Ich mag Ihnen das übrige nicht herschreiben; Sie ken- nen ihn, meine Theureste, und wissen, daß er zwar rich- tig im Text, aber sehr kauderwelsch in seinem Vortrage ist. Ich habe seit meinem letzten die A .. nicht gesehen; indessen aber doch gehört, daß ihr Mann, der sich, wie man ihn beschuldigte, mit seinem Hauptbuche, unsichtbar gemacht hatte, in A .. angelangt ist. Vermuthlich wird er sein Unglück rechtfertigen können; und solchergestalt sei- nem guten Weibe den einzigen Trost verschaffen, der ihr fehlte. Es nagte sie unaufhörlich, daß er überall für ei- nen Betrieger gelten muste; und über diesen Punkt habe ich nie mit ihr sprechen mögen, sie auch nicht mit mir.
Gleich zu Anfang ihrer Ehe klagte sie mir einmal, daß ihr Mann die Glücksspiele, und besonders das Lotto, so sehr liebte; und ich wollte wohl sagen, daß dieses, wiewol ganz zufälliger Weise, auch auf ihre Lebensart einen übeln Ein- fluß gehabt hat. Ich erwartete gestern, sagte sie mir da- mals, meinen Mann bey einem kleinen häuslichen Abend- essen, und hatte mir eine kleine unschuldige Freude daraus gemacht, daß ich ihm ein Kinderhemdgen zeigen wollte, das ich selbst fertig gemacht hatte; ich rechnete auf sein Lob, als meine einzige Belohnung, und mein Herz schlug vor sanfter Freude bey dem Geräusche eines jeden Wagens, der durch unsre Gasse fuhr. Da wird er seyn, dachte ich ... aber er kam nicht; das Essen das ich bereitet hatte, ver- darb am Feuer, und alle meine Erwartungen wurden ge- täuscht. Wie er endlich spät kam, war ich unmuthig, hatte keine Freude mehr, ihm meine Arbeit zu zeigen; und er war so voll von einem Gewinnste, den er gethan hatte, daß ich mich schämte ihm zu sagen, wie ich heute acht Schilling mit Nähen ersparet hätte."
Ich
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Die Politik im Ungluͤck.
Ich mag Ihnen das uͤbrige nicht herſchreiben; Sie ken- nen ihn, meine Theureſte, und wiſſen, daß er zwar rich- tig im Text, aber ſehr kauderwelſch in ſeinem Vortrage iſt. Ich habe ſeit meinem letzten die A .. nicht geſehen; indeſſen aber doch gehoͤrt, daß ihr Mann, der ſich, wie man ihn beſchuldigte, mit ſeinem Hauptbuche, unſichtbar gemacht hatte, in A .. angelangt iſt. Vermuthlich wird er ſein Ungluͤck rechtfertigen koͤnnen; und ſolchergeſtalt ſei- nem guten Weibe den einzigen Troſt verſchaffen, der ihr fehlte. Es nagte ſie unaufhoͤrlich, daß er uͤberall fuͤr ei- nen Betrieger gelten muſte; und uͤber dieſen Punkt habe ich nie mit ihr ſprechen moͤgen, ſie auch nicht mit mir.
Gleich zu Anfang ihrer Ehe klagte ſie mir einmal, daß ihr Mann die Gluͤcksſpiele, und beſonders das Lotto, ſo ſehr liebte; und ich wollte wohl ſagen, daß dieſes, wiewol ganz zufaͤlliger Weiſe, auch auf ihre Lebensart einen uͤbeln Ein- fluß gehabt hat. Ich erwartete geſtern, ſagte ſie mir da- mals, meinen Mann bey einem kleinen haͤuslichen Abend- eſſen, und hatte mir eine kleine unſchuldige Freude daraus gemacht, daß ich ihm ein Kinderhemdgen zeigen wollte, das ich ſelbſt fertig gemacht hatte; ich rechnete auf ſein Lob, als meine einzige Belohnung, und mein Herz ſchlug vor ſanfter Freude bey dem Geraͤuſche eines jeden Wagens, der durch unſre Gaſſe fuhr. Da wird er ſeyn, dachte ich … aber er kam nicht; das Eſſen das ich bereitet hatte, ver- darb am Feuer, und alle meine Erwartungen wurden ge- taͤuſcht. Wie er endlich ſpaͤt kam, war ich unmuthig, hatte keine Freude mehr, ihm meine Arbeit zu zeigen; und er war ſo voll von einem Gewinnſte, den er gethan hatte, daß ich mich ſchaͤmte ihm zu ſagen, wie ich heute acht Schilling mit Naͤhen erſparet haͤtte.„
Ich
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Die Politik im Ungluͤck.
Ich mag Ihnen das uͤbrige nicht herſchreiben; Sie ken-
nen ihn, meine Theureſte, und wiſſen, daß er zwar rich-
tig im Text, aber ſehr kauderwelſch in ſeinem Vortrage
iſt. Ich habe ſeit meinem letzten die A .. nicht geſehen;
indeſſen aber doch gehoͤrt, daß ihr Mann, der ſich, wie
man ihn beſchuldigte, mit ſeinem Hauptbuche, unſichtbar
gemacht hatte, in A .. angelangt iſt. Vermuthlich wird
er ſein Ungluͤck rechtfertigen koͤnnen; und ſolchergeſtalt ſei-
nem guten Weibe den einzigen Troſt verſchaffen, der ihr
fehlte. Es nagte ſie unaufhoͤrlich, daß er uͤberall fuͤr ei-
nen Betrieger gelten muſte; und uͤber dieſen Punkt habe
ich nie mit ihr ſprechen moͤgen, ſie auch nicht mit mir.
Gleich zu Anfang ihrer Ehe klagte ſie mir einmal, daß
ihr Mann die Gluͤcksſpiele, und beſonders das Lotto, ſo ſehr
liebte; und ich wollte wohl ſagen, daß dieſes, wiewol ganz
zufaͤlliger Weiſe, auch auf ihre Lebensart einen uͤbeln Ein-
fluß gehabt hat. Ich erwartete geſtern, ſagte ſie mir da-
mals, meinen Mann bey einem kleinen haͤuslichen Abend-
eſſen, und hatte mir eine kleine unſchuldige Freude daraus
gemacht, daß ich ihm ein Kinderhemdgen zeigen wollte, das
ich ſelbſt fertig gemacht hatte; ich rechnete auf ſein Lob,
als meine einzige Belohnung, und mein Herz ſchlug vor
ſanfter Freude bey dem Geraͤuſche eines jeden Wagens, der
durch unſre Gaſſe fuhr. Da wird er ſeyn, dachte ich …
aber er kam nicht; das Eſſen das ich bereitet hatte, ver-
darb am Feuer, und alle meine Erwartungen wurden ge-
taͤuſcht. Wie er endlich ſpaͤt kam, war ich unmuthig, hatte
keine Freude mehr, ihm meine Arbeit zu zeigen; und er
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/51>, abgerufen am 22.11.2024.
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