Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Bauerhof,
hältniß des freyen Ueberschusses, welchen der Erbpächter
behält, angelegt werden.

Um mich deutlicher zu erklären, will ich den Fall setzen,
daß zwey ganze Actionisten, wovon jeder von seiner Land-
actie jährlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber
funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben
hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen sollen. Wie soll
hier die Anlage gemacht werden? Sollen sie beyde gleich,
oder soll der Freye doppelt so viel als der Schuldner, bey-
tragen? Im ersten Fall kann es der Compagnie zur Noth
gleichgültig seyn, ob der letztere viel oder wenig Pächte
übernehme. Sie hält sich an die Actie und läßt die Pacht
nicht folgen, wenn die gemeinen Beschwerden es nicht ge-
statten. Im andern Falle aber widersetzt sie sich der will-
kührlichen Verpachtung, und findet den Willen des Päch-
ters und Verpächters nicht hinlänglich, um der Compagnie
den Werth der halben Actie oder doch wenigstens ihre ein-
heimische Sicherheit zu entziehen.

Noch weiter; der Verpächter hat insgemein seinen An-
theil an dem Directorium, der Erbpächter aber nicht.
Gesetzt nun, jener könne seine Pacht rein weg ziehen, und
dieses geschieht so oft die Pächte bey der Anlage der gemei-
nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieser aber müsse
sich alles gefallen lassen, was ein solches Directorium be-
williget: so ist die Erbpacht ein solcher Contrakt, wodurch
sich der Pächter der Willkühr des Verpächters unterwirft,
und diesem fehlt es an einer gesetzmäßigen Verbindlichkeit;
sie ist ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren
hat, die Handlung treibt, und derjenige, der für alles ste-
hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den
letzten Grund aller bürgerlichen Freyheit aufhebt, und
wenn er gleich in der That nicht gefährlich seyn sollte, den-

noch

Der Bauerhof,
haͤltniß des freyen Ueberſchuſſes, welchen der Erbpaͤchter
behaͤlt, angelegt werden.

Um mich deutlicher zu erklaͤren, will ich den Fall ſetzen,
daß zwey ganze Actioniſten, wovon jeder von ſeiner Land-
actie jaͤhrlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber
funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben
hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen ſollen. Wie ſoll
hier die Anlage gemacht werden? Sollen ſie beyde gleich,
oder ſoll der Freye doppelt ſo viel als der Schuldner, bey-
tragen? Im erſten Fall kann es der Compagnie zur Noth
gleichguͤltig ſeyn, ob der letztere viel oder wenig Paͤchte
uͤbernehme. Sie haͤlt ſich an die Actie und laͤßt die Pacht
nicht folgen, wenn die gemeinen Beſchwerden es nicht ge-
ſtatten. Im andern Falle aber widerſetzt ſie ſich der will-
kuͤhrlichen Verpachtung, und findet den Willen des Paͤch-
ters und Verpaͤchters nicht hinlaͤnglich, um der Compagnie
den Werth der halben Actie oder doch wenigſtens ihre ein-
heimiſche Sicherheit zu entziehen.

Noch weiter; der Verpaͤchter hat insgemein ſeinen An-
theil an dem Directorium, der Erbpaͤchter aber nicht.
Geſetzt nun, jener koͤnne ſeine Pacht rein weg ziehen, und
dieſes geſchieht ſo oft die Paͤchte bey der Anlage der gemei-
nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieſer aber muͤſſe
ſich alles gefallen laſſen, was ein ſolches Directorium be-
williget: ſo iſt die Erbpacht ein ſolcher Contrakt, wodurch
ſich der Paͤchter der Willkuͤhr des Verpaͤchters unterwirft,
und dieſem fehlt es an einer geſetzmaͤßigen Verbindlichkeit;
ſie iſt ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren
hat, die Handlung treibt, und derjenige, der fuͤr alles ſte-
hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den
letzten Grund aller buͤrgerlichen Freyheit aufhebt, und
wenn er gleich in der That nicht gefaͤhrlich ſeyn ſollte, den-

noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="310"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Bauerhof,</hi></fw><lb/>
ha&#x0364;ltniß des freyen Ueber&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es, welchen der Erbpa&#x0364;chter<lb/>
beha&#x0364;lt, angelegt werden.</p><lb/>
        <p>Um mich deutlicher zu erkla&#x0364;ren, will ich den Fall &#x017F;etzen,<lb/>
daß zwey ganze Actioni&#x017F;ten, wovon jeder von &#x017F;einer Land-<lb/>
actie ja&#x0364;hrlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber<lb/>
funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben<lb/>
hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen &#x017F;ollen. Wie &#x017F;oll<lb/>
hier die Anlage gemacht werden? Sollen &#x017F;ie beyde gleich,<lb/>
oder &#x017F;oll der Freye doppelt &#x017F;o viel als der Schuldner, bey-<lb/>
tragen? Im er&#x017F;ten Fall kann es der Compagnie zur Noth<lb/>
gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn, ob der letztere viel oder wenig Pa&#x0364;chte<lb/>
u&#x0364;bernehme. Sie ha&#x0364;lt &#x017F;ich an die Actie und la&#x0364;ßt die Pacht<lb/>
nicht folgen, wenn die gemeinen Be&#x017F;chwerden es nicht ge-<lb/>
&#x017F;tatten. Im andern Falle aber wider&#x017F;etzt &#x017F;ie &#x017F;ich der will-<lb/>
ku&#x0364;hrlichen Verpachtung, und findet den Willen des Pa&#x0364;ch-<lb/>
ters und Verpa&#x0364;chters nicht hinla&#x0364;nglich, um der Compagnie<lb/>
den Werth der halben Actie oder doch wenig&#x017F;tens ihre ein-<lb/>
heimi&#x017F;che Sicherheit zu entziehen.</p><lb/>
        <p>Noch weiter; der Verpa&#x0364;chter hat insgemein &#x017F;einen An-<lb/>
theil an dem Directorium, der Erbpa&#x0364;chter aber nicht.<lb/>
Ge&#x017F;etzt nun, jener ko&#x0364;nne &#x017F;eine Pacht rein weg ziehen, und<lb/>
die&#x017F;es ge&#x017F;chieht &#x017F;o oft die Pa&#x0364;chte bey der Anlage der gemei-<lb/>
nen Ausgaben vorabgezogen werden; die&#x017F;er aber mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ich alles gefallen la&#x017F;&#x017F;en, was ein &#x017F;olches Directorium be-<lb/>
williget: &#x017F;o i&#x017F;t die Erbpacht ein &#x017F;olcher Contrakt, wodurch<lb/>
&#x017F;ich der Pa&#x0364;chter der Willku&#x0364;hr des Verpa&#x0364;chters unterwirft,<lb/>
und die&#x017F;em fehlt es an einer ge&#x017F;etzma&#x0364;ßigen Verbindlichkeit;<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren<lb/>
hat, die Handlung treibt, und derjenige, der fu&#x0364;r alles &#x017F;te-<lb/>
hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den<lb/>
letzten Grund aller bu&#x0364;rgerlichen Freyheit aufhebt, und<lb/>
wenn er gleich in der That nicht gefa&#x0364;hrlich &#x017F;eyn &#x017F;ollte, den-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0324] Der Bauerhof, haͤltniß des freyen Ueberſchuſſes, welchen der Erbpaͤchter behaͤlt, angelegt werden. Um mich deutlicher zu erklaͤren, will ich den Fall ſetzen, daß zwey ganze Actioniſten, wovon jeder von ſeiner Land- actie jaͤhrlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen ſollen. Wie ſoll hier die Anlage gemacht werden? Sollen ſie beyde gleich, oder ſoll der Freye doppelt ſo viel als der Schuldner, bey- tragen? Im erſten Fall kann es der Compagnie zur Noth gleichguͤltig ſeyn, ob der letztere viel oder wenig Paͤchte uͤbernehme. Sie haͤlt ſich an die Actie und laͤßt die Pacht nicht folgen, wenn die gemeinen Beſchwerden es nicht ge- ſtatten. Im andern Falle aber widerſetzt ſie ſich der will- kuͤhrlichen Verpachtung, und findet den Willen des Paͤch- ters und Verpaͤchters nicht hinlaͤnglich, um der Compagnie den Werth der halben Actie oder doch wenigſtens ihre ein- heimiſche Sicherheit zu entziehen. Noch weiter; der Verpaͤchter hat insgemein ſeinen An- theil an dem Directorium, der Erbpaͤchter aber nicht. Geſetzt nun, jener koͤnne ſeine Pacht rein weg ziehen, und dieſes geſchieht ſo oft die Paͤchte bey der Anlage der gemei- nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieſer aber muͤſſe ſich alles gefallen laſſen, was ein ſolches Directorium be- williget: ſo iſt die Erbpacht ein ſolcher Contrakt, wodurch ſich der Paͤchter der Willkuͤhr des Verpaͤchters unterwirft, und dieſem fehlt es an einer geſetzmaͤßigen Verbindlichkeit; ſie iſt ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren hat, die Handlung treibt, und derjenige, der fuͤr alles ſte- hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den letzten Grund aller buͤrgerlichen Freyheit aufhebt, und wenn er gleich in der That nicht gefaͤhrlich ſeyn ſollte, den- noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/324
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/324>, abgerufen am 24.11.2024.