Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Schreiben einer Gutsfrau, kommen einen Brautwagen, so wie ihn drey der ältestenFreyen bestimmen. Das unbewegliche Gut, die Gebäude und alles was zum Hofgewehr gehört, darf dabey nicht in Betracht gezogen werden; weil mein Mann es widersinnig findet, den Leuten zu verbieten ihre Höfe und Gründe mit Schulden zu beschweren, und dem ungeachtet nach dem Werth derselben etwas herauszugeben. Eine solche Abfin- dung, wenn sie auch auf mehrere Jahre vertheilet, und nach dem jährlichen Ertrag ermäßiget wird, ist zu vielen Zufällen unterworfen, und es findet sich kein Exempel, daß die Erfahrung hierinn mit der Vorschrift überein gestimmt. Zur Erbschaft kommt nichts wie das vorhandene baare Geld, das unangeschnittene Linnen, und das vorräthige Silbergeräthe. Der Hof mit allem was dazu gehört, fällt auf den nächsten Erben, und wenn mehrere vorhanden sind, auf den ältesten unter Ihnen; wenn der letzte Besitzer ihn in seinem Leben keinem andern unter der Eiche übertragen hat. Ist der Erbe abwesend: so wartet man auf ihn, ein Jahr und 6 Wochen. Läßt er in dieser Zeit nichts von sich hören: so wird er als tod angesehen, und lebt zur Erbfol- ge nie wieder auf. Seinen Miterben giebt der älteste Erbe nichts heraus. Das Hofgewehr ist besonders bestimmt. Es würde Einige unsrer Nachbarn, welche ihre Leibeigne auch in ver-
Schreiben einer Gutsfrau, kommen einen Brautwagen, ſo wie ihn drey der aͤlteſtenFreyen beſtimmen. Das unbewegliche Gut, die Gebaͤude und alles was zum Hofgewehr gehoͤrt, darf dabey nicht in Betracht gezogen werden; weil mein Mann es widerſinnig findet, den Leuten zu verbieten ihre Hoͤfe und Gruͤnde mit Schulden zu beſchweren, und dem ungeachtet nach dem Werth derſelben etwas herauszugeben. Eine ſolche Abfin- dung, wenn ſie auch auf mehrere Jahre vertheilet, und nach dem jaͤhrlichen Ertrag ermaͤßiget wird, iſt zu vielen Zufaͤllen unterworfen, und es findet ſich kein Exempel, daß die Erfahrung hierinn mit der Vorſchrift uͤberein geſtimmt. Zur Erbſchaft kommt nichts wie das vorhandene baare Geld, das unangeſchnittene Linnen, und das vorraͤthige Silbergeraͤthe. Der Hof mit allem was dazu gehoͤrt, faͤllt auf den naͤchſten Erben, und wenn mehrere vorhanden ſind, auf den aͤlteſten unter Ihnen; wenn der letzte Beſitzer ihn in ſeinem Leben keinem andern unter der Eiche uͤbertragen hat. Iſt der Erbe abweſend: ſo wartet man auf ihn, ein Jahr und 6 Wochen. Laͤßt er in dieſer Zeit nichts von ſich hoͤren: ſo wird er als tod angeſehen, und lebt zur Erbfol- ge nie wieder auf. Seinen Miterben giebt der aͤlteſte Erbe nichts heraus. Das Hofgewehr iſt beſonders beſtimmt. Es wuͤrde Einige unſrer Nachbarn, welche ihre Leibeigne auch in ver-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0252" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben einer Gutsfrau,</hi></fw><lb/> kommen einen Brautwagen, ſo wie ihn drey der aͤlteſten<lb/> Freyen beſtimmen. Das unbewegliche Gut, die Gebaͤude<lb/> und alles was zum Hofgewehr gehoͤrt, darf dabey nicht in<lb/> Betracht gezogen werden; weil mein Mann es widerſinnig<lb/> findet, den Leuten zu verbieten ihre Hoͤfe und Gruͤnde mit<lb/> Schulden zu beſchweren, und dem ungeachtet nach dem<lb/> Werth derſelben etwas herauszugeben. Eine ſolche Abfin-<lb/> dung, wenn ſie auch auf mehrere Jahre vertheilet, und<lb/> nach dem jaͤhrlichen Ertrag ermaͤßiget wird, iſt zu vielen<lb/> Zufaͤllen unterworfen, und es findet ſich kein Exempel, daß<lb/> die Erfahrung hierinn mit der Vorſchrift uͤberein geſtimmt.<lb/> Zur Erbſchaft kommt nichts wie das vorhandene baare<lb/> Geld, das unangeſchnittene Linnen, und das vorraͤthige<lb/> Silbergeraͤthe. Der Hof mit allem was dazu gehoͤrt, faͤllt<lb/> auf den naͤchſten Erben, und wenn mehrere vorhanden ſind,<lb/> auf den aͤlteſten unter Ihnen; wenn der letzte Beſitzer ihn<lb/> in ſeinem Leben keinem andern unter der Eiche uͤbertragen<lb/> hat. Iſt der Erbe abweſend: ſo wartet man auf ihn, ein<lb/> Jahr und 6 Wochen. Laͤßt er in dieſer Zeit nichts von ſich<lb/> hoͤren: ſo wird er als tod angeſehen, und lebt zur Erbfol-<lb/> ge nie wieder auf. Seinen Miterben giebt der aͤlteſte Erbe<lb/> nichts heraus.</p><lb/> <p>Das Hofgewehr iſt beſonders beſtimmt. Es wuͤrde<lb/> aber zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich Ihnen dieſes nach dem<lb/> Verhaͤltniß eines jeden Hofes abſchreiben wollte. Sie wiſ-<lb/> ſen ohnedem, daß darunter Pferde und Vieh, Wagen und<lb/> Pflug, Boden und Keller mit dem was darauf und darinn<lb/> gehoͤrt, nach einer ſichern Zahl, begriffen ſind.</p><lb/> <p>Einige unſrer Nachbarn, welche ihre Leibeigne auch in<lb/> Erbpaͤchter verwandelt haben, haben verſchiedenes von der<lb/> Knechtſchaft beybehalten, und unter andern auch die Er-<lb/> laubniß erhalten, ihre ſogenannten Freyen, wenn ſie etwas<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0252]
Schreiben einer Gutsfrau,
kommen einen Brautwagen, ſo wie ihn drey der aͤlteſten
Freyen beſtimmen. Das unbewegliche Gut, die Gebaͤude
und alles was zum Hofgewehr gehoͤrt, darf dabey nicht in
Betracht gezogen werden; weil mein Mann es widerſinnig
findet, den Leuten zu verbieten ihre Hoͤfe und Gruͤnde mit
Schulden zu beſchweren, und dem ungeachtet nach dem
Werth derſelben etwas herauszugeben. Eine ſolche Abfin-
dung, wenn ſie auch auf mehrere Jahre vertheilet, und
nach dem jaͤhrlichen Ertrag ermaͤßiget wird, iſt zu vielen
Zufaͤllen unterworfen, und es findet ſich kein Exempel, daß
die Erfahrung hierinn mit der Vorſchrift uͤberein geſtimmt.
Zur Erbſchaft kommt nichts wie das vorhandene baare
Geld, das unangeſchnittene Linnen, und das vorraͤthige
Silbergeraͤthe. Der Hof mit allem was dazu gehoͤrt, faͤllt
auf den naͤchſten Erben, und wenn mehrere vorhanden ſind,
auf den aͤlteſten unter Ihnen; wenn der letzte Beſitzer ihn
in ſeinem Leben keinem andern unter der Eiche uͤbertragen
hat. Iſt der Erbe abweſend: ſo wartet man auf ihn, ein
Jahr und 6 Wochen. Laͤßt er in dieſer Zeit nichts von ſich
hoͤren: ſo wird er als tod angeſehen, und lebt zur Erbfol-
ge nie wieder auf. Seinen Miterben giebt der aͤlteſte Erbe
nichts heraus.
Das Hofgewehr iſt beſonders beſtimmt. Es wuͤrde
aber zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich Ihnen dieſes nach dem
Verhaͤltniß eines jeden Hofes abſchreiben wollte. Sie wiſ-
ſen ohnedem, daß darunter Pferde und Vieh, Wagen und
Pflug, Boden und Keller mit dem was darauf und darinn
gehoͤrt, nach einer ſichern Zahl, begriffen ſind.
Einige unſrer Nachbarn, welche ihre Leibeigne auch in
Erbpaͤchter verwandelt haben, haben verſchiedenes von der
Knechtſchaft beybehalten, und unter andern auch die Er-
laubniß erhalten, ihre ſogenannten Freyen, wenn ſie etwas
ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFür das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |