daß ich so glücklich werden möchte, den Dunstkreis der mich umgiebt, verlassen, und mich meinen Freunden, in meiner natürlichen Gestalt zeigen zu können, gedacht habe. Seyn sie indes versichert, daß ich auch wahre Verdienste von weitem kenne, und die ihrigen vorzüg- lich schätze.
XLIII. Von dem echten Eigenthum.
Unter allen mächtigen Begriffen und Ausdrücken, die sich aus der deutschen Denkungsart und Sprache verlohren haben, ist keiner so vollkommen ausgewischet worden, als der von Eigen oder Eigenthum; kaum rei- chen noch einige entlehnte Züge hin, ihn nur einiger- maaßen zum Anschauen zu bringen. Und doch ist er für die Philosophie der Sprache sowohl als der Geschichte von einem sehr erheblichen Werthe; man fühlt, daß so wie der Begriff sank und fortgieng, sich auch das wahre Eigenthum verlohr. Jn der ersten Periode seines Ver- falls nennte man das wahre Eigenthum noch Erbecht, oder wie wir es verdorben haben, Erbexenschaft, andre Orfacht, woraus einige Torfacht gemacht haben; und in der letzten fiel auch dieses Wort ziemlich weg, wie man daraus leicht erkennet, daß wir für die Gutsherrlichkeit welche ein Eigenbehöriger erlangt, der sich heute frey kauft, und morgen seinen Hof mit einem von ihm abhän- genden Eigenbehörigen besetzt, und für diejenige, welche ein echter Gutsherr hat, nur einerley Ausdruck und Be- grif haben, ohnerachtet jeder noch dunkel fühlt, daß die-
ses
Von dem echten Eigenthum.
daß ich ſo gluͤcklich werden moͤchte, den Dunſtkreis der mich umgiebt, verlaſſen, und mich meinen Freunden, in meiner natuͤrlichen Geſtalt zeigen zu koͤnnen, gedacht habe. Seyn ſie indes verſichert, daß ich auch wahre Verdienſte von weitem kenne, und die ihrigen vorzuͤg- lich ſchaͤtze.
XLIII. Von dem echten Eigenthum.
Unter allen maͤchtigen Begriffen und Ausdruͤcken, die ſich aus der deutſchen Denkungsart und Sprache verlohren haben, iſt keiner ſo vollkommen ausgewiſchet worden, als der von Eigen oder Eigenthum; kaum rei- chen noch einige entlehnte Zuͤge hin, ihn nur einiger- maaßen zum Anſchauen zu bringen. Und doch iſt er fuͤr die Philoſophie der Sprache ſowohl als der Geſchichte von einem ſehr erheblichen Werthe; man fuͤhlt, daß ſo wie der Begriff ſank und fortgieng, ſich auch das wahre Eigenthum verlohr. Jn der erſten Periode ſeines Ver- falls nennte man das wahre Eigenthum noch Erbecht, oder wie wir es verdorben haben, Erbexenſchaft, andre Orfacht, woraus einige Torfacht gemacht haben; und in der letzten fiel auch dieſes Wort ziemlich weg, wie man daraus leicht erkennet, daß wir fuͤr die Gutsherrlichkeit welche ein Eigenbehoͤriger erlangt, der ſich heute frey kauft, und morgen ſeinen Hof mit einem von ihm abhaͤn- genden Eigenbehoͤrigen beſetzt, und fuͤr diejenige, welche ein echter Gutsherr hat, nur einerley Ausdruck und Be- grif haben, ohnerachtet jeder noch dunkel fuͤhlt, daß die-
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Von dem echten Eigenthum.
daß ich ſo gluͤcklich werden moͤchte, den Dunſtkreis der
mich umgiebt, verlaſſen, und mich meinen Freunden,
in meiner natuͤrlichen Geſtalt zeigen zu koͤnnen, gedacht
habe. Seyn ſie indes verſichert, daß ich auch wahre
Verdienſte von weitem kenne, und die ihrigen vorzuͤg-
lich ſchaͤtze.
XLIII.
Von dem echten Eigenthum.
Unter allen maͤchtigen Begriffen und Ausdruͤcken, die
ſich aus der deutſchen Denkungsart und Sprache
verlohren haben, iſt keiner ſo vollkommen ausgewiſchet
worden, als der von Eigen oder Eigenthum; kaum rei-
chen noch einige entlehnte Zuͤge hin, ihn nur einiger-
maaßen zum Anſchauen zu bringen. Und doch iſt er fuͤr
die Philoſophie der Sprache ſowohl als der Geſchichte
von einem ſehr erheblichen Werthe; man fuͤhlt, daß ſo
wie der Begriff ſank und fortgieng, ſich auch das wahre
Eigenthum verlohr. Jn der erſten Periode ſeines Ver-
falls nennte man das wahre Eigenthum noch Erbecht,
oder wie wir es verdorben haben, Erbexenſchaft, andre
Orfacht, woraus einige Torfacht gemacht haben; und in
der letzten fiel auch dieſes Wort ziemlich weg, wie man
daraus leicht erkennet, daß wir fuͤr die Gutsherrlichkeit
welche ein Eigenbehoͤriger erlangt, der ſich heute frey
kauft, und morgen ſeinen Hof mit einem von ihm abhaͤn-
genden Eigenbehoͤrigen beſetzt, und fuͤr diejenige, welche
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/176>, abgerufen am 22.02.2025.
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