio quirita-<lb/>
rio,</hi> hernach auch ſelbſt mit dem <hirendition="#aq">dominio</hi> was blos ein<lb/><hirendition="#aq">civis Romanus</hi> haben konnte; bis man zuletzt <hirendition="#aq">dominium</hi><lb/>
und <hirendition="#aq">proprietatem</hi> fuͤr eins gebrauchte.</p><lb/><p>Dieſe allgemeine Vermiſchung des alten und neuen<lb/>
Eigenthums, welche zum Theil durch die Vermiſchung<lb/>
der alten und neuen perſoͤnlichen Ehre veranlaſſet wor-<lb/>
den, hat in der That einen groͤßern Einfluß auf den Staat,<lb/>
und auf eine reine gute Theorie der Geſetze gehabt, als<lb/>
man glaubt. Man iſt dadurch nicht allein von den ſchoͤ-<lb/>
nen großen Schluͤſſen, die aus dem alten echten Eigen-<lb/>
thum, wie wir oben bey der Jagd geſehen haben, gemacht<lb/>
wurden, zuruͤckgekommen, ſondern hat auch die Guts-<lb/>
herrlichen Rechte, welche wie man leicht ſieht, ſehr rich-<lb/>
tig aus dem alten echten Eigenthum fließen, in ganz an-<lb/>
dre Falten legen muͤſſen, wie ein ſcharfſichtiger Kenner,<lb/>
der die Eigenthumsordnung durchgeht, leicht bemerken<lb/>
wird.</p><lb/><p>Jn der urſpruͤnglichen Verfaſſung mußte jedes Mit-<lb/>
glied der Nation einen Hof, den er kaufte, als echter Ei-<lb/>
genthuͤmer beſitzen, und dieſem ſeine Landſtandſchaft mit-<lb/>
theilen koͤnnen; das Gut veredelte ſich gleichſam unter<lb/>ſeiner <hirendition="#aq">proprietate,</hi> und er erhielt damit <hirendition="#aq">dominium.</hi> Allein<lb/>
wie erſt ein Eigenthuͤmer ſein Gut einem Meyer uͤber-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gab,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[166/0178]
Von dem echten Eigenthum.
Die Lateiner des mittlern Alters nannten das echte
Eigenthum, was mit der Jagd, Stimmbarkeit und
Schoͤpfenbarkeit verknuͤpft war, advocatiam. Man fin-
det dieſes Wort faſt beſtaͤndig bey allen Verkaͤufen von
Guͤtern, bis ins vierzehnte Jahrhundert, haͤufiger im
dreyzehnten, und am mehrſten im zwoͤlften, zum wahr-
ſcheinlichen Beweiſe, wie wahres Eigenthum ſich gegen
die neuern Zeiten immer mehr und mehr vermindert ha-
be. Jetzt iſt es ganz aus der Sprache weggefallen. Eben
ſo gieng es den Roͤmern zuerſt mit dem dominio quirita-
rio, hernach auch ſelbſt mit dem dominio was blos ein
civis Romanus haben konnte; bis man zuletzt dominium
und proprietatem fuͤr eins gebrauchte.
Dieſe allgemeine Vermiſchung des alten und neuen
Eigenthums, welche zum Theil durch die Vermiſchung
der alten und neuen perſoͤnlichen Ehre veranlaſſet wor-
den, hat in der That einen groͤßern Einfluß auf den Staat,
und auf eine reine gute Theorie der Geſetze gehabt, als
man glaubt. Man iſt dadurch nicht allein von den ſchoͤ-
nen großen Schluͤſſen, die aus dem alten echten Eigen-
thum, wie wir oben bey der Jagd geſehen haben, gemacht
wurden, zuruͤckgekommen, ſondern hat auch die Guts-
herrlichen Rechte, welche wie man leicht ſieht, ſehr rich-
tig aus dem alten echten Eigenthum fließen, in ganz an-
dre Falten legen muͤſſen, wie ein ſcharfſichtiger Kenner,
der die Eigenthumsordnung durchgeht, leicht bemerken
wird.
Jn der urſpruͤnglichen Verfaſſung mußte jedes Mit-
glied der Nation einen Hof, den er kaufte, als echter Ei-
genthuͤmer beſitzen, und dieſem ſeine Landſtandſchaft mit-
theilen koͤnnen; das Gut veredelte ſich gleichſam unter
ſeiner proprietate, und er erhielt damit dominium. Allein
wie erſt ein Eigenthuͤmer ſein Gut einem Meyer uͤber-
gab,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/178>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.