verdrungen zu haben; daher sie auch weniger würken, und einen, wenn man sie anwenden will, nicht selten verlassen.
Mit leichter Mühe geriethen die Griechen auf den Schluß, daß man die jungen Menschen, wie die jungen Thiere ab- richten müsse, und die Abrichtung ihrer Kinder war ihre erste Sorge. Die gemeinen Bedürfnisse bestimmten die Art derselben, und alle ihre Kinder würden, wie die Hämpf- linge, ein Lied gepfiffen, oder wie die Hunde den Ball ge- holt haben, wenn das gemeine Wohl dieses erfordert hätte. Aber sie wollten und bildeten Krieger, tapfre und dauer- hafte Seelen, wie Harrisons Uhren, womit man die Welt umfahren kann, ohne daß sie einen Augenblick fehlen; und Bürger, die ihr Vaterland über alles liebten.
Nach unsrer jetzigen Verfassung brauchen wir derglei- chen Kriegerseelen nicht, so nöthig es auch seyn mögte, daß die mindermächtigen Völker die Zucht ihrer Jugend ver- stärkten, und ein neues Geschlecht bildeten, das man nicht durch Tractaten zu Sklaven machen könnte. Wir wollen jetzt lauter geschickte, arbeitsame und mäßige Leute, die viel gewinnen und wenig verzehren müssen. Diese suchen wir zu erzielen, und auch dahin könnte sich die Abrichtung er- strecken, wenn jedes Städtgen seine Policey darnach anlegte, und solche auf seinen eignen Zweck richtete.
In allen unsern jetzigen Verfassungen liegt der Fehler, daß ein Nachbar sich um die Aufführung des andern nicht weiter bekümmert, als es die Neugierde erfordert. Was geht es mich an? was geht es dich an? heißt es, wenn einer den andern auf liederlichen Wegen antrift. Man fürchtet nur den Fiscus, und was dieser nicht sieht, das wird auch nicht gerügt. Keiner will Anbringer seyn, und die Strafen werden als ein Zoll betrachtet, den man öffent- lich verfahren kann, ohne von seinen Nachbaren verrathen
zu
Sollte man nicht jedem Staͤdtgen
verdrungen zu haben; daher ſie auch weniger wuͤrken, und einen, wenn man ſie anwenden will, nicht ſelten verlaſſen.
Mit leichter Muͤhe geriethen die Griechen auf den Schluß, daß man die jungen Menſchen, wie die jungen Thiere ab- richten muͤſſe, und die Abrichtung ihrer Kinder war ihre erſte Sorge. Die gemeinen Beduͤrfniſſe beſtimmten die Art derſelben, und alle ihre Kinder wuͤrden, wie die Haͤmpf- linge, ein Lied gepfiffen, oder wie die Hunde den Ball ge- holt haben, wenn das gemeine Wohl dieſes erfordert haͤtte. Aber ſie wollten und bildeten Krieger, tapfre und dauer- hafte Seelen, wie Harriſons Uhren, womit man die Welt umfahren kann, ohne daß ſie einen Augenblick fehlen; und Buͤrger, die ihr Vaterland uͤber alles liebten.
Nach unſrer jetzigen Verfaſſung brauchen wir derglei- chen Kriegerſeelen nicht, ſo noͤthig es auch ſeyn moͤgte, daß die mindermaͤchtigen Voͤlker die Zucht ihrer Jugend ver- ſtaͤrkten, und ein neues Geſchlecht bildeten, das man nicht durch Tractaten zu Sklaven machen koͤnnte. Wir wollen jetzt lauter geſchickte, arbeitſame und maͤßige Leute, die viel gewinnen und wenig verzehren muͤſſen. Dieſe ſuchen wir zu erzielen, und auch dahin koͤnnte ſich die Abrichtung er- ſtrecken, wenn jedes Staͤdtgen ſeine Policey darnach anlegte, und ſolche auf ſeinen eignen Zweck richtete.
In allen unſern jetzigen Verfaſſungen liegt der Fehler, daß ein Nachbar ſich um die Auffuͤhrung des andern nicht weiter bekuͤmmert, als es die Neugierde erfordert. Was geht es mich an? was geht es dich an? heißt es, wenn einer den andern auf liederlichen Wegen antrift. Man fuͤrchtet nur den Fiſcus, und was dieſer nicht ſieht, das wird auch nicht geruͤgt. Keiner will Anbringer ſeyn, und die Strafen werden als ein Zoll betrachtet, den man oͤffent- lich verfahren kann, ohne von ſeinen Nachbaren verrathen
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Sollte man nicht jedem Staͤdtgen
verdrungen zu haben; daher ſie auch weniger wuͤrken,
und einen, wenn man ſie anwenden will, nicht ſelten
verlaſſen.
Mit leichter Muͤhe geriethen die Griechen auf den Schluß,
daß man die jungen Menſchen, wie die jungen Thiere ab-
richten muͤſſe, und die Abrichtung ihrer Kinder war ihre
erſte Sorge. Die gemeinen Beduͤrfniſſe beſtimmten die
Art derſelben, und alle ihre Kinder wuͤrden, wie die Haͤmpf-
linge, ein Lied gepfiffen, oder wie die Hunde den Ball ge-
holt haben, wenn das gemeine Wohl dieſes erfordert haͤtte.
Aber ſie wollten und bildeten Krieger, tapfre und dauer-
hafte Seelen, wie Harriſons Uhren, womit man die Welt
umfahren kann, ohne daß ſie einen Augenblick fehlen; und
Buͤrger, die ihr Vaterland uͤber alles liebten.
Nach unſrer jetzigen Verfaſſung brauchen wir derglei-
chen Kriegerſeelen nicht, ſo noͤthig es auch ſeyn moͤgte, daß
die mindermaͤchtigen Voͤlker die Zucht ihrer Jugend ver-
ſtaͤrkten, und ein neues Geſchlecht bildeten, das man nicht
durch Tractaten zu Sklaven machen koͤnnte. Wir wollen
jetzt lauter geſchickte, arbeitſame und maͤßige Leute, die viel
gewinnen und wenig verzehren muͤſſen. Dieſe ſuchen wir
zu erzielen, und auch dahin koͤnnte ſich die Abrichtung er-
ſtrecken, wenn jedes Staͤdtgen ſeine Policey darnach anlegte,
und ſolche auf ſeinen eignen Zweck richtete.
In allen unſern jetzigen Verfaſſungen liegt der Fehler,
daß ein Nachbar ſich um die Auffuͤhrung des andern nicht
weiter bekuͤmmert, als es die Neugierde erfordert. Was
geht es mich an? was geht es dich an? heißt es, wenn
einer den andern auf liederlichen Wegen antrift. Man
fuͤrchtet nur den Fiſcus, und was dieſer nicht ſieht, das
wird auch nicht geruͤgt. Keiner will Anbringer ſeyn, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/82>, abgerufen am 28.07.2024.
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