Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
über den westphälischen Leibeigenthum.
Fremde er aufnehmen und geleiten, oder ausschaffen und
wegweisen wollte. Er war zugleich
i) ihr Richter in allen kleinen Zänkereyen, gab demje-
nigen der an einen andern etwas zu fordern hatte, seinen
Schulzen zur Pfandung mit, und genoß für diese seine rich-
terliche Mühe die Bruchfälle, so sie ihm verwilligten. Da
es ihr allgemeines Beste erforderte, daß jeder Hof im guten
Stande mit einem handfesten Wirth und gutem Spanne
versehen war; weil sonst bey einem feindlichen Ueberfalle,
oder bey einem gemeinen Nothwerke die tüchtigen für den
untüchtigen hätten dienen müssen: so war
k) der Hauptmann verpflichtet dafür zu sorgen, daß
keiner unter ihnen seinen Hof verwüsten, sein Holz ver-
hauen, sein Spann versäumen, oder sich mit Alter und
Leibesschwachheit entschuldigen möchte. Nach einer natür-
lichen Folge setzte also
l) der Hauptmann, so bald einer verstorben und der
Erbe minderjährig war, auf sichere Jahre einen Wirth auf
den Hof und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung
auch die ganze Vertheydigung; untersuchte, ob der Erbe,
wenn er den Hof antreten wollte, handfest zum gemeinen
Dienst sey; gieng, wenn einer verstarb, ins Sterbhaus,
und sahe darnach daß das Heergeräthe nicht vertheilet und
verbracht, sondern bey dem Hofe gelassen wurde; und zog
dafür bey der Einführung des Erben eine Erkenntlichkeit,
welches jetzt die Auffarth oder der Weinkauf genannt wird,
so wie bey dem Sterbfalle, das beste Pfand oder eine an-
dre Urkunde.

Dies war ungefehr die älteste Anlage, welche so lange
dauerte als man den Heer- oder wie wir jetzt sprechen,
den Arrierbann im Felde gebrauchte; und es in Westpha-
len so gehalten wurde, wie es unter den Croaten und Pan-

duren,
uͤber den weſtphaͤliſchen Leibeigenthum.
Fremde er aufnehmen und geleiten, oder ausſchaffen und
wegweiſen wollte. Er war zugleich
i) ihr Richter in allen kleinen Zaͤnkereyen, gab demje-
nigen der an einen andern etwas zu fordern hatte, ſeinen
Schulzen zur Pfandung mit, und genoß fuͤr dieſe ſeine rich-
terliche Muͤhe die Bruchfaͤlle, ſo ſie ihm verwilligten. Da
es ihr allgemeines Beſte erforderte, daß jeder Hof im guten
Stande mit einem handfeſten Wirth und gutem Spanne
verſehen war; weil ſonſt bey einem feindlichen Ueberfalle,
oder bey einem gemeinen Nothwerke die tuͤchtigen fuͤr den
untuͤchtigen haͤtten dienen muͤſſen: ſo war
k) der Hauptmann verpflichtet dafuͤr zu ſorgen, daß
keiner unter ihnen ſeinen Hof verwuͤſten, ſein Holz ver-
hauen, ſein Spann verſaͤumen, oder ſich mit Alter und
Leibesſchwachheit entſchuldigen moͤchte. Nach einer natuͤr-
lichen Folge ſetzte alſo
l) der Hauptmann, ſo bald einer verſtorben und der
Erbe minderjaͤhrig war, auf ſichere Jahre einen Wirth auf
den Hof und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung
auch die ganze Vertheydigung; unterſuchte, ob der Erbe,
wenn er den Hof antreten wollte, handfeſt zum gemeinen
Dienſt ſey; gieng, wenn einer verſtarb, ins Sterbhaus,
und ſahe darnach daß das Heergeraͤthe nicht vertheilet und
verbracht, ſondern bey dem Hofe gelaſſen wurde; und zog
dafuͤr bey der Einfuͤhrung des Erben eine Erkenntlichkeit,
welches jetzt die Auffarth oder der Weinkauf genannt wird,
ſo wie bey dem Sterbfalle, das beſte Pfand oder eine an-
dre Urkunde.

Dies war ungefehr die aͤlteſte Anlage, welche ſo lange
dauerte als man den Heer- oder wie wir jetzt ſprechen,
den Arrierbann im Felde gebrauchte; und es in Weſtpha-
len ſo gehalten wurde, wie es unter den Croaten und Pan-

duren,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <list>
          <item><pb facs="#f0281" n="267"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber den we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Leibeigenthum.</hi></fw><lb/>
Fremde er aufnehmen und geleiten, oder aus&#x017F;chaffen und<lb/>
wegwei&#x017F;en wollte. Er war zugleich</item><lb/>
          <item><hi rendition="#aq">i)</hi> ihr Richter in allen kleinen Za&#x0364;nkereyen, gab demje-<lb/>
nigen der an einen andern etwas zu fordern hatte, &#x017F;einen<lb/>
Schulzen zur Pfandung mit, und genoß fu&#x0364;r die&#x017F;e &#x017F;eine rich-<lb/>
terliche Mu&#x0364;he die Bruchfa&#x0364;lle, &#x017F;o &#x017F;ie ihm verwilligten. Da<lb/>
es ihr allgemeines Be&#x017F;te erforderte, daß jeder Hof im guten<lb/>
Stande mit einem handfe&#x017F;ten Wirth und gutem Spanne<lb/>
ver&#x017F;ehen war; weil &#x017F;on&#x017F;t bey einem feindlichen Ueberfalle,<lb/>
oder bey einem gemeinen Nothwerke die tu&#x0364;chtigen fu&#x0364;r den<lb/>
untu&#x0364;chtigen ha&#x0364;tten dienen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o war</item><lb/>
          <item><hi rendition="#aq">k)</hi> der Hauptmann verpflichtet dafu&#x0364;r zu &#x017F;orgen, daß<lb/>
keiner unter ihnen &#x017F;einen Hof verwu&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;ein Holz ver-<lb/>
hauen, &#x017F;ein Spann ver&#x017F;a&#x0364;umen, oder &#x017F;ich mit Alter und<lb/>
Leibes&#x017F;chwachheit ent&#x017F;chuldigen mo&#x0364;chte. Nach einer natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Folge &#x017F;etzte al&#x017F;o</item><lb/>
          <item><hi rendition="#aq">l)</hi> der Hauptmann, &#x017F;o bald einer ver&#x017F;torben und der<lb/>
Erbe minderja&#x0364;hrig war, auf &#x017F;ichere Jahre einen Wirth auf<lb/>
den Hof und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung<lb/>
auch die ganze Vertheydigung; unter&#x017F;uchte, ob der Erbe,<lb/>
wenn er den Hof antreten wollte, handfe&#x017F;t zum gemeinen<lb/>
Dien&#x017F;t &#x017F;ey; gieng, wenn einer ver&#x017F;tarb, ins Sterbhaus,<lb/>
und &#x017F;ahe darnach daß das Heergera&#x0364;the nicht vertheilet und<lb/>
verbracht, &#x017F;ondern bey dem Hofe gela&#x017F;&#x017F;en wurde; und zog<lb/>
dafu&#x0364;r bey der Einfu&#x0364;hrung des Erben eine Erkenntlichkeit,<lb/>
welches jetzt die Auffarth oder der Weinkauf genannt wird,<lb/>
&#x017F;o wie bey dem Sterbfalle, das be&#x017F;te Pfand oder eine an-<lb/>
dre Urkunde.</item>
        </list><lb/>
        <p>Dies war ungefehr die a&#x0364;lte&#x017F;te Anlage, welche &#x017F;o lange<lb/>
dauerte als man den Heer- oder wie wir jetzt &#x017F;prechen,<lb/>
den Arrierbann im Felde gebrauchte; und es in We&#x017F;tpha-<lb/>
len &#x017F;o gehalten wurde, wie es unter den Croaten und Pan-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">duren,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0281] uͤber den weſtphaͤliſchen Leibeigenthum. Fremde er aufnehmen und geleiten, oder ausſchaffen und wegweiſen wollte. Er war zugleich i) ihr Richter in allen kleinen Zaͤnkereyen, gab demje- nigen der an einen andern etwas zu fordern hatte, ſeinen Schulzen zur Pfandung mit, und genoß fuͤr dieſe ſeine rich- terliche Muͤhe die Bruchfaͤlle, ſo ſie ihm verwilligten. Da es ihr allgemeines Beſte erforderte, daß jeder Hof im guten Stande mit einem handfeſten Wirth und gutem Spanne verſehen war; weil ſonſt bey einem feindlichen Ueberfalle, oder bey einem gemeinen Nothwerke die tuͤchtigen fuͤr den untuͤchtigen haͤtten dienen muͤſſen: ſo war k) der Hauptmann verpflichtet dafuͤr zu ſorgen, daß keiner unter ihnen ſeinen Hof verwuͤſten, ſein Holz ver- hauen, ſein Spann verſaͤumen, oder ſich mit Alter und Leibesſchwachheit entſchuldigen moͤchte. Nach einer natuͤr- lichen Folge ſetzte alſo l) der Hauptmann, ſo bald einer verſtorben und der Erbe minderjaͤhrig war, auf ſichere Jahre einen Wirth auf den Hof und forderte von ihm gegen die ganze Nutzung auch die ganze Vertheydigung; unterſuchte, ob der Erbe, wenn er den Hof antreten wollte, handfeſt zum gemeinen Dienſt ſey; gieng, wenn einer verſtarb, ins Sterbhaus, und ſahe darnach daß das Heergeraͤthe nicht vertheilet und verbracht, ſondern bey dem Hofe gelaſſen wurde; und zog dafuͤr bey der Einfuͤhrung des Erben eine Erkenntlichkeit, welches jetzt die Auffarth oder der Weinkauf genannt wird, ſo wie bey dem Sterbfalle, das beſte Pfand oder eine an- dre Urkunde. Dies war ungefehr die aͤlteſte Anlage, welche ſo lange dauerte als man den Heer- oder wie wir jetzt ſprechen, den Arrierbann im Felde gebrauchte; und es in Weſtpha- len ſo gehalten wurde, wie es unter den Croaten und Pan- duren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/281
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/281>, abgerufen am 24.11.2024.