den größten Hof ziehen, und sich darauf so quälen wie sie können. Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen sehen, betrachten.
In dem Kirchspiele worinn ich wohne, sind zwanzig Höfe, so unter Hofrecht stehen, zu kausen, und der Ho- fesherr hat seine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat sie schon dreymal ausgeboten, und es findet sich kein Käufer der sich ins Hofrecht begeben will. Was soll nun geschehen? Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß wenn die jetzt noch darauf hangende Gebäude auf dem Bo- den liegen, man den Hof umsonst ausbieten wird. Eben so geht es mir mit den Höfen verschiedener Rittereignen. Ich kann mit der Abäusserung nicht zu Stande kommen, weil ich nicht weiß: ob ich zu viel oder zu wenig thue, wenn ich dazu schreite, und der Richter in einer Sache, wo es sehr auf sein Gewissen ankömmt, eben so unschlüßig ist. Da nun immittelst die Heuer fortgehet, und 54 kleine Heuer- leute auf dem Lande herumwühlen: so weiß ich wahrlich nicht, was ich thun soll, wenn einmal die Gebäude fallen, und ich einen Bauer nöthig habe, der solche von neuen auf- richten und den Hof in der öffentlichen Reihe vertheidigen soll.
Wäre es nun aber bey solchen Umständen nicht tau- sendmal besser, daß eine standhafte Linie gezogen würde, nach welcher den Eigenbehöriger ein gewisser bestimmter Freystamm ausgesetzt, und dieselben sofort, wenn sie diesen mit ihren Schulden erreichten, vom Hofe gesetzt würden. Wenn ein freyer Eigner im Stifte nicht bezahlen kann: so fragt man nicht darnach, ob er durch üble Wirthschaft oder auf andre Art zurückgekommen sey; sondern verkauft ihm sein Gut. Der Leibeigne hingegen bleibt auf dem Hofe hangen, wenn er ihn auch noch so sehr verschuldet hat, weil man seinem Rechte am Hofe keinen bestimmten Werth
gesetzt
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als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.
den groͤßten Hof ziehen, und ſich darauf ſo quaͤlen wie ſie koͤnnen. Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir vor Augen ſehen, betrachten.
In dem Kirchſpiele worinn ich wohne, ſind zwanzig Hoͤfe, ſo unter Hofrecht ſtehen, zu kauſen, und der Ho- fesherr hat ſeine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter hat ſie ſchon dreymal ausgeboten, und es findet ſich kein Kaͤufer der ſich ins Hofrecht begeben will. Was ſoll nun geſchehen? Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß wenn die jetzt noch darauf hangende Gebaͤude auf dem Bo- den liegen, man den Hof umſonſt ausbieten wird. Eben ſo geht es mir mit den Hoͤfen verſchiedener Rittereignen. Ich kann mit der Abaͤuſſerung nicht zu Stande kommen, weil ich nicht weiß: ob ich zu viel oder zu wenig thue, wenn ich dazu ſchreite, und der Richter in einer Sache, wo es ſehr auf ſein Gewiſſen ankoͤmmt, eben ſo unſchluͤßig iſt. Da nun immittelſt die Heuer fortgehet, und 54 kleine Heuer- leute auf dem Lande herumwuͤhlen: ſo weiß ich wahrlich nicht, was ich thun ſoll, wenn einmal die Gebaͤude fallen, und ich einen Bauer noͤthig habe, der ſolche von neuen auf- richten und den Hof in der oͤffentlichen Reihe vertheidigen ſoll.
Waͤre es nun aber bey ſolchen Umſtaͤnden nicht tau- ſendmal beſſer, daß eine ſtandhafte Linie gezogen wuͤrde, nach welcher den Eigenbehoͤriger ein gewiſſer beſtimmter Freyſtamm ausgeſetzt, und dieſelben ſofort, wenn ſie dieſen mit ihren Schulden erreichten, vom Hofe geſetzt wuͤrden. Wenn ein freyer Eigner im Stifte nicht bezahlen kann: ſo fragt man nicht darnach, ob er durch uͤble Wirthſchaft oder auf andre Art zuruͤckgekommen ſey; ſondern verkauft ihm ſein Gut. Der Leibeigne hingegen bleibt auf dem Hofe hangen, wenn er ihn auch noch ſo ſehr verſchuldet hat, weil man ſeinem Rechte am Hofe keinen beſtimmten Werth
geſetzt
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als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.
den groͤßten Hof ziehen, und ſich darauf ſo quaͤlen wie ſie
koͤnnen. Allein laßt uns nun einmal dasjenige, was wir
vor Augen ſehen, betrachten.
In dem Kirchſpiele worinn ich wohne, ſind zwanzig
Hoͤfe, ſo unter Hofrecht ſtehen, zu kauſen, und der Ho-
fesherr hat ſeine Einwilligung dazu ertheilet. Der Richter
hat ſie ſchon dreymal ausgeboten, und es findet ſich kein
Kaͤufer der ſich ins Hofrecht begeben will. Was ſoll nun
geſchehen? Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß
wenn die jetzt noch darauf hangende Gebaͤude auf dem Bo-
den liegen, man den Hof umſonſt ausbieten wird. Eben
ſo geht es mir mit den Hoͤfen verſchiedener Rittereignen.
Ich kann mit der Abaͤuſſerung nicht zu Stande kommen,
weil ich nicht weiß: ob ich zu viel oder zu wenig thue,
wenn ich dazu ſchreite, und der Richter in einer Sache, wo
es ſehr auf ſein Gewiſſen ankoͤmmt, eben ſo unſchluͤßig iſt.
Da nun immittelſt die Heuer fortgehet, und 54 kleine Heuer-
leute auf dem Lande herumwuͤhlen: ſo weiß ich wahrlich
nicht, was ich thun ſoll, wenn einmal die Gebaͤude fallen,
und ich einen Bauer noͤthig habe, der ſolche von neuen auf-
richten und den Hof in der oͤffentlichen Reihe vertheidigen ſoll.
Waͤre es nun aber bey ſolchen Umſtaͤnden nicht tau-
ſendmal beſſer, daß eine ſtandhafte Linie gezogen wuͤrde,
nach welcher den Eigenbehoͤriger ein gewiſſer beſtimmter
Freyſtamm ausgeſetzt, und dieſelben ſofort, wenn ſie dieſen
mit ihren Schulden erreichten, vom Hofe geſetzt wuͤrden.
Wenn ein freyer Eigner im Stifte nicht bezahlen kann: ſo
fragt man nicht darnach, ob er durch uͤble Wirthſchaft
oder auf andre Art zuruͤckgekommen ſey; ſondern verkauft
ihm ſein Gut. Der Leibeigne hingegen bleibt auf dem Hofe
hangen, wenn er ihn auch noch ſo ſehr verſchuldet hat,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/311>, abgerufen am 22.07.2024.
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