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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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über den westphälischen Leibeigenthum.

Aber nun kömmt der Gegensatz: Dieser Leibeigne saß
oder wohnte in Bezirken, so wie er noch jetzt im Mecklen-
burgschen und Liefländischen darinn wohnt; nicht aber auf
Höfen die zur gemeinen Vertheidigung ohne Mittel gezo-
gen werden, und deren Besitzer dem Aufgebot der Landes-
obrigkeit folgen müssen. Der Gutsherr ist dort selbst steuer-
bar, wo jene Art von Leibeigenthum eingeführt ist. Das
ist er in Mähren und Böhmen, in der Laußnitz und in Lief-
land, und das war er auch zu Rom. Dem Bürger und
freyen Mann lagen alle öffentliche Lasten auf; und dem
Staate war es sehr gleichgültig, ob einer tausend Zugscla-
ven oder so viel Stück Zugvieh hielt; eins war so gut als
das andre.

Vermuthlich ist die Beschaffenheit des westphälischen Bo-
dens, der nur lauter Flecke von Lande hat, und mit Heide,
Mohr, Sand und Gebürgen untermischt ist, Schuld daran
gewesen, daß man keine natürliche Bezirke angelegt hat.
Es sey aber diese oder eine andre Ursache: so wollen wir
setzen, daß anstatt der viertausend Höfe woraus unser Stift
zum Exempel bestehen mag, fünfhundert adeliche Bezirke
vorhanden wären: so ist nichts gewisser, als

a) daß alle unsre Bauern, eben so gut wie im Meck-
lenburgschen und anderwärts völlig leibeigen, und von der
Willkühr des Bezirksherrn abhängig seyn würden;
b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Vögte und ge-
meine Bediente vorhanden seyn könnten; und
c) daß wenn eine Steuer von hunderttausend Thaler,
oder eine Kriegsfuhr von zehntausend Wagen erfordert
würde, jene fünfhundert Bezirksherrn für Haupts zwey-
hundert Thaler dazu bezahlen und zwanzig wohlbespannete
Wagen schicken müßten. Dies geht aus der Anlage her-
vor; und wird durch die Verfassung andrer Länder unwi-
dersprechlich bestätigt.
Im
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uͤber den weſtphaͤliſchen Leibeigenthum.

Aber nun koͤmmt der Gegenſatz: Dieſer Leibeigne ſaß
oder wohnte in Bezirken, ſo wie er noch jetzt im Mecklen-
burgſchen und Lieflaͤndiſchen darinn wohnt; nicht aber auf
Hoͤfen die zur gemeinen Vertheidigung ohne Mittel gezo-
gen werden, und deren Beſitzer dem Aufgebot der Landes-
obrigkeit folgen muͤſſen. Der Gutsherr iſt dort ſelbſt ſteuer-
bar, wo jene Art von Leibeigenthum eingefuͤhrt iſt. Das
iſt er in Maͤhren und Boͤhmen, in der Laußnitz und in Lief-
land, und das war er auch zu Rom. Dem Buͤrger und
freyen Mann lagen alle oͤffentliche Laſten auf; und dem
Staate war es ſehr gleichguͤltig, ob einer tauſend Zugſcla-
ven oder ſo viel Stuͤck Zugvieh hielt; eins war ſo gut als
das andre.

Vermuthlich iſt die Beſchaffenheit des weſtphaͤliſchen Bo-
dens, der nur lauter Flecke von Lande hat, und mit Heide,
Mohr, Sand und Gebuͤrgen untermiſcht iſt, Schuld daran
geweſen, daß man keine natuͤrliche Bezirke angelegt hat.
Es ſey aber dieſe oder eine andre Urſache: ſo wollen wir
ſetzen, daß anſtatt der viertauſend Hoͤfe woraus unſer Stift
zum Exempel beſtehen mag, fuͤnfhundert adeliche Bezirke
vorhanden waͤren: ſo iſt nichts gewiſſer, als

a) daß alle unſre Bauern, eben ſo gut wie im Meck-
lenburgſchen und anderwaͤrts voͤllig leibeigen, und von der
Willkuͤhr des Bezirksherrn abhaͤngig ſeyn wuͤrden;
b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Voͤgte und ge-
meine Bediente vorhanden ſeyn koͤnnten; und
c) daß wenn eine Steuer von hunderttauſend Thaler,
oder eine Kriegsfuhr von zehntauſend Wagen erfordert
wuͤrde, jene fuͤnfhundert Bezirksherrn fuͤr Haupts zwey-
hundert Thaler dazu bezahlen und zwanzig wohlbeſpannete
Wagen ſchicken muͤßten. Dies geht aus der Anlage her-
vor; und wird durch die Verfaſſung andrer Laͤnder unwi-
derſprechlich beſtaͤtigt.
Im
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[265/0279] uͤber den weſtphaͤliſchen Leibeigenthum. Aber nun koͤmmt der Gegenſatz: Dieſer Leibeigne ſaß oder wohnte in Bezirken, ſo wie er noch jetzt im Mecklen- burgſchen und Lieflaͤndiſchen darinn wohnt; nicht aber auf Hoͤfen die zur gemeinen Vertheidigung ohne Mittel gezo- gen werden, und deren Beſitzer dem Aufgebot der Landes- obrigkeit folgen muͤſſen. Der Gutsherr iſt dort ſelbſt ſteuer- bar, wo jene Art von Leibeigenthum eingefuͤhrt iſt. Das iſt er in Maͤhren und Boͤhmen, in der Laußnitz und in Lief- land, und das war er auch zu Rom. Dem Buͤrger und freyen Mann lagen alle oͤffentliche Laſten auf; und dem Staate war es ſehr gleichguͤltig, ob einer tauſend Zugſcla- ven oder ſo viel Stuͤck Zugvieh hielt; eins war ſo gut als das andre. Vermuthlich iſt die Beſchaffenheit des weſtphaͤliſchen Bo- dens, der nur lauter Flecke von Lande hat, und mit Heide, Mohr, Sand und Gebuͤrgen untermiſcht iſt, Schuld daran geweſen, daß man keine natuͤrliche Bezirke angelegt hat. Es ſey aber dieſe oder eine andre Urſache: ſo wollen wir ſetzen, daß anſtatt der viertauſend Hoͤfe woraus unſer Stift zum Exempel beſtehen mag, fuͤnfhundert adeliche Bezirke vorhanden waͤren: ſo iſt nichts gewiſſer, als a) daß alle unſre Bauern, eben ſo gut wie im Meck- lenburgſchen und anderwaͤrts voͤllig leibeigen, und von der Willkuͤhr des Bezirksherrn abhaͤngig ſeyn wuͤrden; b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Voͤgte und ge- meine Bediente vorhanden ſeyn koͤnnten; und c) daß wenn eine Steuer von hunderttauſend Thaler, oder eine Kriegsfuhr von zehntauſend Wagen erfordert wuͤrde, jene fuͤnfhundert Bezirksherrn fuͤr Haupts zwey- hundert Thaler dazu bezahlen und zwanzig wohlbeſpannete Wagen ſchicken muͤßten. Dies geht aus der Anlage her- vor; und wird durch die Verfaſſung andrer Laͤnder unwi- derſprechlich beſtaͤtigt. Im R 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/279>, abgerufen am 24.11.2024.