Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Abmeyerungen können dem
die vorzüglichste Aufmerksamkeit. Wahr ist es zwar, daß
ein Hagelschlag, ein Mißwachs, ein Viehsterben, ein so
genanntes Unglück am Vieh, ein gerechter aber schwerer
Proceß und viele andre Umstände einen Leibeignen dergestalt
zurück bringen können, daß seine Gebäude und Zäune, den
Gebäuden und Zäunen eines liederlichen Wirths völlig ähn-
lich sehen; wahr ist es auch, daß dergleichen Strafen Got-
tes wohl einen ehrlichen Mann in die Versuchung führen
können, die Axt an eine heilige Eiche zu legen, oder sein
Büchenholz etwas stärker anzugreifen, als ein anderer.
Allein wenn doch der Augenschein zuerst geredet, und den
Leibeignen mit dem Beweise jener Unglücksfälle, in so fern
er etwas erhebt, beladen hat: so pflegt sich die Sache doch
bald aufzuklären, indem der Grund oder Ungrund jener
Unglücksfälle mit einiger Mühe leicht übersehen werden kann.

Das sicherste Mittel unter allen würde seyn, die etwa-
nige Besserung, welche ein Leibeigner in dem Hofe hat,
meistbietend zu verkaufen, und ihn und die Gläubiger mit
dem daraus erhaltenen Gelde abzufinden; alsdenn bedürfe
es gar keiner besondern Abäusserungsursachen, sondern man
verführe mit den Leibeignen wie mit den Freyen, wenn sie
ihre Schulden nicht bezahlen können. Diese Besserung
könnte man durch Churgenossen (erwählte Achtsleute) schä-
tzen, und wenn der Gutsherr die Schätzung bezahlte, dem-
selben gegen deren Erlegung den Hof zur anderweiten Be-
setzung überlassen. Der Gutsherr behielte von der Schä-
tzung was er selbst zu fordern hätte, und befetzte sodann
den Hof mit andern nach seinem Gefallen. Wollten die
unbewilligten Gläubiger sich dieses nicht gefallen lassen;
so müßten sie einen bessern Käufer stellen, der ein mehrers
für die Besserung erlegte, so dann sich zum Leibeignen über-
gäbe. Von dem Uebergebot erhielte der Gutsherr die

Hälfte

Die Abmeyerungen koͤnnen dem
die vorzuͤglichſte Aufmerkſamkeit. Wahr iſt es zwar, daß
ein Hagelſchlag, ein Mißwachs, ein Viehſterben, ein ſo
genanntes Ungluͤck am Vieh, ein gerechter aber ſchwerer
Proceß und viele andre Umſtaͤnde einen Leibeignen dergeſtalt
zuruͤck bringen koͤnnen, daß ſeine Gebaͤude und Zaͤune, den
Gebaͤuden und Zaͤunen eines liederlichen Wirths voͤllig aͤhn-
lich ſehen; wahr iſt es auch, daß dergleichen Strafen Got-
tes wohl einen ehrlichen Mann in die Verſuchung fuͤhren
koͤnnen, die Axt an eine heilige Eiche zu legen, oder ſein
Buͤchenholz etwas ſtaͤrker anzugreifen, als ein anderer.
Allein wenn doch der Augenſchein zuerſt geredet, und den
Leibeignen mit dem Beweiſe jener Ungluͤcksfaͤlle, in ſo fern
er etwas erhebt, beladen hat: ſo pflegt ſich die Sache doch
bald aufzuklaͤren, indem der Grund oder Ungrund jener
Ungluͤcksfaͤlle mit einiger Muͤhe leicht uͤberſehen werden kann.

Das ſicherſte Mittel unter allen wuͤrde ſeyn, die etwa-
nige Beſſerung, welche ein Leibeigner in dem Hofe hat,
meiſtbietend zu verkaufen, und ihn und die Glaͤubiger mit
dem daraus erhaltenen Gelde abzufinden; alsdenn beduͤrfe
es gar keiner beſondern Abaͤuſſerungsurſachen, ſondern man
verfuͤhre mit den Leibeignen wie mit den Freyen, wenn ſie
ihre Schulden nicht bezahlen koͤnnen. Dieſe Beſſerung
koͤnnte man durch Churgenoſſen (erwaͤhlte Achtsleute) ſchaͤ-
tzen, und wenn der Gutsherr die Schaͤtzung bezahlte, dem-
ſelben gegen deren Erlegung den Hof zur anderweiten Be-
ſetzung uͤberlaſſen. Der Gutsherr behielte von der Schaͤ-
tzung was er ſelbſt zu fordern haͤtte, und befetzte ſodann
den Hof mit andern nach ſeinem Gefallen. Wollten die
unbewilligten Glaͤubiger ſich dieſes nicht gefallen laſſen;
ſo muͤßten ſie einen beſſern Kaͤufer ſtellen, der ein mehrers
fuͤr die Beſſerung erlegte, ſo dann ſich zum Leibeignen uͤber-
gaͤbe. Von dem Uebergebot erhielte der Gutsherr die

Haͤlfte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="322"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Abmeyerungen ko&#x0364;nnen dem</hi></fw><lb/>
die vorzu&#x0364;glich&#x017F;te Aufmerk&#x017F;amkeit. Wahr i&#x017F;t es zwar, daß<lb/>
ein Hagel&#x017F;chlag, ein Mißwachs, ein Vieh&#x017F;terben, ein &#x017F;o<lb/>
genanntes Unglu&#x0364;ck am Vieh, ein gerechter aber &#x017F;chwerer<lb/>
Proceß und viele andre Um&#x017F;ta&#x0364;nde einen Leibeignen derge&#x017F;talt<lb/>
zuru&#x0364;ck bringen ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;eine Geba&#x0364;ude und Za&#x0364;une, den<lb/>
Geba&#x0364;uden und Za&#x0364;unen eines liederlichen Wirths vo&#x0364;llig a&#x0364;hn-<lb/>
lich &#x017F;ehen; wahr i&#x017F;t es auch, daß dergleichen Strafen Got-<lb/>
tes wohl einen ehrlichen Mann in die Ver&#x017F;uchung fu&#x0364;hren<lb/>
ko&#x0364;nnen, die Axt an eine heilige Eiche zu legen, oder &#x017F;ein<lb/>
Bu&#x0364;chenholz etwas &#x017F;ta&#x0364;rker anzugreifen, als ein anderer.<lb/>
Allein wenn doch der Augen&#x017F;chein zuer&#x017F;t geredet, und den<lb/>
Leibeignen mit dem Bewei&#x017F;e jener Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle, in &#x017F;o fern<lb/>
er etwas erhebt, beladen hat: &#x017F;o pflegt &#x017F;ich die Sache doch<lb/>
bald aufzukla&#x0364;ren, indem der Grund oder Ungrund jener<lb/>
Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle mit einiger Mu&#x0364;he leicht u&#x0364;ber&#x017F;ehen werden kann.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;icher&#x017F;te Mittel unter allen wu&#x0364;rde &#x017F;eyn, die etwa-<lb/>
nige Be&#x017F;&#x017F;erung, welche ein Leibeigner in dem Hofe hat,<lb/>
mei&#x017F;tbietend zu verkaufen, und ihn und die Gla&#x0364;ubiger mit<lb/>
dem daraus erhaltenen Gelde abzufinden; alsdenn bedu&#x0364;rfe<lb/>
es gar keiner be&#x017F;ondern Aba&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erungsur&#x017F;achen, &#x017F;ondern man<lb/>
verfu&#x0364;hre mit den Leibeignen wie mit den Freyen, wenn &#x017F;ie<lb/>
ihre Schulden nicht bezahlen ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;e Be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
ko&#x0364;nnte man durch Churgeno&#x017F;&#x017F;en (erwa&#x0364;hlte Achtsleute) &#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
tzen, und wenn der Gutsherr die Scha&#x0364;tzung bezahlte, dem-<lb/>
&#x017F;elben gegen deren Erlegung den Hof zur anderweiten Be-<lb/>
&#x017F;etzung u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en. Der Gutsherr behielte von der Scha&#x0364;-<lb/>
tzung was er &#x017F;elb&#x017F;t zu fordern ha&#x0364;tte, und befetzte &#x017F;odann<lb/>
den Hof mit andern nach &#x017F;einem Gefallen. Wollten die<lb/>
unbewilligten Gla&#x0364;ubiger &#x017F;ich die&#x017F;es nicht gefallen la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;ßten &#x017F;ie einen be&#x017F;&#x017F;ern Ka&#x0364;ufer &#x017F;tellen, der ein mehrers<lb/>
fu&#x0364;r die Be&#x017F;&#x017F;erung erlegte, &#x017F;o dann &#x017F;ich zum Leibeignen u&#x0364;ber-<lb/>
ga&#x0364;be. Von dem Uebergebot erhielte der Gutsherr die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ha&#x0364;lfte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] Die Abmeyerungen koͤnnen dem die vorzuͤglichſte Aufmerkſamkeit. Wahr iſt es zwar, daß ein Hagelſchlag, ein Mißwachs, ein Viehſterben, ein ſo genanntes Ungluͤck am Vieh, ein gerechter aber ſchwerer Proceß und viele andre Umſtaͤnde einen Leibeignen dergeſtalt zuruͤck bringen koͤnnen, daß ſeine Gebaͤude und Zaͤune, den Gebaͤuden und Zaͤunen eines liederlichen Wirths voͤllig aͤhn- lich ſehen; wahr iſt es auch, daß dergleichen Strafen Got- tes wohl einen ehrlichen Mann in die Verſuchung fuͤhren koͤnnen, die Axt an eine heilige Eiche zu legen, oder ſein Buͤchenholz etwas ſtaͤrker anzugreifen, als ein anderer. Allein wenn doch der Augenſchein zuerſt geredet, und den Leibeignen mit dem Beweiſe jener Ungluͤcksfaͤlle, in ſo fern er etwas erhebt, beladen hat: ſo pflegt ſich die Sache doch bald aufzuklaͤren, indem der Grund oder Ungrund jener Ungluͤcksfaͤlle mit einiger Muͤhe leicht uͤberſehen werden kann. Das ſicherſte Mittel unter allen wuͤrde ſeyn, die etwa- nige Beſſerung, welche ein Leibeigner in dem Hofe hat, meiſtbietend zu verkaufen, und ihn und die Glaͤubiger mit dem daraus erhaltenen Gelde abzufinden; alsdenn beduͤrfe es gar keiner beſondern Abaͤuſſerungsurſachen, ſondern man verfuͤhre mit den Leibeignen wie mit den Freyen, wenn ſie ihre Schulden nicht bezahlen koͤnnen. Dieſe Beſſerung koͤnnte man durch Churgenoſſen (erwaͤhlte Achtsleute) ſchaͤ- tzen, und wenn der Gutsherr die Schaͤtzung bezahlte, dem- ſelben gegen deren Erlegung den Hof zur anderweiten Be- ſetzung uͤberlaſſen. Der Gutsherr behielte von der Schaͤ- tzung was er ſelbſt zu fordern haͤtte, und befetzte ſodann den Hof mit andern nach ſeinem Gefallen. Wollten die unbewilligten Glaͤubiger ſich dieſes nicht gefallen laſſen; ſo muͤßten ſie einen beſſern Kaͤufer ſtellen, der ein mehrers fuͤr die Beſſerung erlegte, ſo dann ſich zum Leibeignen uͤber- gaͤbe. Von dem Uebergebot erhielte der Gutsherr die Haͤlfte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/336
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/336>, abgerufen am 24.11.2024.