Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Gewissensfrage eines Advokaten.
ne Frage ist also dadurch nicht erörtert; und ob mir gleich
andre sagen, der sicherste Weg sich in solchen Fällen zu
rathen, sey dieser, daß man nicht gegen sein eignes Ge-
wissen handle, und die Vertheidigung keiner Sache über-
nehme, die man selbst ungerecht findet: so ist mir doch
auch damit nicht sattsam geholfen, weil ich mehrmals
bemerket, daß eine Sache die mir anfangs ungerecht ge-
schienen hat, in der Folge, wenn ich erst von allen Grün-
den und Umständen erwärmet worden bin, eine ganz an-
dre Gestalt gewonnen habe. Und so habe ich immer alle
Sachen, die mir beym ersten Anblick ungerecht schienen,
aus einem billigen Mißtrauen in meine ersten Einsichten
annehmen müssen. Daher mag es auch gekommen seyn,
daß ich noch niemals in dem Falle gewesen bin eine mir
aufgetragene Vertheidigung abzulehnen.

Es muß also entweder einem Advocaten erlaubt seyn,
alle Sachen ohne Unterschied anzunehmen, und zu ver-
theidigen; oder man muß ihm einen Probierstein anwei-
sen, woran er so fort die falschen von den echten unter-
scheiden könne; und um die Mittheilung dieses Probier-
steins bittet inständigst

N. N.
Adv. immat.

XL.
Vorschlag zu einem neuen Plan der deut-
schen Reichsgeschichte.

Jn der Geschichte des deutschen Reichs setzt man ins-
gemein mit Carl dem Großen oder Ludewig dem
Deutschen ein, und holet dabey die vorhergegangene

Ver-
K 5

Gewiſſensfrage eines Advokaten.
ne Frage iſt alſo dadurch nicht eroͤrtert; und ob mir gleich
andre ſagen, der ſicherſte Weg ſich in ſolchen Faͤllen zu
rathen, ſey dieſer, daß man nicht gegen ſein eignes Ge-
wiſſen handle, und die Vertheidigung keiner Sache uͤber-
nehme, die man ſelbſt ungerecht findet: ſo iſt mir doch
auch damit nicht ſattſam geholfen, weil ich mehrmals
bemerket, daß eine Sache die mir anfangs ungerecht ge-
ſchienen hat, in der Folge, wenn ich erſt von allen Gruͤn-
den und Umſtaͤnden erwaͤrmet worden bin, eine ganz an-
dre Geſtalt gewonnen habe. Und ſo habe ich immer alle
Sachen, die mir beym erſten Anblick ungerecht ſchienen,
aus einem billigen Mißtrauen in meine erſten Einſichten
annehmen muͤſſen. Daher mag es auch gekommen ſeyn,
daß ich noch niemals in dem Falle geweſen bin eine mir
aufgetragene Vertheidigung abzulehnen.

Es muß alſo entweder einem Advocaten erlaubt ſeyn,
alle Sachen ohne Unterſchied anzunehmen, und zu ver-
theidigen; oder man muß ihm einen Probierſtein anwei-
ſen, woran er ſo fort die falſchen von den echten unter-
ſcheiden koͤnne; und um die Mittheilung dieſes Probier-
ſteins bittet inſtaͤndigſt

N. N.
Adv. immat.

XL.
Vorſchlag zu einem neuen Plan der deut-
ſchen Reichsgeſchichte.

Jn der Geſchichte des deutſchen Reichs ſetzt man ins-
gemein mit Carl dem Großen oder Ludewig dem
Deutſchen ein, und holet dabey die vorhergegangene

Ver-
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gewi&#x017F;&#x017F;ensfrage eines Advokaten.</hi></fw><lb/>
ne Frage i&#x017F;t al&#x017F;o dadurch nicht ero&#x0364;rtert; und ob mir gleich<lb/>
andre &#x017F;agen, der &#x017F;icher&#x017F;te Weg &#x017F;ich in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen zu<lb/>
rathen, &#x017F;ey die&#x017F;er, daß man nicht gegen &#x017F;ein eignes Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en handle, und die Vertheidigung keiner Sache u&#x0364;ber-<lb/>
nehme, die man &#x017F;elb&#x017F;t ungerecht findet: &#x017F;o i&#x017F;t mir doch<lb/>
auch damit nicht &#x017F;att&#x017F;am geholfen, weil ich mehrmals<lb/>
bemerket, daß eine Sache die mir anfangs ungerecht ge-<lb/>
&#x017F;chienen hat, in der Folge, wenn ich er&#x017F;t von allen Gru&#x0364;n-<lb/>
den und Um&#x017F;ta&#x0364;nden erwa&#x0364;rmet worden bin, eine ganz an-<lb/>
dre Ge&#x017F;talt gewonnen habe. Und &#x017F;o habe ich immer alle<lb/>
Sachen, die mir beym er&#x017F;ten Anblick ungerecht &#x017F;chienen,<lb/>
aus einem billigen Mißtrauen in meine er&#x017F;ten Ein&#x017F;ichten<lb/>
annehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Daher mag es auch gekommen &#x017F;eyn,<lb/>
daß ich noch niemals in dem Falle gewe&#x017F;en bin eine mir<lb/>
aufgetragene Vertheidigung abzulehnen.</p><lb/>
          <p>Es muß al&#x017F;o entweder einem Advocaten erlaubt &#x017F;eyn,<lb/>
alle Sachen ohne Unter&#x017F;chied anzunehmen, und zu ver-<lb/>
theidigen; oder man muß ihm einen Probier&#x017F;tein anwei-<lb/>
&#x017F;en, woran er &#x017F;o fort die fal&#x017F;chen von den echten unter-<lb/>
&#x017F;cheiden ko&#x0364;nne; und um die Mittheilung die&#x017F;es Probier-<lb/>
&#x017F;teins bittet in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;t</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">N. N.<lb/>
Adv. immat.</hi> </hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">XL.</hi><lb/><hi rendition="#b">Vor&#x017F;chlag zu einem neuen Plan der deut</hi>-<lb/>
&#x017F;chen Reichsge&#x017F;chichte.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>n der Ge&#x017F;chichte des deut&#x017F;chen Reichs &#x017F;etzt man ins-<lb/>
gemein mit Carl dem Großen oder Ludewig dem<lb/>
Deut&#x017F;chen ein, und holet dabey die vorhergegangene<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0165] Gewiſſensfrage eines Advokaten. ne Frage iſt alſo dadurch nicht eroͤrtert; und ob mir gleich andre ſagen, der ſicherſte Weg ſich in ſolchen Faͤllen zu rathen, ſey dieſer, daß man nicht gegen ſein eignes Ge- wiſſen handle, und die Vertheidigung keiner Sache uͤber- nehme, die man ſelbſt ungerecht findet: ſo iſt mir doch auch damit nicht ſattſam geholfen, weil ich mehrmals bemerket, daß eine Sache die mir anfangs ungerecht ge- ſchienen hat, in der Folge, wenn ich erſt von allen Gruͤn- den und Umſtaͤnden erwaͤrmet worden bin, eine ganz an- dre Geſtalt gewonnen habe. Und ſo habe ich immer alle Sachen, die mir beym erſten Anblick ungerecht ſchienen, aus einem billigen Mißtrauen in meine erſten Einſichten annehmen muͤſſen. Daher mag es auch gekommen ſeyn, daß ich noch niemals in dem Falle geweſen bin eine mir aufgetragene Vertheidigung abzulehnen. Es muß alſo entweder einem Advocaten erlaubt ſeyn, alle Sachen ohne Unterſchied anzunehmen, und zu ver- theidigen; oder man muß ihm einen Probierſtein anwei- ſen, woran er ſo fort die falſchen von den echten unter- ſcheiden koͤnne; und um die Mittheilung dieſes Probier- ſteins bittet inſtaͤndigſt N. N. Adv. immat. XL. Vorſchlag zu einem neuen Plan der deut- ſchen Reichsgeſchichte. Jn der Geſchichte des deutſchen Reichs ſetzt man ins- gemein mit Carl dem Großen oder Ludewig dem Deutſchen ein, und holet dabey die vorhergegangene Ver- K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/165
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/165>, abgerufen am 22.12.2024.