Lisette, welche sich in diese Rede gar nicht finden konnte, wuste nicht, was sie antworten sollte, und die gnädige Frau fuhr fort: ich sehe wohl, Johann ist dir lieber als ein Ducaten. Nimm ihn also, wie ich ihn genommen ha- ben würde, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre -- Noch hatte das Mädchen nicht das Herz, diese gute Laune für Ernst aufzunehmen -- Aber wisse, daß er unter kei- ner andern Bedingung Organist, und du nicht Frau Or- ganistin werden wirst, als bis ihr euch beyde schriftlich an- heischig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wollest. Doch, fügte sie etwas erweicht hinzu, magst du auf hohen Festta- gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir jüngst bey einer gewissen Gelegenheit geschenkt habe -- Das Cammer- mädgen weinte vor Freuden -- und den gelben, und grü- nen, und schwarzen ...
Es war Zeit, daß der gnädige Herr herein trat, sonst wäre die gnädige Frau gar zu weich geworden. Dieser machte also der barmherzigen Strenge ein Ende, und be- stimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienste, welchen er ihm gab, ein jährliches Gnadengehalt unter der Bedingung des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue seidene für die hohen Festtage, der gnädigen Frau zu Ehren, bey- behalten.
Die
Mös. patr. Phant.III.Th. D
Das war der Cammerjungfer recht.
Liſette, welche ſich in dieſe Rede gar nicht finden konnte, wuſte nicht, was ſie antworten ſollte, und die gnaͤdige Frau fuhr fort: ich ſehe wohl, Johann iſt dir lieber als ein Ducaten. Nimm ihn alſo, wie ich ihn genommen ha- ben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre — Noch hatte das Maͤdchen nicht das Herz, dieſe gute Laune fuͤr Ernſt aufzunehmen — Aber wiſſe, daß er unter kei- ner andern Bedingung Organiſt, und du nicht Frau Or- ganiſtin werden wirſt, als bis ihr euch beyde ſchriftlich an- heiſchig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolleſt. Doch, fuͤgte ſie etwas erweicht hinzu, magſt du auf hohen Feſtta- gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir juͤngſt bey einer gewiſſen Gelegenheit geſchenkt habe — Das Cammer- maͤdgen weinte vor Freuden — und den gelben, und gruͤ- nen, und ſchwarzen …
Es war Zeit, daß der gnaͤdige Herr herein trat, ſonſt waͤre die gnaͤdige Frau gar zu weich geworden. Dieſer machte alſo der barmherzigen Strenge ein Ende, und be- ſtimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienſte, welchen er ihm gab, ein jaͤhrliches Gnadengehalt unter der Bedingung des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue ſeidene fuͤr die hohen Feſttage, der gnaͤdigen Frau zu Ehren, bey- behalten.
Die
Moͤſ. patr. Phant.III.Th. D
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0063"n="49"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das war der Cammerjungfer recht.</hi></fw><lb/><p>Liſette, welche ſich in dieſe Rede gar nicht finden konnte,<lb/>
wuſte nicht, was ſie antworten ſollte, und die gnaͤdige<lb/>
Frau fuhr fort: ich ſehe wohl, Johann iſt dir lieber als<lb/>
ein Ducaten. Nimm ihn alſo, wie ich ihn genommen ha-<lb/>
ben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre —<lb/>
Noch hatte das Maͤdchen nicht das Herz, dieſe gute Laune<lb/>
fuͤr Ernſt aufzunehmen — Aber wiſſe, daß er unter kei-<lb/>
ner andern Bedingung Organiſt, und du nicht Frau Or-<lb/>
ganiſtin werden wirſt, als bis ihr euch beyde ſchriftlich an-<lb/>
heiſchig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als<lb/>
in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolleſt. Doch,<lb/>
fuͤgte ſie etwas erweicht hinzu, magſt du auf hohen Feſtta-<lb/>
gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir juͤngſt bey<lb/>
einer gewiſſen Gelegenheit geſchenkt habe — Das Cammer-<lb/>
maͤdgen weinte vor Freuden — und den gelben, und gruͤ-<lb/>
nen, und ſchwarzen …</p><lb/><p>Es war Zeit, daß der gnaͤdige Herr herein trat, ſonſt<lb/>
waͤre die gnaͤdige Frau gar zu weich geworden. Dieſer<lb/>
machte alſo der barmherzigen Strenge ein Ende, und be-<lb/>ſtimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienſte, welchen er<lb/>
ihm gab, ein jaͤhrliches Gnadengehalt unter der Bedingung<lb/>
des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue ſeidene<lb/>
fuͤr die hohen Feſttage, der gnaͤdigen Frau zu Ehren, bey-<lb/>
behalten.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Moͤſ. patr. Phant.</hi><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> D</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Die</hi></fw><lb/></body></text></TEI>
[49/0063]
Das war der Cammerjungfer recht.
Liſette, welche ſich in dieſe Rede gar nicht finden konnte,
wuſte nicht, was ſie antworten ſollte, und die gnaͤdige
Frau fuhr fort: ich ſehe wohl, Johann iſt dir lieber als
ein Ducaten. Nimm ihn alſo, wie ich ihn genommen ha-
ben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre —
Noch hatte das Maͤdchen nicht das Herz, dieſe gute Laune
fuͤr Ernſt aufzunehmen — Aber wiſſe, daß er unter kei-
ner andern Bedingung Organiſt, und du nicht Frau Or-
ganiſtin werden wirſt, als bis ihr euch beyde ſchriftlich an-
heiſchig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als
in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolleſt. Doch,
fuͤgte ſie etwas erweicht hinzu, magſt du auf hohen Feſtta-
gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir juͤngſt bey
einer gewiſſen Gelegenheit geſchenkt habe — Das Cammer-
maͤdgen weinte vor Freuden — und den gelben, und gruͤ-
nen, und ſchwarzen …
Es war Zeit, daß der gnaͤdige Herr herein trat, ſonſt
waͤre die gnaͤdige Frau gar zu weich geworden. Dieſer
machte alſo der barmherzigen Strenge ein Ende, und be-
ſtimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienſte, welchen er
ihm gab, ein jaͤhrliches Gnadengehalt unter der Bedingung
des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue ſeidene
fuͤr die hohen Feſttage, der gnaͤdigen Frau zu Ehren, bey-
behalten.
Die
Moͤſ. patr. Phant. III. Th. D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/63>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.