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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die arme Tante Lore.
Wie fest wird er nicht die Wohlfahrt seines Reichs gründen,
wenn das Glück unser aller von dessen Erhaltung abhängt?
Und wie vollkommen muß diejenige Staatsmaschine seyn,
wo wir als die geringsten Springfedern derselben eine so
schmeichelhafte Aufmerksamkeit verdienet haben! Nota:
Ich meyne die Springfedern in allen Ehren.

Aber nun -- es ist doch leider immer ein Aber in der
Welt -- nun will niemand die Stelle eines Mannes bey
mir vertreten. Mein Bruder ist tod, und alle die ich
darum anspreche, sehen hoch auf, als ob sie fragen wollten:
Wie hoffest du schon daß ich vor dir sterben soll? Unser
alter Pächter sagte mir sogar ins Angesicht, als ich ihn um
diese Gefälligkeit ansprach: Ach Mademoiselle sie würden
mich zu Tode seufzen;
und meine spitzigen Vettern, die
mich immer die eiserne Tante nennen, weil ich von ihnen
als ein Inventarien Stück auf dem Amthause angesehen
werde, droheten, sie wollten nach Berlin schreiben, daß
man mich nicht aufnehmen mögte, weil ich gewiß hundert
Jahr alt werden würde, da sie mich aller ihrer Mühe un-
geachtet nicht hätten zu Tode ärgern können. Der Anbeter
meiner Nichte, der Frau Oberamtmannin, rieth mir recht
spashaft, ich mögte es machen wie die Polly in der Bett-

lers-
erforderlichen Atteste herbeyschaffen muß. In allen diesen Fäl-
len werden dergleichen zwo Personen in Absicht auf die Societät
und ihre Gesetze, würklich Eheleuten völlig gleich geachtet, nach
dem Tode der Mannsperson genießet die Frauensperson die ihr
versicherte Pension, und wenn sie heyrathet, behält sie gleich
den wieder heyrathenden Wittwen, nach der Bestimmung des
§. 27. die Hälfte davon. Wir setzen aber hiebey ein für allemahl
fest, daß keine Mannsperson auf ihren eignen Todesfall mehr
als einer Frauensperson, so lange selbige am Leben ist, eine Pen-
sion versichern lassen kann, und eben deshalb ist die vorher be-
stimmte Einwilligung nöthig.
D 2

Die arme Tante Lore.
Wie feſt wird er nicht die Wohlfahrt ſeines Reichs gruͤnden,
wenn das Gluͤck unſer aller von deſſen Erhaltung abhaͤngt?
Und wie vollkommen muß diejenige Staatsmaſchine ſeyn,
wo wir als die geringſten Springfedern derſelben eine ſo
ſchmeichelhafte Aufmerkſamkeit verdienet haben! Nota:
Ich meyne die Springfedern in allen Ehren.

Aber nun — es iſt doch leider immer ein Aber in der
Welt — nun will niemand die Stelle eines Mannes bey
mir vertreten. Mein Bruder iſt tod, und alle die ich
darum anſpreche, ſehen hoch auf, als ob ſie fragen wollten:
Wie hoffeſt du ſchon daß ich vor dir ſterben ſoll? Unſer
alter Paͤchter ſagte mir ſogar ins Angeſicht, als ich ihn um
dieſe Gefaͤlligkeit anſprach: Ach Mademoiſelle ſie wuͤrden
mich zu Tode ſeufzen;
und meine ſpitzigen Vettern, die
mich immer die eiſerne Tante nennen, weil ich von ihnen
als ein Inventarien Stuͤck auf dem Amthauſe angeſehen
werde, droheten, ſie wollten nach Berlin ſchreiben, daß
man mich nicht aufnehmen moͤgte, weil ich gewiß hundert
Jahr alt werden wuͤrde, da ſie mich aller ihrer Muͤhe un-
geachtet nicht haͤtten zu Tode aͤrgern koͤnnen. Der Anbeter
meiner Nichte, der Frau Oberamtmannin, rieth mir recht
ſpashaft, ich moͤgte es machen wie die Polly in der Bett-

lers-
erforderlichen Atteſte herbeyſchaffen muß. In allen dieſen Faͤl-
len werden dergleichen zwo Perſonen in Abſicht auf die Societaͤt
und ihre Geſetze, wuͤrklich Eheleuten voͤllig gleich geachtet, nach
dem Tode der Mannsperſon genießet die Frauensperſon die ihr
verſicherte Penſion, und wenn ſie heyrathet, behaͤlt ſie gleich
den wieder heyrathenden Wittwen, nach der Beſtimmung des
§. 27. die Haͤlfte davon. Wir ſetzen aber hiebey ein fuͤr allemahl
feſt, daß keine Mannsperſon auf ihren eignen Todesfall mehr
als einer Frauensperſon, ſo lange ſelbige am Leben iſt, eine Pen-
ſion verſichern laſſen kann, und eben deshalb iſt die vorher be-
ſtimmte Einwilligung noͤthig.
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[51/0065] Die arme Tante Lore. Wie feſt wird er nicht die Wohlfahrt ſeines Reichs gruͤnden, wenn das Gluͤck unſer aller von deſſen Erhaltung abhaͤngt? Und wie vollkommen muß diejenige Staatsmaſchine ſeyn, wo wir als die geringſten Springfedern derſelben eine ſo ſchmeichelhafte Aufmerkſamkeit verdienet haben! Nota: Ich meyne die Springfedern in allen Ehren. Aber nun — es iſt doch leider immer ein Aber in der Welt — nun will niemand die Stelle eines Mannes bey mir vertreten. Mein Bruder iſt tod, und alle die ich darum anſpreche, ſehen hoch auf, als ob ſie fragen wollten: Wie hoffeſt du ſchon daß ich vor dir ſterben ſoll? Unſer alter Paͤchter ſagte mir ſogar ins Angeſicht, als ich ihn um dieſe Gefaͤlligkeit anſprach: Ach Mademoiſelle ſie wuͤrden mich zu Tode ſeufzen; und meine ſpitzigen Vettern, die mich immer die eiſerne Tante nennen, weil ich von ihnen als ein Inventarien Stuͤck auf dem Amthauſe angeſehen werde, droheten, ſie wollten nach Berlin ſchreiben, daß man mich nicht aufnehmen moͤgte, weil ich gewiß hundert Jahr alt werden wuͤrde, da ſie mich aller ihrer Muͤhe un- geachtet nicht haͤtten zu Tode aͤrgern koͤnnen. Der Anbeter meiner Nichte, der Frau Oberamtmannin, rieth mir recht ſpashaft, ich moͤgte es machen wie die Polly in der Bett- lers- *) *) erforderlichen Atteſte herbeyſchaffen muß. In allen dieſen Faͤl- len werden dergleichen zwo Perſonen in Abſicht auf die Societaͤt und ihre Geſetze, wuͤrklich Eheleuten voͤllig gleich geachtet, nach dem Tode der Mannsperſon genießet die Frauensperſon die ihr verſicherte Penſion, und wenn ſie heyrathet, behaͤlt ſie gleich den wieder heyrathenden Wittwen, nach der Beſtimmung des §. 27. die Haͤlfte davon. Wir ſetzen aber hiebey ein fuͤr allemahl feſt, daß keine Mannsperſon auf ihren eignen Todesfall mehr als einer Frauensperſon, ſo lange ſelbige am Leben iſt, eine Pen- ſion verſichern laſſen kann, und eben deshalb iſt die vorher be- ſtimmte Einwilligung noͤthig. D 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/65>, abgerufen am 27.11.2024.