Es kommen jährlich viele Klagen darüber ein, daß die Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten herumlaufen, und besonders den Gärten sehr vielen Schaden zufügen. So oft man aber diesem Unwesen von Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden, daß sich solches am wenigsten durch allgemeine Verord- nungen zwingen lassen wolle. Vielleicht ist die Aufklä- rung der solcherhalb vorhandenen Gesetze und Gewohn- heiten, eben so nützlich als irgend eine andre philosophi- sche Betrachtung. Andre mögen von Liebe und Wein singen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die Fälle, wo solche nach der Beschaffenheit des hiesigen Landes gehütet werden müssen oder nicht, zu bestimmen suchen.
Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho- lomäus gehütet und in Acht genommen werden müssen, ist man fast durchgehends einverstanden. Der grössere Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfrüchte, wird hier mit Recht auf Kosten des mindern gesucht; und man nennt jene Zeit die beschlossene Zeit. Meiner Meinung nach redet hier auch der Tag oder der Calender von selbst, und es bedarf solcherhalb jährlich keines besondern neuen Gebots. Wo aber die gute Witterung im Frühjahr eine frühere Schonung der Felder, oder die sich verspätende Erndte eine spätere Eröfnung derselben erfordert, da ist ein besonders Gebot nöthig; und dieses Gebot muß öf- fentlich verkündiget werden, wenn diejenigen, so vor Maytag oder nach Bartholomäi ihre Schweine ungehütet laufen lassen, bestrafet werden sollen. Ein solches Ge-
bot
LII. Vom Huͤten der Schweine.
Es kommen jaͤhrlich viele Klagen daruͤber ein, daß die Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten herumlaufen, und beſonders den Gaͤrten ſehr vielen Schaden zufuͤgen. So oft man aber dieſem Unweſen von Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden, daß ſich ſolches am wenigſten durch allgemeine Verord- nungen zwingen laſſen wolle. Vielleicht iſt die Aufklaͤ- rung der ſolcherhalb vorhandenen Geſetze und Gewohn- heiten, eben ſo nuͤtzlich als irgend eine andre philoſophi- ſche Betrachtung. Andre moͤgen von Liebe und Wein ſingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die Faͤlle, wo ſolche nach der Beſchaffenheit des hieſigen Landes gehuͤtet werden muͤſſen oder nicht, zu beſtimmen ſuchen.
Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho- lomaͤus gehuͤtet und in Acht genommen werden muͤſſen, iſt man faſt durchgehends einverſtanden. Der groͤſſere Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfruͤchte, wird hier mit Recht auf Koſten des mindern geſucht; und man nennt jene Zeit die beſchloſſene Zeit. Meiner Meinung nach redet hier auch der Tag oder der Calender von ſelbſt, und es bedarf ſolcherhalb jaͤhrlich keines beſondern neuen Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fruͤhjahr eine fruͤhere Schonung der Felder, oder die ſich verſpaͤtende Erndte eine ſpaͤtere Eroͤfnung derſelben erfordert, da iſt ein beſonders Gebot noͤthig; und dieſes Gebot muß oͤf- fentlich verkuͤndiget werden, wenn diejenigen, ſo vor Maytag oder nach Bartholomaͤi ihre Schweine ungehuͤtet laufen laſſen, beſtrafet werden ſollen. Ein ſolches Ge-
bot
<TEI><text><body><pbfacs="#f0220"n="206"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">LII.</hi><lb/>
Vom Huͤten der Schweine.</hi></head><lb/><p>Es kommen jaͤhrlich viele Klagen daruͤber ein, daß die<lb/>
Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten<lb/>
herumlaufen, und beſonders den Gaͤrten ſehr vielen<lb/>
Schaden zufuͤgen. So oft man aber dieſem Unweſen von<lb/>
Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden,<lb/>
daß ſich ſolches am wenigſten durch allgemeine Verord-<lb/>
nungen zwingen laſſen wolle. Vielleicht iſt die Aufklaͤ-<lb/>
rung der ſolcherhalb vorhandenen Geſetze und Gewohn-<lb/>
heiten, eben ſo nuͤtzlich als irgend eine andre philoſophi-<lb/>ſche Betrachtung. Andre moͤgen von Liebe und Wein<lb/>ſingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die<lb/>
Faͤlle, wo ſolche nach der Beſchaffenheit des hieſigen Landes<lb/>
gehuͤtet werden muͤſſen oder nicht, zu beſtimmen ſuchen.</p><lb/><p>Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho-<lb/>
lomaͤus gehuͤtet und in Acht genommen werden muͤſſen,<lb/>
iſt man faſt durchgehends einverſtanden. Der groͤſſere<lb/>
Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfruͤchte, wird<lb/>
hier mit Recht auf Koſten des mindern geſucht; und man<lb/>
nennt jene Zeit die <hirendition="#fr">beſchloſſene Zeit.</hi> Meiner Meinung<lb/>
nach redet hier auch der Tag oder der Calender von ſelbſt,<lb/>
und es bedarf ſolcherhalb jaͤhrlich keines beſondern neuen<lb/>
Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fruͤhjahr eine<lb/>
fruͤhere Schonung der Felder, oder die ſich verſpaͤtende<lb/>
Erndte eine ſpaͤtere Eroͤfnung derſelben erfordert, da iſt<lb/>
ein beſonders Gebot noͤthig; und dieſes Gebot muß oͤf-<lb/>
fentlich verkuͤndiget werden, wenn diejenigen, ſo vor<lb/>
Maytag oder nach Bartholomaͤi ihre Schweine ungehuͤtet<lb/>
laufen laſſen, beſtrafet werden ſollen. Ein ſolches Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bot</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[206/0220]
LII.
Vom Huͤten der Schweine.
Es kommen jaͤhrlich viele Klagen daruͤber ein, daß die
Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten
herumlaufen, und beſonders den Gaͤrten ſehr vielen
Schaden zufuͤgen. So oft man aber dieſem Unweſen von
Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden,
daß ſich ſolches am wenigſten durch allgemeine Verord-
nungen zwingen laſſen wolle. Vielleicht iſt die Aufklaͤ-
rung der ſolcherhalb vorhandenen Geſetze und Gewohn-
heiten, eben ſo nuͤtzlich als irgend eine andre philoſophi-
ſche Betrachtung. Andre moͤgen von Liebe und Wein
ſingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die
Faͤlle, wo ſolche nach der Beſchaffenheit des hieſigen Landes
gehuͤtet werden muͤſſen oder nicht, zu beſtimmen ſuchen.
Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho-
lomaͤus gehuͤtet und in Acht genommen werden muͤſſen,
iſt man faſt durchgehends einverſtanden. Der groͤſſere
Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfruͤchte, wird
hier mit Recht auf Koſten des mindern geſucht; und man
nennt jene Zeit die beſchloſſene Zeit. Meiner Meinung
nach redet hier auch der Tag oder der Calender von ſelbſt,
und es bedarf ſolcherhalb jaͤhrlich keines beſondern neuen
Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fruͤhjahr eine
fruͤhere Schonung der Felder, oder die ſich verſpaͤtende
Erndte eine ſpaͤtere Eroͤfnung derſelben erfordert, da iſt
ein beſonders Gebot noͤthig; und dieſes Gebot muß oͤf-
fentlich verkuͤndiget werden, wenn diejenigen, ſo vor
Maytag oder nach Bartholomaͤi ihre Schweine ungehuͤtet
laufen laſſen, beſtrafet werden ſollen. Ein ſolches Ge-
bot
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/220>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.