wenn die Sache wichtig ist, vier und zwanzig ehrliche Männer aus unserm Mittel! Was diese für das ge- meine Beste gut und billig finden, das kann und soll uns ein Recht seyn! Wer dann leidet, der leide als durch Gottes Gericht. Allein andern Rechtsprechern aber thue man, wie ich diesem Römer gethan!
So sprachen sie ohne Zweifel, und wann wir nach diesem Vorgange erstlich alle Rechtsgelehrten, es sey nun als so viel Aristides, oder als so viel Verräther aus dem Lande verbanneten, und hiernächst die Auslobungen der Kinder durch drey oder fünf ehrliche Väter erkennen liessen; wenn wir ferner jährlich in jedem Kirchspiele einen Aeussertag hielten, und auf demselben durch drey Gutsherrn und durch drey der ältesten Gemeinen, unter dem Vorsitze eines von beyden Theilen erwählten oder vorgesetzten Obmanns, ge- gen alle schlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden liessen; wenn bey diesen Aeussertagen alle Schulden, die einer im Jahre gemacht, angezeigt, geprüft und nach einer Vorschrift wieder bezahlt werden müsten; wenn endlich je- desmal, wie solches geschehen, bey dem nächsten Aeusser- tage bescheiniget, und sonst weder Schuld noch Pfandung gestattet würde: so sollten unsere Höfe gewiß nicht mit Heuerleuten, sondern mit guten tapfern Wirthen besetzt seyn. Allein wir wollen alles mit Verordnungen zwingen, und diese besser machen als Gott sein Wort, über dessen Sinn die verschiednen Partheyen nun schier über achtzehn- hundert Jahre streiten. Die ganze Weisheit unsrer Vor- fahren gieng auf den grossen Grundsatz: Daß man das Recht niemals mit der Schnur aus- messen könnte, sondern vieles dem Ermessen ehrlicher Männer überlassen müsse.
Nach
Nichts iſt ſchaͤdlicher
wenn die Sache wichtig iſt, vier und zwanzig ehrliche Maͤnner aus unſerm Mittel! Was dieſe fuͤr das ge- meine Beſte gut und billig finden, das kann und ſoll uns ein Recht ſeyn! Wer dann leidet, der leide als durch Gottes Gericht. Allein andern Rechtſprechern aber thue man, wie ich dieſem Roͤmer gethan!
So ſprachen ſie ohne Zweifel, und wann wir nach dieſem Vorgange erſtlich alle Rechtsgelehrten, es ſey nun als ſo viel Ariſtides, oder als ſo viel Verraͤther aus dem Lande verbanneten, und hiernaͤchſt die Auslobungen der Kinder durch drey oder fuͤnf ehrliche Vaͤter erkennen lieſſen; wenn wir ferner jaͤhrlich in jedem Kirchſpiele einen Aeuſſertag hielten, und auf demſelben durch drey Gutsherrn und durch drey der aͤlteſten Gemeinen, unter dem Vorſitze eines von beyden Theilen erwaͤhlten oder vorgeſetzten Obmanns, ge- gen alle ſchlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden lieſſen; wenn bey dieſen Aeuſſertagen alle Schulden, die einer im Jahre gemacht, angezeigt, gepruͤft und nach einer Vorſchrift wieder bezahlt werden muͤſten; wenn endlich je- desmal, wie ſolches geſchehen, bey dem naͤchſten Aeuſſer- tage beſcheiniget, und ſonſt weder Schuld noch Pfandung geſtattet wuͤrde: ſo ſollten unſere Hoͤfe gewiß nicht mit Heuerleuten, ſondern mit guten tapfern Wirthen beſetzt ſeyn. Allein wir wollen alles mit Verordnungen zwingen, und dieſe beſſer machen als Gott ſein Wort, uͤber deſſen Sinn die verſchiednen Partheyen nun ſchier uͤber achtzehn- hundert Jahre ſtreiten. Die ganze Weisheit unſrer Vor- fahren gieng auf den groſſen Grundſatz: Daß man das Recht niemals mit der Schnur aus- meſſen koͤnnte, ſondern vieles dem Ermeſſen ehrlicher Maͤnner uͤberlaſſen muͤſſe.
Nach
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Nichts iſt ſchaͤdlicher
wenn die Sache wichtig iſt, vier und zwanzig ehrliche
Maͤnner aus unſerm Mittel! Was dieſe fuͤr das ge-
meine Beſte gut und billig finden, das kann und ſoll
uns ein Recht ſeyn! Wer dann leidet, der leide als
durch Gottes Gericht. Allein andern Rechtſprechern
aber thue man, wie ich dieſem Roͤmer gethan!
So ſprachen ſie ohne Zweifel, und wann wir nach dieſem
Vorgange erſtlich alle Rechtsgelehrten, es ſey nun als ſo
viel Ariſtides, oder als ſo viel Verraͤther aus dem Lande
verbanneten, und hiernaͤchſt die Auslobungen der Kinder
durch drey oder fuͤnf ehrliche Vaͤter erkennen lieſſen; wenn
wir ferner jaͤhrlich in jedem Kirchſpiele einen Aeuſſertag
hielten, und auf demſelben durch drey Gutsherrn und durch
drey der aͤlteſten Gemeinen, unter dem Vorſitze eines von
beyden Theilen erwaͤhlten oder vorgeſetzten Obmanns, ge-
gen alle ſchlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden
lieſſen; wenn bey dieſen Aeuſſertagen alle Schulden, die
einer im Jahre gemacht, angezeigt, gepruͤft und nach einer
Vorſchrift wieder bezahlt werden muͤſten; wenn endlich je-
desmal, wie ſolches geſchehen, bey dem naͤchſten Aeuſſer-
tage beſcheiniget, und ſonſt weder Schuld noch Pfandung
geſtattet wuͤrde: ſo ſollten unſere Hoͤfe gewiß nicht mit
Heuerleuten, ſondern mit guten tapfern Wirthen beſetzt
ſeyn. Allein wir wollen alles mit Verordnungen zwingen,
und dieſe beſſer machen als Gott ſein Wort, uͤber deſſen
Sinn die verſchiednen Partheyen nun ſchier uͤber achtzehn-
hundert Jahre ſtreiten. Die ganze Weisheit unſrer Vor-
fahren gieng auf den groſſen Grundſatz:
Daß man das Recht niemals mit der Schnur aus-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/298>, abgerufen am 24.11.2024.
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