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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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ohne Gewissensscrupel folgen.
Stande, in meinen Jahren und in der Lebensart, worin
ich mit allen meines Gleichen übereinkomme, anders han-
deln soll, wie ich handle; wie du siehst ich behelfe mich
ja hier in meinem Cabinet noch mit einem altmodigen Ca-
nape, da ich doch wenigstens eine Ottomane, oder Lehn-
stühle en Cabriolet, wo nicht a la Reine haben müste.
Du siehest ja also, daß ich im Verborgnen spare, und nur,
um deiner Ehre willen, meine Kleidungen und meine Equi-
page nach der neuesten Mode verlange, Kann ich weniger
thun: so sprich, ich bitte dich.

Er rieb sich die Stirn, stemmete seine Ellenbogen auf
die Knie, und seine beyden Fäuste vor die Augen ohne ein
Wort zu sagen. Endlich stund er auf, küßte mich, und
verließ mich mit den Worten: Wenn du mich lieb hast;
so weißt du wohl, was du thun must.

Sehen Sie, meine Beste! so stehn die Sachen; ver-
langte mein Mann eine heroische Verachtung des so nöthi-
gen Ueberflusses, man mögte darüber sagen was man woll-
te, oder wünschte er, daß ich mich als ein Original in der
äffenden Welt zeigen sollte: so wäre unser Streit bald ent-
schieden; mit Freuden wollte ich mich dazu verstehen. Al-
lein das ist seine Meynung nicht, ich soll den Wohlstand
nicht beleidigen, ich soll mich auch zu keinem abstechenden
Original erheben, ich soll auf eine kluge und feine Weise
Sparsamkeit mit Größe, Anstand mit Einschränkung, und
folglich das Feuer mit Wasser vereinigen, das ist der Kno-
te den ich nicht zu lösen weiß.

Helfen Sie mir, meine Theureste! vielleicht fällt Ih-
nen etwas bey, was uns beyden entwischt ist; aber wer-
den Sie nicht böse, daß mein Mann Ihnen den Titel Hexe
gegeben hat. Ich will mich dafür auch unterzeichnen, Ih-
re gehorsamste arme Hexe

Amalie.
Ara-

ohne Gewiſſensſcrupel folgen.
Stande, in meinen Jahren und in der Lebensart, worin
ich mit allen meines Gleichen uͤbereinkomme, anders han-
deln ſoll, wie ich handle; wie du ſiehſt ich behelfe mich
ja hier in meinem Cabinet noch mit einem altmodigen Ca-
nape, da ich doch wenigſtens eine Ottomane, oder Lehn-
ſtuͤhle en Cabriolet, wo nicht a la Reine haben muͤſte.
Du ſieheſt ja alſo, daß ich im Verborgnen ſpare, und nur,
um deiner Ehre willen, meine Kleidungen und meine Equi-
page nach der neueſten Mode verlange, Kann ich weniger
thun: ſo ſprich, ich bitte dich.

Er rieb ſich die Stirn, ſtemmete ſeine Ellenbogen auf
die Knie, und ſeine beyden Faͤuſte vor die Augen ohne ein
Wort zu ſagen. Endlich ſtund er auf, kuͤßte mich, und
verließ mich mit den Worten: Wenn du mich lieb haſt;
ſo weißt du wohl, was du thun muſt.

Sehen Sie, meine Beſte! ſo ſtehn die Sachen; ver-
langte mein Mann eine heroiſche Verachtung des ſo noͤthi-
gen Ueberfluſſes, man moͤgte daruͤber ſagen was man woll-
te, oder wuͤnſchte er, daß ich mich als ein Original in der
aͤffenden Welt zeigen ſollte: ſo waͤre unſer Streit bald ent-
ſchieden; mit Freuden wollte ich mich dazu verſtehen. Al-
lein das iſt ſeine Meynung nicht, ich ſoll den Wohlſtand
nicht beleidigen, ich ſoll mich auch zu keinem abſtechenden
Original erheben, ich ſoll auf eine kluge und feine Weiſe
Sparſamkeit mit Groͤße, Anſtand mit Einſchraͤnkung, und
folglich das Feuer mit Waſſer vereinigen, das iſt der Kno-
te den ich nicht zu loͤſen weiß.

Helfen Sie mir, meine Theureſte! vielleicht faͤllt Ih-
nen etwas bey, was uns beyden entwiſcht iſt; aber wer-
den Sie nicht boͤſe, daß mein Mann Ihnen den Titel Hexe
gegeben hat. Ich will mich dafuͤr auch unterzeichnen, Ih-
re gehorſamſte arme Hexe

Amalie.
Ara-
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[13/0027] ohne Gewiſſensſcrupel folgen. Stande, in meinen Jahren und in der Lebensart, worin ich mit allen meines Gleichen uͤbereinkomme, anders han- deln ſoll, wie ich handle; wie du ſiehſt ich behelfe mich ja hier in meinem Cabinet noch mit einem altmodigen Ca- nape, da ich doch wenigſtens eine Ottomane, oder Lehn- ſtuͤhle en Cabriolet, wo nicht a la Reine haben muͤſte. Du ſieheſt ja alſo, daß ich im Verborgnen ſpare, und nur, um deiner Ehre willen, meine Kleidungen und meine Equi- page nach der neueſten Mode verlange, Kann ich weniger thun: ſo ſprich, ich bitte dich. Er rieb ſich die Stirn, ſtemmete ſeine Ellenbogen auf die Knie, und ſeine beyden Faͤuſte vor die Augen ohne ein Wort zu ſagen. Endlich ſtund er auf, kuͤßte mich, und verließ mich mit den Worten: Wenn du mich lieb haſt; ſo weißt du wohl, was du thun muſt. Sehen Sie, meine Beſte! ſo ſtehn die Sachen; ver- langte mein Mann eine heroiſche Verachtung des ſo noͤthi- gen Ueberfluſſes, man moͤgte daruͤber ſagen was man woll- te, oder wuͤnſchte er, daß ich mich als ein Original in der aͤffenden Welt zeigen ſollte: ſo waͤre unſer Streit bald ent- ſchieden; mit Freuden wollte ich mich dazu verſtehen. Al- lein das iſt ſeine Meynung nicht, ich ſoll den Wohlſtand nicht beleidigen, ich ſoll mich auch zu keinem abſtechenden Original erheben, ich ſoll auf eine kluge und feine Weiſe Sparſamkeit mit Groͤße, Anſtand mit Einſchraͤnkung, und folglich das Feuer mit Waſſer vereinigen, das iſt der Kno- te den ich nicht zu loͤſen weiß. Helfen Sie mir, meine Theureſte! vielleicht faͤllt Ih- nen etwas bey, was uns beyden entwiſcht iſt; aber wer- den Sie nicht boͤſe, daß mein Mann Ihnen den Titel Hexe gegeben hat. Ich will mich dafuͤr auch unterzeichnen, Ih- re gehorſamſte arme Hexe Amalie. Ara-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/27>, abgerufen am 09.11.2024.