hat sehr vieles von ihrem innerlichen Gehalte verlohren, weil man hier blos auf das Verhältniß zwischen den Leib- eignen und Gutsherrn als Erbverpächtern gesehen hat; der allenfalls zufrieden ist, einen schlechten Kerl, wenn er sonst richtig bezahlt, auf dem Hofe zu lassen, so lange der Staat ihn nicht verbannet. In der That aber gehört diese Ursache zu den allgemeinen, und die Beamte sollten jeden Freyen, und der Gutsherr, kraft der vogteylichen Gerechtsame, jeden Leibeigenen, der sich so schändlich be- trägt, des Hofes entsetzen können. Ein Soldat mag noch so schön gewachsen und noch so tapfer seyn: so wird er vom Regiment gejagt, so bald er etwas begeht, was mit der Dienstehre nicht bestehen kann. Eine gleiche Denkungs- art herrschte unter den ursprünglichen Reihepflichtigen bey den Deutschen, und dem Staat ist daran gelegen, um die gemeine Reihe bey Ehren folgends mit dieser Ehre Ackerbau und Amtssäßigkeit in Ansehen zu erhalten, diese Denkungsart nicht zu schwächen. Daß der Mann oder die Frau, welche in solchem Falle durch den schuldigen Theil mit ins Unglück gezogen wird, eine Auffahrt (lau- demium) bezahlet habe, ist zwar ein hinlänglicher Grund für den Gutsherrn als Erbverpächtern, um sie nicht zu verstossen, aber nicht für den Gutsherrn, in so fern er die Vogtey hat, oder für den Staat, der in vielen Fäl- len mit einer Dienst und Hofeserlassung mehr als mit ei- ner Landesverweisung und Zuchthausstrafe ausrichten kann.
Ich würde zu weit gehen, wenn ich die Verwirrung, welche daher, daß man entweder immer mit dem engen Begriffe einer Erbpacht in die Sache hineingegangen, oder ganz verschiedene Menschen unter Eine Regel zwingen wol- len, entstanden sind, mit einander anzeigen wollte. Es verlohnet sich auch nicht der Mühe, und alles was aus
den
oder Abmeyerungsurſachen.
hat ſehr vieles von ihrem innerlichen Gehalte verlohren, weil man hier blos auf das Verhaͤltniß zwiſchen den Leib- eignen und Gutsherrn als Erbverpaͤchtern geſehen hat; der allenfalls zufrieden iſt, einen ſchlechten Kerl, wenn er ſonſt richtig bezahlt, auf dem Hofe zu laſſen, ſo lange der Staat ihn nicht verbannet. In der That aber gehoͤrt dieſe Urſache zu den allgemeinen, und die Beamte ſollten jeden Freyen, und der Gutsherr, kraft der vogteylichen Gerechtſame, jeden Leibeigenen, der ſich ſo ſchaͤndlich be- traͤgt, des Hofes entſetzen koͤnnen. Ein Soldat mag noch ſo ſchoͤn gewachſen und noch ſo tapfer ſeyn: ſo wird er vom Regiment gejagt, ſo bald er etwas begeht, was mit der Dienſtehre nicht beſtehen kann. Eine gleiche Denkungs- art herrſchte unter den urſpruͤnglichen Reihepflichtigen bey den Deutſchen, und dem Staat iſt daran gelegen, um die gemeine Reihe bey Ehren folgends mit dieſer Ehre Ackerbau und Amtsſaͤßigkeit in Anſehen zu erhalten, dieſe Denkungsart nicht zu ſchwaͤchen. Daß der Mann oder die Frau, welche in ſolchem Falle durch den ſchuldigen Theil mit ins Ungluͤck gezogen wird, eine Auffahrt (lau- demium) bezahlet habe, iſt zwar ein hinlaͤnglicher Grund fuͤr den Gutsherrn als Erbverpaͤchtern, um ſie nicht zu verſtoſſen, aber nicht fuͤr den Gutsherrn, in ſo fern er die Vogtey hat, oder fuͤr den Staat, der in vielen Faͤl- len mit einer Dienſt und Hofeserlaſſung mehr als mit ei- ner Landesverweiſung und Zuchthausſtrafe ausrichten kann.
Ich wuͤrde zu weit gehen, wenn ich die Verwirrung, welche daher, daß man entweder immer mit dem engen Begriffe einer Erbpacht in die Sache hineingegangen, oder ganz verſchiedene Menſchen unter Eine Regel zwingen wol- len, entſtanden ſind, mit einander anzeigen wollte. Es verlohnet ſich auch nicht der Muͤhe, und alles was aus
den
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0347"n="333"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">oder Abmeyerungsurſachen.</hi></fw><lb/><p>hat ſehr vieles von ihrem innerlichen Gehalte verlohren,<lb/>
weil man hier blos auf das Verhaͤltniß zwiſchen den Leib-<lb/>
eignen und Gutsherrn als Erbverpaͤchtern geſehen hat;<lb/>
der allenfalls zufrieden iſt, einen ſchlechten Kerl, wenn<lb/>
er ſonſt richtig bezahlt, auf dem Hofe zu laſſen, ſo lange<lb/>
der Staat ihn nicht verbannet. In der That aber gehoͤrt<lb/>
dieſe Urſache zu den allgemeinen, und die Beamte ſollten<lb/>
jeden Freyen, und der Gutsherr, kraft der vogteylichen<lb/>
Gerechtſame, jeden Leibeigenen, der ſich ſo ſchaͤndlich be-<lb/>
traͤgt, des Hofes entſetzen koͤnnen. Ein Soldat mag noch<lb/>ſo ſchoͤn gewachſen und noch ſo tapfer ſeyn: ſo wird er vom<lb/>
Regiment gejagt, ſo bald er etwas begeht, was mit der<lb/>
Dienſtehre nicht beſtehen kann. Eine gleiche Denkungs-<lb/>
art herrſchte unter den urſpruͤnglichen Reihepflichtigen bey<lb/>
den Deutſchen, und dem Staat iſt daran gelegen, um<lb/>
die gemeine Reihe bey Ehren folgends mit dieſer Ehre<lb/>
Ackerbau und Amtsſaͤßigkeit in Anſehen zu erhalten, dieſe<lb/>
Denkungsart nicht zu ſchwaͤchen. Daß der Mann oder<lb/>
die Frau, welche in ſolchem Falle durch den ſchuldigen<lb/>
Theil mit ins Ungluͤck gezogen wird, eine Auffahrt (<hirendition="#aq">lau-<lb/>
demium</hi>) bezahlet habe, iſt zwar ein hinlaͤnglicher Grund<lb/>
fuͤr den Gutsherrn als Erbverpaͤchtern, um ſie nicht zu<lb/>
verſtoſſen, aber nicht fuͤr den Gutsherrn, in ſo fern er<lb/>
die Vogtey hat, oder fuͤr den Staat, der in vielen Faͤl-<lb/>
len mit einer Dienſt und Hofeserlaſſung mehr als mit ei-<lb/>
ner Landesverweiſung und Zuchthausſtrafe ausrichten<lb/>
kann.</p><lb/><p>Ich wuͤrde zu weit gehen, wenn ich die Verwirrung,<lb/>
welche daher, daß man entweder immer mit dem engen<lb/>
Begriffe einer Erbpacht in die Sache hineingegangen, oder<lb/>
ganz verſchiedene Menſchen unter Eine Regel zwingen wol-<lb/>
len, entſtanden ſind, mit einander anzeigen wollte. Es<lb/>
verlohnet ſich auch nicht der Muͤhe, und alles was aus<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[333/0347]
oder Abmeyerungsurſachen.
hat ſehr vieles von ihrem innerlichen Gehalte verlohren,
weil man hier blos auf das Verhaͤltniß zwiſchen den Leib-
eignen und Gutsherrn als Erbverpaͤchtern geſehen hat;
der allenfalls zufrieden iſt, einen ſchlechten Kerl, wenn
er ſonſt richtig bezahlt, auf dem Hofe zu laſſen, ſo lange
der Staat ihn nicht verbannet. In der That aber gehoͤrt
dieſe Urſache zu den allgemeinen, und die Beamte ſollten
jeden Freyen, und der Gutsherr, kraft der vogteylichen
Gerechtſame, jeden Leibeigenen, der ſich ſo ſchaͤndlich be-
traͤgt, des Hofes entſetzen koͤnnen. Ein Soldat mag noch
ſo ſchoͤn gewachſen und noch ſo tapfer ſeyn: ſo wird er vom
Regiment gejagt, ſo bald er etwas begeht, was mit der
Dienſtehre nicht beſtehen kann. Eine gleiche Denkungs-
art herrſchte unter den urſpruͤnglichen Reihepflichtigen bey
den Deutſchen, und dem Staat iſt daran gelegen, um
die gemeine Reihe bey Ehren folgends mit dieſer Ehre
Ackerbau und Amtsſaͤßigkeit in Anſehen zu erhalten, dieſe
Denkungsart nicht zu ſchwaͤchen. Daß der Mann oder
die Frau, welche in ſolchem Falle durch den ſchuldigen
Theil mit ins Ungluͤck gezogen wird, eine Auffahrt (lau-
demium) bezahlet habe, iſt zwar ein hinlaͤnglicher Grund
fuͤr den Gutsherrn als Erbverpaͤchtern, um ſie nicht zu
verſtoſſen, aber nicht fuͤr den Gutsherrn, in ſo fern er
die Vogtey hat, oder fuͤr den Staat, der in vielen Faͤl-
len mit einer Dienſt und Hofeserlaſſung mehr als mit ei-
ner Landesverweiſung und Zuchthausſtrafe ausrichten
kann.
Ich wuͤrde zu weit gehen, wenn ich die Verwirrung,
welche daher, daß man entweder immer mit dem engen
Begriffe einer Erbpacht in die Sache hineingegangen, oder
ganz verſchiedene Menſchen unter Eine Regel zwingen wol-
len, entſtanden ſind, mit einander anzeigen wollte. Es
verlohnet ſich auch nicht der Muͤhe, und alles was aus
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/347>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.