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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Etwas zur Verbesserung der Zuchthäuser.
weisung befonders in solchen Staaten, wo es eben nicht
angenehm zu wohnen ist, sehr vieles von ihrem Werthe
wie von ihrem Nutzen verlohren; in den alten Zeiten
wie die Kreisstände sich hierüber verstanden, und diejeni-
gen die aus einem Lande verwiesen waren, in einem an-
dern deßelbigen Kreises nicht aufgenommen wurden,
mochte man mehr damit ausrichten. Unsre Vorfahren,
die allemal reich an praktischen Erfindungen waren, hat-
ten ein vortrefliches Mittel hierüber ohne viele Umschwei-
fe, eine nachbarliche Correspondenz zu unterhalten. Sie
stempelten den Verbrecher mit einem glüenden Eisen auf
den Rücken, und nirgends ward ein Neuwohner aufge-
nommen ohne zuförderst der Obrigkeit, unter welcher er
aufgenommen seyn wollte, einen reinen Rücken zu zeigen.
Wenn wir diese Erfindung, welche zum Theil durch un-
sre neumodische Menschenliebe verscheucht ist, wieder auf-
nähmen: so würden wir vielleicht damit eben so gut aus-
langen, als man damit in den Zeiten, wie noch gar kei-
ne Zuchthäuser und mehr reiche Leute als jetzt in der
Welt waren, ausgelangt ist.

Eben diese allmählig eingeschlichene Empfindsamkeit
hat, indem sie einige Strafen gemildert, solche nur häu-
figer nöthig gemacht. Man hat in verschiedenen deut-
schen Stadtrechten viele sonderbar schimpfliche und krän-
kende Strafen gegen allerhand Garten- und Felddiebe-
reyen gehabt; und es ist glaublich, daß das Exempel,
was damit an Einem gegeben worden, zehn andre be-
kehrt habe. Jetzt sind wir gelinder, und die Folge da-
von ist, daß wir zehn Leute statt einen strafen müssen.
Jn den ältesten Zeiten und bey allen Völkern ist das Blen-
den
eine sehr gewöhnliche Strafe gewesen, sie vertrat die
Stelle der Lebensstrafe, und ich glaube, daß sie die fürch-

terlichste

Etwas zur Verbeſſerung der Zuchthaͤuſer.
weiſung befonders in ſolchen Staaten, wo es eben nicht
angenehm zu wohnen iſt, ſehr vieles von ihrem Werthe
wie von ihrem Nutzen verlohren; in den alten Zeiten
wie die Kreisſtaͤnde ſich hieruͤber verſtanden, und diejeni-
gen die aus einem Lande verwieſen waren, in einem an-
dern deßelbigen Kreiſes nicht aufgenommen wurden,
mochte man mehr damit ausrichten. Unſre Vorfahren,
die allemal reich an praktiſchen Erfindungen waren, hat-
ten ein vortrefliches Mittel hieruͤber ohne viele Umſchwei-
fe, eine nachbarliche Correſpondenz zu unterhalten. Sie
ſtempelten den Verbrecher mit einem gluͤenden Eiſen auf
den Ruͤcken, und nirgends ward ein Neuwohner aufge-
nommen ohne zufoͤrderſt der Obrigkeit, unter welcher er
aufgenommen ſeyn wollte, einen reinen Ruͤcken zu zeigen.
Wenn wir dieſe Erfindung, welche zum Theil durch un-
ſre neumodiſche Menſchenliebe verſcheucht iſt, wieder auf-
naͤhmen: ſo wuͤrden wir vielleicht damit eben ſo gut aus-
langen, als man damit in den Zeiten, wie noch gar kei-
ne Zuchthaͤuſer und mehr reiche Leute als jetzt in der
Welt waren, ausgelangt iſt.

Eben dieſe allmaͤhlig eingeſchlichene Empfindſamkeit
hat, indem ſie einige Strafen gemildert, ſolche nur haͤu-
figer noͤthig gemacht. Man hat in verſchiedenen deut-
ſchen Stadtrechten viele ſonderbar ſchimpfliche und kraͤn-
kende Strafen gegen allerhand Garten- und Felddiebe-
reyen gehabt; und es iſt glaublich, daß das Exempel,
was damit an Einem gegeben worden, zehn andre be-
kehrt habe. Jetzt ſind wir gelinder, und die Folge da-
von iſt, daß wir zehn Leute ſtatt einen ſtrafen muͤſſen.
Jn den aͤlteſten Zeiten und bey allen Voͤlkern iſt das Blen-
den
eine ſehr gewoͤhnliche Strafe geweſen, ſie vertrat die
Stelle der Lebensſtrafe, und ich glaube, daß ſie die fuͤrch-

terlichſte
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[146/0158] Etwas zur Verbeſſerung der Zuchthaͤuſer. weiſung befonders in ſolchen Staaten, wo es eben nicht angenehm zu wohnen iſt, ſehr vieles von ihrem Werthe wie von ihrem Nutzen verlohren; in den alten Zeiten wie die Kreisſtaͤnde ſich hieruͤber verſtanden, und diejeni- gen die aus einem Lande verwieſen waren, in einem an- dern deßelbigen Kreiſes nicht aufgenommen wurden, mochte man mehr damit ausrichten. Unſre Vorfahren, die allemal reich an praktiſchen Erfindungen waren, hat- ten ein vortrefliches Mittel hieruͤber ohne viele Umſchwei- fe, eine nachbarliche Correſpondenz zu unterhalten. Sie ſtempelten den Verbrecher mit einem gluͤenden Eiſen auf den Ruͤcken, und nirgends ward ein Neuwohner aufge- nommen ohne zufoͤrderſt der Obrigkeit, unter welcher er aufgenommen ſeyn wollte, einen reinen Ruͤcken zu zeigen. Wenn wir dieſe Erfindung, welche zum Theil durch un- ſre neumodiſche Menſchenliebe verſcheucht iſt, wieder auf- naͤhmen: ſo wuͤrden wir vielleicht damit eben ſo gut aus- langen, als man damit in den Zeiten, wie noch gar kei- ne Zuchthaͤuſer und mehr reiche Leute als jetzt in der Welt waren, ausgelangt iſt. Eben dieſe allmaͤhlig eingeſchlichene Empfindſamkeit hat, indem ſie einige Strafen gemildert, ſolche nur haͤu- figer noͤthig gemacht. Man hat in verſchiedenen deut- ſchen Stadtrechten viele ſonderbar ſchimpfliche und kraͤn- kende Strafen gegen allerhand Garten- und Felddiebe- reyen gehabt; und es iſt glaublich, daß das Exempel, was damit an Einem gegeben worden, zehn andre be- kehrt habe. Jetzt ſind wir gelinder, und die Folge da- von iſt, daß wir zehn Leute ſtatt einen ſtrafen muͤſſen. Jn den aͤlteſten Zeiten und bey allen Voͤlkern iſt das Blen- den eine ſehr gewoͤhnliche Strafe geweſen, ſie vertrat die Stelle der Lebensſtrafe, und ich glaube, daß ſie die fuͤrch- terlichſte

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/158>, abgerufen am 22.11.2024.