Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

der sogenannten Hyen, Echten oder Hoden.
besorgen haben, daß ihre Erbschaft der Landesherrschaft,
gleich der Erbschaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann
war aus dem Lippischen gebürtig, wo alle Biesterfreyheit
mit einem Groschen abgewehret werden kann a), welchen
die Erben auf den Sarg legen, und die Landesherrschaft
zur freyen Urkunde annimmt. Die Oßnabrückischen Rechte
sind uns beyden unbekannt gewesen; wir haben nicht ge-
wust, daß wir uns eben einschreiben lassen müsten; ich ha-
be gedacht, die Luft, die ich als Unterthan genossen, ersetzte
die leere Ceremonie der Einschreibung; und mein Mann ist
ohne Zweifel in dem Glauben gestorben, daß ich seine Ver-
lassenschaft mit dem traurigen Pfennig noch früh genug lö-
sen könnte.

Alles dieses, versetzten die Beamte, kann die Landes-
herrschaft, nicht aber uns bewegen, von unserer Forde-
rung abzugehen. Jene kann Gnade thun; wir aber sind
aufs Recht gewiesen. Wir müssen alles was Ihr seliger
Mann verlassen hat, zu uns nehmen. Will sie aber Gna-
de suchen: so wollen wir ihr einen Monat Zeit dazu geben,
und uns immittelst begnügen, den Nachlaß des Biester-
freyen aufzuschreiben, und ihr solchen gegen genugsame
Bürgschaft zur getreuen Verwahrung überlassen. Der ar-
men Witwe blieb also nichts übrig als sich an den damali-
gen Bischof zu wenden, und dasjenige unter neuen Thrä-
nen zu wiederholen, was sie den Beamten vorgebracht hat-
te. Dieser war weit entfernt, sich mit einer so traurigen
Erbschaft zu bereichern. Inzwischen reizte ihn doch seine
Wißbegierde sich über den Ursprung und den Nutzen der

Hoden,
a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es auch an verschiedenen
Orten in Frankreich, als z. E. Et si aucun de ces Aubains
mourut et n'eut commande a rendre 4 deniers au Baron, tous
les meubles seroient au Baron v. Stabilimenta S. Lodovici
L. I. c. 87. ap. du fresne v. Aubenae.

der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden.
beſorgen haben, daß ihre Erbſchaft der Landesherrſchaft,
gleich der Erbſchaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann
war aus dem Lippiſchen gebuͤrtig, wo alle Bieſterfreyheit
mit einem Groſchen abgewehret werden kann a), welchen
die Erben auf den Sarg legen, und die Landesherrſchaft
zur freyen Urkunde annimmt. Die Oßnabruͤckiſchen Rechte
ſind uns beyden unbekannt geweſen; wir haben nicht ge-
wuſt, daß wir uns eben einſchreiben laſſen muͤſten; ich ha-
be gedacht, die Luft, die ich als Unterthan genoſſen, erſetzte
die leere Ceremonie der Einſchreibung; und mein Mann iſt
ohne Zweifel in dem Glauben geſtorben, daß ich ſeine Ver-
laſſenſchaft mit dem traurigen Pfennig noch fruͤh genug loͤ-
ſen koͤnnte.

Alles dieſes, verſetzten die Beamte, kann die Landes-
herrſchaft, nicht aber uns bewegen, von unſerer Forde-
rung abzugehen. Jene kann Gnade thun; wir aber ſind
aufs Recht gewieſen. Wir muͤſſen alles was Ihr ſeliger
Mann verlaſſen hat, zu uns nehmen. Will ſie aber Gna-
de ſuchen: ſo wollen wir ihr einen Monat Zeit dazu geben,
und uns immittelſt begnuͤgen, den Nachlaß des Bieſter-
freyen aufzuſchreiben, und ihr ſolchen gegen genugſame
Buͤrgſchaft zur getreuen Verwahrung uͤberlaſſen. Der ar-
men Witwe blieb alſo nichts uͤbrig als ſich an den damali-
gen Biſchof zu wenden, und dasjenige unter neuen Thraͤ-
nen zu wiederholen, was ſie den Beamten vorgebracht hat-
te. Dieſer war weit entfernt, ſich mit einer ſo traurigen
Erbſchaft zu bereichern. Inzwiſchen reizte ihn doch ſeine
Wißbegierde ſich uͤber den Urſprung und den Nutzen der

Hoden,
a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es auch an verſchiedenen
Orten in Frankreich, als z. E. Et ſi aucun de ces Aubains
mourut et n’eut commandé à rendre 4 deniers au Baron, tous
les meubles ſeroient au Baron v. Stabilimenta S. Lodovici
L. I. c. 87. ap. du fresne v. Aubenæ.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0363" n="349"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der &#x017F;ogenannten Hyen, Echten oder Hoden.</hi></fw><lb/>
be&#x017F;orgen haben, daß ihre Erb&#x017F;chaft der Landesherr&#x017F;chaft,<lb/>
gleich der Erb&#x017F;chaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann<lb/>
war aus dem Lippi&#x017F;chen gebu&#x0364;rtig, wo alle Bie&#x017F;terfreyheit<lb/>
mit einem Gro&#x017F;chen abgewehret werden kann <note place="foot" n="a)">Eben dergleichen Gewohnheiten gab es auch an ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Orten in Frankreich, als z. E. <hi rendition="#aq">Et &#x017F;i aucun de ces Aubains<lb/>
mourut et n&#x2019;eut commandé à rendre 4 deniers au Baron, tous<lb/>
les meubles &#x017F;eroient au Baron v. Stabilimenta S. Lodovici<lb/>
L. I. c. 87. ap. du <hi rendition="#k">fresne</hi> <hi rendition="#i">v. Aubenæ.</hi></hi></note>, welchen<lb/>
die Erben auf den Sarg legen, und die Landesherr&#x017F;chaft<lb/>
zur freyen Urkunde annimmt. Die Oßnabru&#x0364;cki&#x017F;chen Rechte<lb/>
&#x017F;ind uns beyden unbekannt gewe&#x017F;en; wir haben nicht ge-<lb/>
wu&#x017F;t, daß wir uns eben ein&#x017F;chreiben la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;ten; ich ha-<lb/>
be gedacht, die Luft, die ich als Unterthan geno&#x017F;&#x017F;en, er&#x017F;etzte<lb/>
die leere Ceremonie der Ein&#x017F;chreibung; und mein Mann i&#x017F;t<lb/>
ohne Zweifel in dem Glauben ge&#x017F;torben, daß ich &#x017F;eine Ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mit dem traurigen Pfennig noch fru&#x0364;h genug lo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Alles die&#x017F;es, ver&#x017F;etzten die Beamte, kann die Landes-<lb/>
herr&#x017F;chaft, nicht aber uns bewegen, von un&#x017F;erer Forde-<lb/>
rung abzugehen. Jene kann Gnade thun; wir aber &#x017F;ind<lb/>
aufs Recht gewie&#x017F;en. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en alles was Ihr &#x017F;eliger<lb/>
Mann verla&#x017F;&#x017F;en hat, zu uns nehmen. Will &#x017F;ie aber Gna-<lb/>
de &#x017F;uchen: &#x017F;o wollen wir ihr einen Monat Zeit dazu geben,<lb/>
und uns immittel&#x017F;t begnu&#x0364;gen, den Nachlaß des Bie&#x017F;ter-<lb/>
freyen aufzu&#x017F;chreiben, und ihr &#x017F;olchen gegen genug&#x017F;ame<lb/>
Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft zur getreuen Verwahrung u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en. Der ar-<lb/>
men Witwe blieb al&#x017F;o nichts u&#x0364;brig als &#x017F;ich an den damali-<lb/>
gen Bi&#x017F;chof zu wenden, und dasjenige unter neuen Thra&#x0364;-<lb/>
nen zu wiederholen, was &#x017F;ie den Beamten vorgebracht hat-<lb/>
te. Die&#x017F;er war weit entfernt, &#x017F;ich mit einer &#x017F;o traurigen<lb/>
Erb&#x017F;chaft zu bereichern. Inzwi&#x017F;chen reizte ihn doch &#x017F;eine<lb/>
Wißbegierde &#x017F;ich u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung und den Nutzen der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Hoden,</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0363] der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden. beſorgen haben, daß ihre Erbſchaft der Landesherrſchaft, gleich der Erbſchaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann war aus dem Lippiſchen gebuͤrtig, wo alle Bieſterfreyheit mit einem Groſchen abgewehret werden kann a), welchen die Erben auf den Sarg legen, und die Landesherrſchaft zur freyen Urkunde annimmt. Die Oßnabruͤckiſchen Rechte ſind uns beyden unbekannt geweſen; wir haben nicht ge- wuſt, daß wir uns eben einſchreiben laſſen muͤſten; ich ha- be gedacht, die Luft, die ich als Unterthan genoſſen, erſetzte die leere Ceremonie der Einſchreibung; und mein Mann iſt ohne Zweifel in dem Glauben geſtorben, daß ich ſeine Ver- laſſenſchaft mit dem traurigen Pfennig noch fruͤh genug loͤ- ſen koͤnnte. Alles dieſes, verſetzten die Beamte, kann die Landes- herrſchaft, nicht aber uns bewegen, von unſerer Forde- rung abzugehen. Jene kann Gnade thun; wir aber ſind aufs Recht gewieſen. Wir muͤſſen alles was Ihr ſeliger Mann verlaſſen hat, zu uns nehmen. Will ſie aber Gna- de ſuchen: ſo wollen wir ihr einen Monat Zeit dazu geben, und uns immittelſt begnuͤgen, den Nachlaß des Bieſter- freyen aufzuſchreiben, und ihr ſolchen gegen genugſame Buͤrgſchaft zur getreuen Verwahrung uͤberlaſſen. Der ar- men Witwe blieb alſo nichts uͤbrig als ſich an den damali- gen Biſchof zu wenden, und dasjenige unter neuen Thraͤ- nen zu wiederholen, was ſie den Beamten vorgebracht hat- te. Dieſer war weit entfernt, ſich mit einer ſo traurigen Erbſchaft zu bereichern. Inzwiſchen reizte ihn doch ſeine Wißbegierde ſich uͤber den Urſprung und den Nutzen der Hoden, a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es auch an verſchiedenen Orten in Frankreich, als z. E. Et ſi aucun de ces Aubains mourut et n’eut commandé à rendre 4 deniers au Baron, tous les meubles ſeroient au Baron v. Stabilimenta S. Lodovici L. I. c. 87. ap. du fresne v. Aubenæ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/363
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/363>, abgerufen am 22.11.2024.