gute Folgen! wie viele schöne Tage in dem Winter, nach welchem wir keinen Frühling mehr zu erwarten haben!
Und wenn nun das junge Ehepaar glücklich ist? wenn es gute Gesellschaften hat die ich mit geniessen, und verlas- sen kann, so bald es mir gefällt? wenn ihre Freunde auch die meinigen werden, und alle sich vereinigen mir Leben und Freuden zu erhalten? Sollte ich sie dann nicht noch zärtlicher lieben! und sollte ich nicht die Siege mit genies- sen, die sie über einander erhalten? Ich der Schöpfer ihres Glücks! und sie meine dankbaren Geschöpfe! O Freund! meine Liebe schwärmt: aber liebend will ich sterben, und nicht ungeliebt dahin scheiden!
XVIII. Vor die Empfindsamen.
Sie geben so manchen guten Rath aus, und zwar oft an Leute die es nicht einmahl verlangen, vielweni- ger erkennen, daß Sie mir hoffentlich auch eine Priese da- von nicht versagen werden. Ich kann Ihnen dabey sagen, daß er für ein recht liebes junges Mädgen seyn soll, bey welcher ich als Cammerjungfer manche gute und auch man- che traurige Stunden habe. Das gute Kind laboriert, wie es selbst spricht, an der Empfindsamkeit, einer Krank- heit, welche erst seit wenigen Jahren in hiesigen Gegenden bekannt geworden ist, und in so kurzer Zeit so weit um sich gegriffen hat, daß man sie fast als epidemisch ansehen muß. Die Natur derselben, werden Sie am besten beurtheilen, wenn ich Ihnen einige der häufigsten Zufälle davon erzählet haben werde. Sie ist immer erstaunend weinerlich; wie vor zwey Jahren ihre Großmamma, eine steinalte Frau, die im vorigen Jahrhundert ihr letztes Kindbette gehalten hatte,
in
So mag man noch im Alter lieben.
gute Folgen! wie viele ſchoͤne Tage in dem Winter, nach welchem wir keinen Fruͤhling mehr zu erwarten haben!
Und wenn nun das junge Ehepaar gluͤcklich iſt? wenn es gute Geſellſchaften hat die ich mit genieſſen, und verlaſ- ſen kann, ſo bald es mir gefaͤllt? wenn ihre Freunde auch die meinigen werden, und alle ſich vereinigen mir Leben und Freuden zu erhalten? Sollte ich ſie dann nicht noch zaͤrtlicher lieben! und ſollte ich nicht die Siege mit genieſ- ſen, die ſie uͤber einander erhalten? Ich der Schoͤpfer ihres Gluͤcks! und ſie meine dankbaren Geſchoͤpfe! O Freund! meine Liebe ſchwaͤrmt: aber liebend will ich ſterben, und nicht ungeliebt dahin ſcheiden!
XVIII. Vor die Empfindſamen.
Sie geben ſo manchen guten Rath aus, und zwar oft an Leute die es nicht einmahl verlangen, vielweni- ger erkennen, daß Sie mir hoffentlich auch eine Prieſe da- von nicht verſagen werden. Ich kann Ihnen dabey ſagen, daß er fuͤr ein recht liebes junges Maͤdgen ſeyn ſoll, bey welcher ich als Cammerjungfer manche gute und auch man- che traurige Stunden habe. Das gute Kind laboriert, wie es ſelbſt ſpricht, an der Empfindſamkeit, einer Krank- heit, welche erſt ſeit wenigen Jahren in hieſigen Gegenden bekannt geworden iſt, und in ſo kurzer Zeit ſo weit um ſich gegriffen hat, daß man ſie faſt als epidemiſch anſehen muß. Die Natur derſelben, werden Sie am beſten beurtheilen, wenn ich Ihnen einige der haͤufigſten Zufaͤlle davon erzaͤhlet haben werde. Sie iſt immer erſtaunend weinerlich; wie vor zwey Jahren ihre Großmamma, eine ſteinalte Frau, die im vorigen Jahrhundert ihr letztes Kindbette gehalten hatte,
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[59/0073]
So mag man noch im Alter lieben.
gute Folgen! wie viele ſchoͤne Tage in dem Winter, nach
welchem wir keinen Fruͤhling mehr zu erwarten haben!
Und wenn nun das junge Ehepaar gluͤcklich iſt? wenn
es gute Geſellſchaften hat die ich mit genieſſen, und verlaſ-
ſen kann, ſo bald es mir gefaͤllt? wenn ihre Freunde auch
die meinigen werden, und alle ſich vereinigen mir Leben
und Freuden zu erhalten? Sollte ich ſie dann nicht noch
zaͤrtlicher lieben! und ſollte ich nicht die Siege mit genieſ-
ſen, die ſie uͤber einander erhalten? Ich der Schoͤpfer ihres
Gluͤcks! und ſie meine dankbaren Geſchoͤpfe! O Freund!
meine Liebe ſchwaͤrmt: aber liebend will ich ſterben, und
nicht ungeliebt dahin ſcheiden!
XVIII.
Vor die Empfindſamen.
Sie geben ſo manchen guten Rath aus, und zwar oft
an Leute die es nicht einmahl verlangen, vielweni-
ger erkennen, daß Sie mir hoffentlich auch eine Prieſe da-
von nicht verſagen werden. Ich kann Ihnen dabey ſagen,
daß er fuͤr ein recht liebes junges Maͤdgen ſeyn ſoll, bey
welcher ich als Cammerjungfer manche gute und auch man-
che traurige Stunden habe. Das gute Kind laboriert,
wie es ſelbſt ſpricht, an der Empfindſamkeit, einer Krank-
heit, welche erſt ſeit wenigen Jahren in hieſigen Gegenden
bekannt geworden iſt, und in ſo kurzer Zeit ſo weit um ſich
gegriffen hat, daß man ſie faſt als epidemiſch anſehen muß.
Die Natur derſelben, werden Sie am beſten beurtheilen,
wenn ich Ihnen einige der haͤufigſten Zufaͤlle davon erzaͤhlet
haben werde. Sie iſt immer erſtaunend weinerlich; wie
vor zwey Jahren ihre Großmamma, eine ſteinalte Frau, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/73>, abgerufen am 03.03.2025.
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